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DETLEF ENGEL ist tot – Schlagerprofis.de erinnert an ihn mit der DETLEF-ENGEL-Story

DETLEF ENGEL: Erfolgreicher Sänger der 1950er Jahre verstorben

Es ist schon kurios: Nicht weniger als ELF Singles landete DETLEF ENGEL (teils gemeinsam mit GERD BÖTTCHER im Duett) in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren – das sind mehr Charthits als ANDREA BERG und FLORIAN SILBEREISEN in den Single-Charts zusammen landen konnten. Bereits im Juli 1959 war im Musikmarkt zu lesen: 

Als die Entdeckung des Jahres bezeichneten die Rundfunkleute den Sohn Detlef des international bekannten Marimbaphon-Virtuosen Kurt Engel. Seine erste Platte „Komm zu mir, Darling“ wird bereits von den Rundfunksendern ausgestrahlt und hat bei den jugendlichen Hörern große Sympathien ausgelöst.

Danach ging es schon schnell los. Schon im November 1959 fand sich „Good Night, My Little Girl“ in den deutschen Single-Charts wieder – und 1960 ging es mit „Mr. Blue“ sogar in die Top-10. Leider hielt DETLEFs Karriere nicht lange – und er ergriff einen bürgerlichen Beruf. Auf Wikipedia ist zu finden, dass DETLEF am 14. Januar 2023 verstorben ist – einen Tag nach seinem 83. Geburtstag. Da nur wenige konkrete Infos über den Sänger im Netz zu finden sind, freuen wir uns, eine ausführliche Biografie des Schlagerexperten WÄLZ STUDER bringen zu dürfen, die der im Forum von memoryradio.de veröffentlicht hatte. Hier also die DETLEF-ENGEL-Story: 

Detlef Engel: Der Schnulzenkönig des Rock´n´Roll – die DETLEF-ENGEL-Story von WÄLZ STUDER

Detlef Engel war der Softie des deutschen Rock´n´Roll. Er hat zwischen 1959 und 1964 neun Solosingles und vier Duettaufnahmen mit Gerd Böttcher in die Charts gebracht. Sein größter Erfolg war die deutsche Fassung des „Fleetwoods“-Titels „Mr. Blue“. Zum ersten Mal hatte damit ein Vertreter der „Rock´n´Roll-Generation einen Top-Ten-Hit mit einer Schnulze. Dies sollte nachhaltige Wirkung auf die deutschen „Rock’n’Roller haben: Die Produzenten von Ted Herold erweiterten fast sofort das Repertoire ihres Schützlings um langsame Titel.

Engels „Mr. Blue“ war grade aus den Charts gefallen, als mit „Moonlight“ im Mai 1960 Herolds größter Hit zum ersten Mal in der Hitparade Einzug hielt. Einmalig ist der Verkauf des Sängers Detlef Engel: Seine ersten sechs Singles kamen alle mit demselben Cover heraus! Ab Mitte 1961 versuchte Produzent Werner Müller aus seinen beiden Schützlingen Detlef Engel und Gerd Böttcher die deutschen „Everly Brothers“ zu machen. Das Experiment scheiterte unter anderem wegen der unterschiedlichen Charaktere der beiden Sänger.

Detlef Hensel –so der bürgerliche Name des Sängers- kommt am 10.1.1940 in einem künstlerischen Umfeld zur Welt. „Mama, Opa, Oma und Tante waren Akrobaten“ (1), sagt er 2005 in einem Interview mit dem Schweizer Sender „Radio Munot“. Später heiratet seine Mutter den Musiker Kurt Engel, der als Paukist und Xylophonist sowohl in der klassischen Musik wie in der Unterhaltungsmusik tätig war. Der Stiefvater hätte Detlef gerne zum klassischen Fach geführt. Detlef schrieb sich an der Musikhochschule für die Fächer Klavier und Kompositionslehre ein (2) „und nimmt Gesangsunterricht bei der Wagner-Sängerin Elsa Varena, die auch René Kollo zu ihren Schülern zählt.“ (3)

