CD Cover Schlager

Vanessa Mai – “Schlager” – die erste Rezension

Am kommenden Freitag erscheint die neue CD von Schlagerprinzessin Vanessa Mai. Uns von den Schlagerprofis war es wichtig, die erste wohlwollende, aber nicht unkritische Rezension zu veröffentlichen. Hier ist unsere Meinung zum neuen Vanessa-Mai-Album:

“Weg vom Schubladendenken”

Vanessa Mai hat ein Problem. Sie will nach eigener Aussage „weg vom Schubladendenken“. Das ist in ihrer Branche ein nobles Anliegen, denn Musik ist Musik, Hauptsache es gefällt. Trotzdem ist das natürlich ein anspruchsvolles Ziel, denn der Mensch denkt nun mal in Kategorien. Das ist der natürliche Mechanismus des Gehirns, um Informationen abzulegen und abrufen zu können – aber das sei nur am Rande bemerkt.

Wie sollen wir ein neues Album bewerten, das die Künstlerin frecherweise wie die gesamte Branche „Schlager“ nennt, das sich aber gleichzeitig vom Schubladendenken in der Musik verabschieden will? Ist so etwas überhaupt noch ernst zu nehmen? Gelingt es Vanessa Mai, diesen Zwiespalt zu überwinden?

Vanessa Mai sprengt die Grenzen der Schublade „Schlager“

Wir haben uns mit dieser Antwort nicht leicht getan und das neue Album rauf und runter gehört. Eines sei vorneweg bemerkt: Vanessa erfüllt diesen Anspruch mit interessanten  Vereinigungen verschiedener Sounds. Und obwohl ihr dieser Spagat insgesamt gut gelingt, überwindet sie nicht konsequent die Grenzen der Schublade. Allerdings entstaubt sie diese und macht sie ein ordentliches Stück größer.

Neue Fans werden angelockt, alte Fans kommen auf ihre Kosten

Dabei gelingt ihr ein weiterer musikalischer Befreiungsschlag, denn den Schlager modernisiert sie bereits seit geraumer Zeit wie kaum eine andere Künstlerin der Zunft.  Und doch bleibt sie ihrem Schema treu, so dass hier mit Sicherheit nicht nur neue Fans angelockt werden dürften, sondern auch die treuen Fans voll auf ihre Kosten kommen. Themen wie Liebe, Sehnsucht und Herzschmerz berühren seit jeher die Schlagerfans, auch Vanessa Mai war hier nie eine Ausnahme. Im Gegenteil: Wenn man sich den rasanten Aufstieg der einstigen Wolkenfrei-Sängerin anschaut, muss hinter dem Erfolg doch mehr als nur ein „Fördern“ von Andrea Berg stecken, wie manchmal in der Vergangenheit  unterstellt wurde.

In der Tat lieben die Fans die Musik, die Texte, die Nahbarkeit der 26-jährigen. Bei Konzertbesuchen äußern Fans sehr oft Statements wie : „Vanessa hat eine Gabe, sie kann andere Menschen glücklich machen“. Das ist ein tolles Kompliment, mit dem die in der Stadt Backnang geborene Künstlerin anscheinend verantwortungsvoll umzugehen weiß.

 Gelungene Vorab-Single „Wir 2 immer 1“ mit Olexesh

Mit ihrer Vorab-Single „Wir 2 immer 1“, dem Duett mit dem russischstämmigen Rapper Olexesh, bewies Vanessa Mai bereits ihren Mut. Sie konnte dabei zwar nur gewinnen; Hip Hop Fans mussten sich plötzlich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Schlagerpüppchen, das als Jugendliche immerhin mal Hip Hop getanzt hat, cool sein kann; doch scheinbar muss es ankommen, denn mittlerweile hat das offizielle Musikvideo auf YouTube fast 4 Millionen Klicks (Stand 29.7.2018)

Die NEUEN Songs im Einzelnen…

  1. Wiedersehen:

Der Song handelt vom Überwinden einer Trennung und der Hoffnung auf einen Neustart. Er gehört zum Standardrepertoire der Sängerin, denn er feierte seine Premiere bereits auf der Regenbogen-Tour im Frühjahr und ist regelmäßig in weiteren Konzerten vertreten, wie zuletzt beim Calwer Klostersommer (Das Video auf YouTube verfügbar).

