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BVMI: Schlageranteil erstmals seit über 10 Jahren unter 4 %
Das ist eine Meldung, die die Schlagerszene aufhorchen lassen sollte. Alles spricht vom Schlagerboom – aber 2020 war für den Schlager in Sachen Tonträgerverkäufe bzw. Streaming und Download ein sehr schlechtes Jahr. Wobei das eigentlich merkwürdig ist, dass gerade in diesem Ranking der Schlager so schlecht da steht – es geht um die UMSATZanteile der einzelnen Repertoiresegmente. Und da ist der Schlager 2020 bei mageren 3,4 Prozent angekommen – so schlecht stand der Schlager in den über 10 letzten Jahren nicht da.
Marktanteil seit 2014 halbiert
Allein in den sechs Jahren zwischen 2014 und 2020 hat sich der Marktanteil des Schlagers fast halbiert. Hier mal ein Blick auf die letzten sechs Jahre:
- 2014: 6,5 %
- 2015: 6,1 %
- 2016: 5,3 %
- 2017: 5,3 %
- 2018: 4,2 %
- 2019: 4,0 %
- 2020: 3,4 %
Leider ein klarer Trend erkennbar…
Nun kann man sagen: Im vergangenen Jahr haben die „Blockbuster“ sich eigentlich alle zurückgehalten. Wenn DANIELA ALFINITO die „Sängerin des Jahres“ war, heißt das auch, dass HELENE FISCHER, ANDREA BERG und MAITE KELLY 2020 eben kein Album veröffentlicht haben – also kein reguläres Studioalbum. Das allein kann aber nicht den wirklich erschreckenden Nischenwert von 3,4 % erklären. Seit 2014 ging der Trend kontinuierlich bergab, das muss die Schlagerschaffenden schon beunruhigen.
Tonträgerumsatz Indiz für die gesamte Szene?
Ein zutreffendes Argument mag sein, dass die Tonträger (bzw. heutzutage Musikindustrie)-Umsätze nicht unbedingt die Popularität eines Genres widerspiegeln. Als WDR4 noch kein Dudelsender war, sondern als Schlagersender gegründet wurde, war es der mit Abstand erfolgreichste Radiosender in einer Zeit, in der die Schlager-Tonträger „wie Blei in den Regalen lagen“. Insofern muss der schlechte Marktanteil an den Umsätzen des BVMI nicht unbedingt bedeuten, dass der Schlager in einer Krise ist.
Liveauftritte können Einschnitte nicht wettmachen
Das große Problem des vergangenen Jahres ist, dass auch Großveranstaltungen ausbleiben. Schlagernacht des Jahres, Schlagerbooom, Kaisermania – alles nicht möglich. Das schadet dem Schlager doppelt. In dieser Zeit wäre natürlich wichtig gewesen, möglichst gute Tonträger-Absätze zu generieren. Es heißt, dass gerade im Schlager – anders als in fast allen anderen Musikrichtungen – noch CD-Alben verkauft werden. Das spiegelt sich aber so gar nicht in der BVMI-Statistik.
Metamorphose des Genres auch ein Problem?
Auch ein Problem der Plattenfirmen?
Nun muss man sagen, dass es vielleicht hier und da auch wichtig ist, wie gut das Umfeld funktioniert. Dass hier teilweise die doch zuständigen Leute nicht mal den VÖ-Termin des von ihnen zu verantwortenden Produkts kennen, ist schon – wie wir finden – haarsträubend. Und wenn wir gestern wie eigentlich immer über das neue Album von ANDY BORG nur deshalb berichten können, weil wir wie immer (durchaus gerne) recherchiert haben, ist das nun wirklich kein Kompliment für dessen Umfeld, dessen Job die Promotion seiner Produkte und Sendungen doch eigentlich wäre.
Nicht jeder ist ein „Schlagerprofi“ und agiert professionell
Wenn wir in letzter Zeit weniger Rezensionen bringen, hängt das auch mit diesem Verhalten zusammen. Gerne bringen wir Rezensionen. Aber wenn selbst eine physische Bemusterung wie im Fall von NINO DE ANGELO schon zu viel verlangt ist, dann haben wir ganz offen gestanden auch keine Lust, detailliert das Album zu besprechen, auch wenn es nach unserem Eindruck extrem gelungen zu sein scheint. Und wenn der „Sohn von…“ uns kein Interview gibt, weil er beleidigt ist, dass wir keine Hofberichterstattung betreiben, dann kann der Schuss auch mal nach hinten losgehen.
Wir bleiben am Ball…
Nach wie vor führen wir gerne Interviews und veröffentlichen wir gerne CD-Besprechungen. ABER: Wir sind keine Hofberichterstatter. Damit haben viele Schlager-Protagonisten ein Problem – und genau DAS könnte durchaus ein Mosaikstein sein, warum die Umsätze zurückgehen – authentisches Stehen für den Schlager, dafür brennen, dafür leben – das kommt an. Und hier geht es nicht nur um uns Schlagerprofis, so wichtig wollen wir uns auch nicht nehmen.