Mit wenig Erfolg. Denn nach vier Semestern brach er das Studium ab. (2,3) Zum Leidwesen des Vaters begeisterte sich der Junior für den Rock´n´Roll und dessen Idol Elvis Presley. Im Kellerstudio des Elternhauses übte er ein paar Presley-Nummern ein, die er dann im Berliner Tanzlokal „Casa Leon“ mit der Band singen durfte. Pro Auftritt gab es für den 17jährigen fünf Mark. Bald hatte er ein Monatsengagement im „Leon“. Offenbar gegen den Willen des Vaters, denn gemäss Aussagen von Detlef Engel hätte er zu jener Zeit eine Lehre als Automechaniker beginnen sollen.

Eines Abends besuchte Engel sen. einen Auftritt seines Sohnes. In der Pause hieß er ihn, an seinen Tisch kommen. Der Kommentar lautete: „ Singst gut, verkaufst Dich gut auf der Bühne. Aber das Milieu hier im „Leon“ ist nicht das richtige. Mach den Monat zu Ende, aber dann ist Schluss hier.“ (1)

Vater Engel schleppte kurz danach den Trompeter Macky Kaspar ins „Leon“, der sich von Detlefs Show begeistert zeigte. Er vermittelte Kontakte zur Ariola, wo er vermutlich anfangs 1959 für den „Bertelsmann Schallplattenring“ eine Nachzieherfassung von „Sugar Baby“ einsang, die auf einer EP und später auf einer Langspielplatte unter dem Namen „Detlev Engel erschien.

Vater Engel übergab zu jener Zeit auch Probeaufnahmen seines Sohnes mit einigen Presley-Nummern an Orchesterboss Werner Müller. Dieser fand Gefallen an Engels Interpretation von „Loving you“. Und damit war der erste Schritt zum Schnulzenkönig des deutschen Rock´n´Roll getan. Müller lud Detlef Engel im Frühling 1959 ins Studio ein und ließ ihn „Komm´zu mir Darling“ einsingen. Das Original der „Fleetwoods“ „Come softly to me“ hatte im Frühling 1959 Platz eins der amerikanischen Charts erobert. Engels deutsche Version erschien bereits im Juni in den deutschen Charts und erreichte als Spitzenrang vier Wochen lang Platz 13. (4) In Österreich gelang ihm damit sogar ein Top Ten-Hit. Die Nummer lancierte die Karriere des Detlef Engel. Er wurde für Tourneen verpflichtet und zu Fernsehshows eingeladen.

Die zweite Single „Good Night my little Girl“ platzierte sich ab September in den deutschen Hitparaden, kam aber nur noch hoch bis Platz 38. Schon im November plazierte sich mit „Du, du bist ja so schön“ die dritte Engel-Single in den Charts. Diesmal ging es hoch bis Platz 27. Dank den drei Chartsnotierungen wird er als aufgehendes Teenyidol für den Film „Schlagerparade 1960“ verpflichtet. Darin singt er nicht etwa seinen Hit „Du, du bist ja so schön“, sondern „Lass mich heute nicht allein“, die Nummer der Rückseite der aktuellen Hitsingle.

Erfolglos beim Schlagerfestival, Hit mit Rückseite

Im November 1959 beteiligte er sich mit „Junges Glück“ erfolglos am „Deutschen Schlagerfestival“, veranstaltet von Radio Luxemburg in Wiesbaden. Entsprechend erschien die vierte Single mit der A-Seite „Junges Glück“ und der B-Seite „Mr. Blue“. Die Fans entschieden anders: Im Dezember 1959 gelang Engel mit „Mr Blue“ der vierte Hitparadeneinstieg im Jahr 1959, und er schaffte damit auch den kommerziellen Durchbruch. „Mr Blue“ schoss in Deutschland hoch bis Platz sieben, in Österreich gar bis Platz sechs. Es sollte der größte Hit einer kurzen Karriere werden. In der Bravo-Liste der beliebtesten Sänger für das Jahr 1959 landete Detlef Engel auf dem 18. Rang. In den zwei folgenden Jahren erscheint er jeweils in dieser Liste, aber er ist nie mehr so hoch klassiert.