  1. Mein Sommer:

Auch dieser chillige Song ist in Fankreisen bereits ein Klassiker. Viele Fans empfanden den Tital als beliebtesten neuen Song auf Vanessas „Regenbogen“-Tour. Einige Freunde von Vanessas Musik starteten eine Fanaktion und setzen bei diesem Song regelmäßig Sonnenbrillen auf. Mittlerweile nutzt Vanessa Mai dies, um alle Konzertbesucher dazu zu animieren. Der „Schlager“ sprüht dabei vor Leichtigkeit und positiver Energie. Würde er nicht das Opfer einer Schublade sein, aus der er kommt, hätten vielleicht mehr Radiostationen zu diesem Lied mit Sommerhit-Potenzial gegriffen. Hier zeigt sich wohl, dass Vanessa Mai vollkommen Recht hat, wenn sie vom Überwinden dieser Genre-Beschränkungen spricht. Es ist mehr als ehrenwert, dass sie den ersten Schritt gehmacht hat, aber um andere Sender als Radio B2 oder SWR4 zu überzeugen, ist es noch ein ziemlich weiter Weg.

  1. Fallschirm:

Die erste echte Überraschung auf “Schlager” ist der dritte Song “Fallschirm”. Mit der angestaubten Schublade hat dieser Song gar nichts mehr gemein. Durchaus gewöhnungsbedürftig und mit einer teilweise überpitchten Stimme versehen  wird dieser Song jedoch mit jedem Hören besser. Alteingesessene Wolkenfrei-Fans dürften mit diesem Popsong in deutscher Sprache zwar Schwierigkeiten haben, doch wird sich letztendlich an solchen Maßstäben zeigen, ob die junge Sängerin  mit zu schnellen Änderungsschritten ihre langjährigen Fans noch halten kann und diese ihrerseits in der Lage sind, sich vom Schubladendenken zu befreien.

  1. Wie es einmal war:

Harmonisch und doch modern überzeugt der vierte Titel auf dem potenziellen Nummer 1 Album. Die Veröffentlichung im August ist neben dem Angebot teurer Fanboxen ein weiterer kluger Schachzug von Manager und Ehemann Andreas Ferber. Auch die Plattenfirma dürfte mit diesem kalkulierten Chart-Erfolg rechnen. Der Titel handelt übrigens vom verlorenen Glück  einer nicht mehr vorhandenen Liebe und besticht durch kurze klare Synthesizer-Panflöten in Verbindung mit leichter Kost im Gitarrenstil. Eine gelungene Kombination die dem Anspruch dieses Albums gerecht wird.

  1. Wir 2 immer 1:

Ergänzung: Bei der „Starnacht am Wörthersee“ trat der Rapper Olexesh gemeinsam mit Vanessa Mai auf, um dieses Lied zu präsentieren. Neben der Bühnenpräsenz von Vanessa Mai ging er trotz seines mutigen Outfits jedoch vollkommen unter. Trotzdem muss man ihm hoch anrechnen, dass er sich hier so für diese Zusammenarbeit engagiert hat und auf das Gehate seiner eingefleischten Hardcorefans allem Anschein nach „pfeift“. Er hat dabei weitaus mehr zu verlieren als Vanessa Mai.

  1. Verdammter Engel:

Bei diesem modernen, aber etwas lahmen Schlager findet die Künstlerin, die ihre Songs nicht selbst schreibt, melodisch und textlich zurück zu bekannten Wurzeln. Der Chorus nach dem Break erinnert schwer an Dieter Bohlen, so dass einige Fans orakeln, ob dieses Lied ein Überbleibsel sei, welches es nicht auf das letzte Album geschafft hat. Eine mögliche Begründung könnte das Albumkonzept sein, und in der Tat passt dieses Lied besser zu „Schlager“ als zu „Regenbogen“.