Ob die „A&R“s dieser Welt aber einen guten Job machen, wenn sie auf langweilige Lobhudeleien bestehen, lassen wir mal dahingestellt sein. Wenn der eigene Wohlfühlfaktor weit über den Erfolg des Produkts gehängt wird, und das schon recht flächendeckend, könnte auch das ein Problem sein.
Trendwende in 2021?
Ob im Jahr 2021 eine Trendwende zu Gunsten des deutschen Schlagers kommen kann, liegt an vielen Faktoren. Wichtig wäre sicherlich, dass die Topstars neue Alben veröffentlichen. MAITE KELLY veröffentlicht am Freitag ihr Album (selbstverständlich haben wir auch die Infos dazu selbst recherchieren müssen, weil die dafür Zuständigen das nicht tun), GIOVANNI ZARRELLA kommt im April (ein Lob: dessen Presseinfos bekommen wir seitens der Plattenfirma TELAMO regelmäßig) – vielleicht könnte das ja schon mal ein erster Schritt zum Turnaround sein.
Abstrafen der Musikshows?
Ein weitererer Aspekt für die beunruhigende Entwicklung des Schlager-Marktanteils sind sicherlich die Musikshows. Dass sowohl FLORIAN SILBEREISEN als auch CARMEN NEBEL die immer gleichen Gäste einladen und Newcomer dann halt die „Nichten von…“ sind, wird womöglich auch inzwischen mit schlechten Umsätzen abgestraft. Wobei bei den Schlgerchampions mit NINO DE ANGELO ein Treffer gelungen war. Aber da wäre dann halt wieder ein gutes Umfeld seitens Plattenfirma und Management gut…
Es bleibt spannend…
So ganz schlecht kann es um den Schlager nicht bestellt sein. Im vergangenen Jahr waren die „Schlagerchampions“ das erfolgreichste Compilation-Format des ganzen Jahres. Ob das zu wiederholen ist, bleibt abzuwarten, aber auch in diesem Jahr läuft der Sampler gut (auch hier hätten wir ja gerne eine Rezension geschrieben, aber…). Wir drücken die Daumen, dass es wieder bergauf geht. Gerne werden wir auch weiter berichten…
3 Antworten
Es wundert mich nicht, dass der Schlager leider,leider so schlecht da steht. Wird doch in den meisten Radiosendern zu 97Prozent nur alter „Englischmist“ gespielt. IN keinem Land der Welt wird die eigene Sprache bei der Musikauswahl derartig ignoriert wie hier. Ich höre daher nur noch selten Radio.
Bitte im Radio wieder mehr deutschen aktuellen Schlager spielen.
Was mich seit einiger Zeit im Schlager stört, ist der Trend ihn mit anderen Genres zu vermischen. Deutsch-Pop ist nun mal Deutsch- Pop. Ich finde diese Musikgattung einfach nur langweilig. Für mich ist Deutsch-Pop wie Valium. Ausserdem gehen dem Schlager mittlerweile die Melodien aus. Ich will sagen, es wird zuviel auf Beats und Drums gesetzt. Musik besteht aber aus Melodien und Harmonien. Die Bests und Drums haben sich dem eindeutig unterzuordnen. Ausserdem hat man natürliche Instrumente wie Klavier, Trompete und Posaune und weiteres abgeschafft. Nur Helene Fischer hat gezeigt, das es anders geht. Verweise hier auf ihr Konzert aus dem November 2010 O2 World Berlin. Die „So wie ich bin-Tournee“ Dieses Konzert ist auch auf DVD veröffentlicht. Warum nimmt sich keiner mal Helene als Vorbild in Sachen Klang und Instrumente? Das übrigens Big Band Schlager richtig gut klingen kann beweist zurzeit Ramon Roselly mit seiner Version von „Komm und Bedien Dich“.
Mit dieser Version zeigt man auch Respekt vor früheren Interpreten wie Peter Alexander oder Tom Jones. Das es auch Komponisten gibt die dem Schlager nicht gut tun, zeigt Christian Geller. Ein Meer an Computer und Keyboards. Alles klingt gleich. Nichts ist unverwechselbar. Bei Geller klingt das wie eine Sauce. Und trotzdem hat er einen riesen Erfolg mit Anders/Silbereisen und Giovanni Zarella. Es fehlen aber auch seit längerer Zeit richtige Schlagerperlen wie „Morgen früh Küss ich dich wach“, „Du hast mich tausendmal belogen“ oder auch „Mein Herz (es brennt)“.
Ein Verlust in der Texteriege
ist an erster Stelle ganz klar Irma Holder. Auch ein Jean Frankfurter ist mittlerweile im Herbst seiner Komponisten-Laufbahn angekommen.
Martin