„Mr Blue“ wurde zu seinem Markenzeichen. Engel ist „Mr Blue“ und umgekehrt. Die Nummer verschafft ihm einen zweiten Auftritt in einem Film. Fritz Marischka, der schon bei der „Schlagerparade 1960“ Regie geführt hatte, verpflichtete ihn für den Film „Das Rätsel der grünen Spinne“ (5) (nicht wie oft fälschlicherweise zitiert „Das Geheimnis der grünen Spinne) für die Rolle eines Barsängers. Hier sang er seinen Hit „Mr. Blue“. Dieser Hit legte Detlef Engel mit seiner Baritonstimme endgültig auf schnulzige Titel fest. Im Jahre 1960 notierte auch die fünfte Single „Zeig mir bei Nacht die Sterne“ in den Charts, in Österreich war er damit zum dritten Mal in den Top Ten vertreten.

Nach fünf aufeinanderfolgenden Hits brach die Serie ab. Im August 1960 floppte erstmals eine Single von Detlef Engel, nämlich „Oh, I love you“, ein Cover des Tillotson-Titels „U-u-u-u-i, never let me go“. Auch der Auftritt am 25. Februar 1961 im Kurhaus Homburg bei der deutschen Ausscheidung für den Grand Prix Eurovision bringt keinen Erfolg. Engel fällt mit dem Titel „Nach Mitternacht“ durch. Deshalb wird er auch nie auf Platte veröffentlicht. Besser verkauft sich seine nächste Single. Das rhythmische „Vier kleine Schuhe“ kommt wieder in die Charts. Dies schafft er im gleichen Jahr auch mit „Ein Engel ohne Flügel“. Die Nummer gelangte in Deutschland in die Top Twenty, in Österreich sogar in die Top Ten.

Die deutschen Everly Brothers

Trotz dieser Erfolge glaubte Werner Müller offenbar nicht an einen dauerhaften Erfolg seines Schützlings. Im Frühling 1961 schlug er vor, Gerd Böttcher und Detlef Engel sollten ein Duett singen. Der Bariton von Detlef Engel und der Tenor von Gerd Böttcher müssten ideal zusammenpassen, fand er. Müller schwebte vor, aus den beiden Teenysängern die deutschen Everly Brothers zu machen, sagt mindestens Detlef Engel im Interview (1). Vater Engel war nur unter der Bedingung einverstanden, dass sein Sohn eine höhere finanzielle Beteiligung erhalte als Böttcher. Nach langem Feilschen willigte Produzent Müller ein.

Im Juni 1961 erschien die erste Single des Duos, und sie war auf Anhieb erfolgreich. Sowohl A- wie B-Seite wurden in den Charts notiert. „Weil Du meine große Liebe bist“ schoss vor bis Platz acht. Der Titel basiert auf der Melodie von „Santa Lucia“ Dieser Erfolg ist umso bemerkenswerter als zur gleichen Zeit die „James Brothers“ mit der gleichen Melodie aber einem anderen Text die Single „Morgen bist Du alle Sorgen los“ veröffentlichten. Peter Kraus und Partner Jörg Maria Berg mussten sich aber den Neulingen beugen. Sie erreichten mit ihrer Version nur Platz 16.

Müller zog schon im September mit einer zweiten Single nach: Mit einer gesungen Version des „Harry Lime“-Themas aus dem Film „Der dritte Mann“. Die Nummer nannte sich nun „Oh Billy Billy Black“ und kletterte hoch bis Platz 11. Noch einmal im Februar 1962 erreichten Böttcher und Engel mit „Rock-A-Hula-Baby“ die Charts. Die drei folgenden Scheiben floppten, weshalb das Experiment im Jahre 1964 abgebrochen wurde.

Böttcher/Engel: Erfolg im Verkauf, Flop auf der Bühne

Gerd Böttcher und Detlef Engel waren mehr oder weniger ein Produkt aus der Retorte. „Wir sind zwar miteinander aufgetreten. Aber wir haben unsere Titel nicht gesungen. Es klappte einfach nicht. Ich musste mich bewegen auf der Bühne, Böttcher stand nur da und machte auf Stimme“, (1) erklärt Engel ein Phänomen der deutschen Popgeschichte. Schwierigkeiten gab es schon beim Einsingen der Lieder. Meist war vorgesehen, dass einer der beiden in der ersten Strophe die erste Stimme sang und der andere in der zweiten Strophe die erste Stimme übernehmen sollte.

Diese Wechsel klappten oft nicht. Stattdessen ließ der Produzent dann bei einzelnen Titeln abwechselnd je einen Künstler die Strophen singen. Engel zitiert als Beispiel für eine solche missglückte Zusammenarbeit den Song „Rock-A-Hula Baby“. „Da hat der Gerd wieder so gebrüllt, da haben sie meine Stimme dann unterdrückt“, sagt Engel im Interview mit Radio Munot.(1)

Weg vom Schnulzenimage und weg vom Fenster

„Rock-A-Hula-Baby“ blieb die einzige Hitparadennotierung für Detlef Engel im Jahre 1962. Mit den Duettaufnahmen war es Werner Müller gelungen, Detlef Engel ein bisschen von seinem Schnulzen-Image zu lösen, welches bei den Fans auch keinen Anklang mehr fand. 1963 sang Detlef Engel erstmals einen Bossa Nova-Titel ein. „Rote Rosen“ ist die deutsche Version von „The Bossa Nova“ den die Clovers mit der Leadstimme von Roosevelt “Tippy“ Hubbard herausgebracht hatten. Diese Stiländerung brachte Detlef Engel zurück in die Charts. Und auch die folgende Single „Das ist leicht gesagt“ notierte in den Hitlisten. Telefunken brachte bis Ende 1964 noch drei weitere Singles mit Detlef Engel heraus. Ihnen war eines gemeinsam: Sie verkauften sich nicht mehr.

Detlef Engel fand 1966 Unterschlupf bei dem kleinen Label CCA. Die Aufnahmen entstanden in Osnabrück. „Es war Montagmorgen“ und „Liebe mit dir“ fanden zwar erstaunlicherweise den Weg in die Regale der Plattenläden, jedoch nicht den Weg zu den Fans.

Der nachlassende Erfolg zwang Engel, sich Arbeit außerhalb des Schaugeschäftes zu suchen. Erst machte er ein eigenes Lokal in Berlin auf, mit dem er aber pleite ging. Ab 1966 jobbte er als Lastwagenfahrer und später als Barkeeper und Bierzapfer. Dazwischen gab es immer noch einige Engagements, so zum Beispiel im Mai 1966 im Friedrichspalast in Berlin. 1971 schließlich nahm er eine feste Stelle an bei der Wasserversorung Berlin, wo er 2005 in Rente ging.

1972 nimmt er auf eigene Kosten („hat mich 1600 Mark gekostet“) den Titel „Ein kleines Lächeln“ auf, die ebenfalls auf CCA erscheint (6). Und 1984 kommt auf Remember Records seine letzte Single „Ich bin so einsam und allein“ heraus, für die er sogar einige Promoauftritte absolviert.

Der Teenysänger mit den langweiligsten Plattenhüllen

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Detelf Engel hat zwischen 1959 und 1964 für Telefunken 18 Singles aufgenommen. Neun davon kamen in die Charts. Und nicht weniger als acht erschienen mit dem gleichen Cover! Mit anderen Worten: Bei keinem Teenage-Idol gab es langweiligere Plattenhüllen als bei Detlef Engel. Die ersten sechs Singles im Zeitraum von Frühling 1959 bis Dezember 1960 haben die gleiche Grafik und das gleiche Bild: Ein Brustbild des Sängers vor einer Steinmauer. Er lächelt scheu in die Kamera und stützt mit der linken Hand das Kinn. Rechts daneben einkopiert sind drei Bilder von Zweier- und Dreiergruppen mit jungen Menschen. Der oberste Fünftel des Covers ist durch einen weißen Balken abgetrennt.

Dort werden auf einem bräunlich-gelben Hintergrund die unterschiedlichen Titel eingedruckt. Erst nach dem Flop von „Oh, I love you“ wird die Grafik geändert. Statt des Sängers zeigt das Cover von „Vier kleine Schuhe“ passend zum Titel die Schuhe von zwei Mädchen. Der Titel chartet und prompt kehren die Macher bei der achten Single „Ich bin nicht so- wie alle andern“ zu Sujet Nummer eins zurück. Der Titel floppt und nun wird erstmals ein Cover mit einem Porträtbild des Sängers veröffentlicht.

Die Nummer erreicht erstmals seit 1960 wieder die Top Zwanzig. Schon bei der nächsten Produktion „Geh´n wir“ kehrt im Ansatz das bewährte Sujet der ersten Singles zurück. Gezeigt wird der Sänger in der gleichen Pose -Brustbild mit aufgestützten Kinn- allerdings vor einem blauen Hintergrund. Die Single floppt, folgerichtig wird ein neues grafisches Konzept versucht bei „Schenk mir doch ein Bild von Dir“: Detlef Engel mit Jacke und Krawatte. Auch diese Single fällt beim Publikum durch. Nun wird im August 1962 für die Single „Bitte gib mir einen Kuss“ zum letzten Mal das Ursujet hervorgeholt. Vergeblich. Engel kann sich als Solist erst im Juni 63 wieder in den Charts platzieren, und zwar mit der Nummer „Rote Rosen“.

Drahtzieher einer Karriere: Vater Engel und Werner Müller

Die Karriere des Detlef Engel ist von zwei Männern gesteuert worden. Vater Kurt war für die finanziellen Dinge zuständig und Werner Müller für die musikalischen Belange. Man kann davon ausgehen, dass Werner Müller nach dem Payola-Skandal in den USA, der einen Einschnitt in die Entwicklung des Rock´n´Roll bedeutete, nicht nach einem neuen Rock´n´Roll-Sänger suchte. Man kann davon ausgehen, dass Müller versuchte, ein Teenage-Idol für seine Produktion aufzubauen. Ende der 50er Jahre hatte sich der Musikmarkt zu einem Markt entwickelt, auf dem die Teenager mit ihrer Kaufkraft für neuen Umsatz sorgten. Dies zeigten die Umsätze eines Ted Herold, einer Conny oder eines Peter Kraus.

In diesem Markt wollte Werner Müller Fuß fassen. Detlef Engel war sein Mittel. Er entsprach ihm, weil er Stimme und Musikalität besaß. Engel war einer der wenigen Nachwuchssänger, die Noten lesen konnten. Müller entschied aufgrund seiner Erfahrung, dass Engel geeignet sei zur Interpretation langsamer Titel. Deshalb ließ er ihn die deutscher Fassung der Schnulze „Come softly to me“ aufnehmen. Müller hatte sich nicht getäuscht. Der Erfolg war grösser als erwartet, weshalb Engel sofort eine weitere amerikanische Schnulze auf deutschen einsingen musste, nämlich Frankie Avalons Schmachtfetzen „A boy without a girl“.

Diese Masche erreichte mit der vierten Single „Mr. Blue“ ihre Perfektion. Es war im übrigen der zweite Hit von Detlef Engel, der auf einem Original der „Fleetwoods“ basierte. Mit diesem Hit war Detlef Engel zum Schnulzenkönig der Rock´n´Roll-Generation gekrönt.

Müller ahnte, dass es nicht im gleichen Stil weiter gehen konnte, dass ein Stilwechsel nötig würde. Er war clever genug diesen Wechsel nicht direkt vorzunehmen, sondern über die Paarung mit Gerd Böttcher. Das Duo nahm mit Erfolg rhythmische Titel auf. Mit einem Wechsel auf schnellere und rhythmischere Titel gelang es Müller, die Karriere seines Schützlings bis an den Anfang der Beatzeit zu verlängern.

Bleibt noch die Frage, ob der erfahrene Werner Müller das Duo Böttcher/Engel gebildet hat, um die deutschen Everly Brothers aufzubauen oder den Genrewechsel seiner Schützlinge damit vorbereitete. Denn auch Böttcher wechselte im Rahmen des Duos seinen Stil. Statt Nummern, die vorwiegend auf Traditionals basierten, produzierte Müller mit ihm ab 62 Nummer im Stil des High School-Rock. Einem erfahrenen Mann, wie Werner Müller können wir zutrauen, dass er beide Ziele anpeilte, den Aufbau der „deutschen Everly Brothers“ und als Plan B den Imagewechsel seiner jungen Schützlinge.

Mär vom deutschen Ricky Nelson

In den meisten Beiträgen über Detlef Engel ist zu lesen, dass Werner Müller aus ihm den deutschen Ricky Nelson habe machen wollen. Auch Detlef Engel äußert sich im Gespräch in diese Richtung. Dennoch sind Zweifel angebracht. Ich halte sie gar für eine Mär. Denn: Ricky Nelson wurde der deutschen Öffentlichkeit erst 1961 mit „Hello Mary-Lou“ bekannt.

Erst rund ein Jahr später nahm Engel mit Isabella eine deutsche Fassung der Nelson-Nummer „Young World“ aufnehmen, notabene als B-Seite. Erst bei der nächsten Platte “Ich such ein Herz“ kommt mit der deutschen Fassung von „Teenage Idol“ eine Nelson-Nummer auf eine A-Seite einer Single von Detlef Engel. Wenn Müller aus Engel den deutschen Ricky Nelson hätte machen wollen, hätte er wohl kaum ein Jahr gewartet, bis er ihn eine Nummer von ihm aufnehmen liess. Und vor dem Erfolg von Nelson, hätte es wenig Sinn gemacht, einen deutschen Klon aufzubauen.

Der Schnulzenkönig des Rock´n´Roll

Detlef Engel war nicht der deutsche Ricky Nelson, er war der Schnulzenkönig des Rock´n´Roll. Müller hatte richtig erkannt, dass der Kurswert der alten Schnulzenkönige wie Rene Carol oder Rudi Schuricke gegen Null zeigte. Die aktuellen Schnulzenkönige wie Vico Torriani oder Willy Hagara wiederum erreichten ein Teenager-Publikum kaum. Es fehlte ein Schnulzensänger für die Rock´n´Roll-Generation. Müller gab ihn ihr, mit Detlef Engel.

Erstaunlich ist nicht der durchschlagende Erfolg des Detlef Engel als Schnulzenkönig. Erstaunlich sind die Folgen im deutschen Rock´n´Roll, die sein Erfolg auslöste. Dank Engel wagten die deutschen Rock´n´Roller, langsame Nummern aufzunehmen. Die Produzenten der Stars des deutschen Rock´n´Roll ließen ihre Schützlinge nun Schmachtfetzen einsingen. Engel hatte gezeigt: Auch die Rock´n´Roll-Generation kauft Schnulzen.

Praktisch postwendend nach Engels Hit „Komm´zu mir Darling“ nahm Peter Kraus den Slow „Ich bin ja so allein“ auf, die deutsche Fassung von Paul Ankas „Lonely Boy“. Ein Jahr später wird er mit der Schnulze „Schwarze Rose Rosemarie“ sogar seinen grössten Hit feiern. Und wie oben erwähnt wagte sich nach dem Erfolg von „Mr. Blue“ auch Ted Herold an eine Schnulze. „Moonlight“ wird die einzige Nummer eins seiner Karriere.

Fußnoten:

  1. Interview Radio Munot vom 8.8.2005
  2. Biografieangaben Dietrich Heitz auf http://www.rocknroll-schallplatten-foru … c&start=15
  3. Elmar Kraushaar, Ein Engel ohne Flügel
  4. Automatenmarkt Jahrgang ´59
  5. http://www.imdb.de/title/tt0054258/fullcredits#cast
  6. Musikmarkt 24/72

Quelle: Wälz Studer (memoryradio.de) – vielen Dank für die Abdruckgenehmigung!

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