  1. Love Song

Auch der „Love Song“ ist für eingefleischte Fans keine Neuheit mehr. Insgesamt lässt sich feststellen, dass 6 von 12 neuen Songs bereits vor Albumrelease auf Konzerten präsentiert wurden. Besonderheit dieses Liedes im Clubstil ist der verzerrte Klang einiger Samples und der teilweise instrumental schwach unterstützte Gesang, um dann den Refrain im vollen Sound abzubilden. Die eingängigen Wiederholungen verhelfen dabei schnell zu einem Ohrwurmcharakter.

  1. Niemals

Etwas träumerisch und mit melancholischer Stimme beginnt „Sag niemals immer“. Der Anfang täuscht jedoch, denn spätestens beim Refrain legt Vanessa Mai neben Gefühl auch Kraft in ihre Stimme. Trotzdem vermittelt der Song zum Thema „Ewige Liebe“ eine Art ironische Hoffnungslosigkeit. Sollte dies bewusst gemacht worden sein, weiß die Sängerin damit mehr zu überzeugen als man ihr bisher allgemein zutraut. Der Song selbst enthält neben Elementen aus 90er Eurodance Zeiten auch nachdenkliche Passagen.

  1. Glücksbringer

Aufregend frisch kommt „Glücksbringer“ daher. Definitiv ist das kein klassischer Schlager mehr, doch auch kein reiner Popsong. Es ist es schwierig, den Song in eine Schublade einzuordnen. Wow, ist Vanessa Mai etwa auf dem besten Weg, ihr Ziel zu erreichen?

  1. Ich wollt Dich nur für eine Nacht 

Diese anfänglich gefühlvolle Ballade handelt von einem Seitensprung und verwandelt sich in kürzester Zeit in einen schnellen Popsong. Leider erinnert die Komposition stark an den ESC-Hit „Euphoria“. Könnte es sich dabei um ein Plagiat handeln? Unabhängig von diesem Verdacht ist auch dieser „Schlager“ (?) eine gelungene Kombination verschiedener, genreübergreifender Zutaten. Die Background-Samples wissen dabei genauso zu überzeugen wie die von Vanessa Mai interpretierte Melodie.

  1. Vergessen Dich zu vergessen

Dieser Song beginnt sehr poppig und bleibt auch die ganze Zeit so. Bei den Fans dürfte er trotzdem extrem gut ankommen, wenn man mal genauer auf den Text achtet. Trennungsschmerz ist wahrhaftig eines der wichtigsten Themen der Zielgruppe. Auffällig ist der Song jedoch noch in einer anderen Hinsicht, da man relativ schnell zu dem Schluss kommt, dieser könnte durch einen ähnlichen Song von Carly Rae Jepsen inspiriert sein. Da dies dann der 2. Song mit Leihcharakter auf diesem Album wäre, bekommt das ganze einen gewissen Beigeschmack.

  1. Stärker

Mit dem letzten Song gelang in der Tat ein großer Wurf. Es handelt sich dabei um den Titelsong einer neuen Fernsehserie. „Freundinnen – jetzt erst recht“ spielt ab September täglich bei RTL. Der Text handelt von starker Freundschaft und die Melodie ist hochgradig ansteckend. Der eingängige Refrain weiß vollkommen zu überzeugen. Mai hat diesen Titel bereits zur neuen Hymne für ihr Maiteam auserkoren, wünscht sie sich doch das alle Fans zusammenhalten und niemanden ausgrenzen. Den Vorspann der neuen Serie kann man sich dank dieser perfekten Komposition hervorragend vorstellen. Die Bekanntheit Mais dürfte dadurch weiter gewinnen.

CD2

Auf der 2. CD sind ältere Songs von Wolkenfrei bzw. Vanessa Mai neu abgemischt. Vereinzelt klingen die 12 Songs moderner, längst aber nicht besser. Auch wenn es eine Frage der Gewöhnung ist, sollten alteingesessene Fans damit ihre Probleme haben. Trotzdem ist dies ein cleveres Manöver, um neue Fans für die Lieder der ersten beiden Alben zu interessieren.

Fazit

Es ist fürwahr strittig, ob Vanessa Mai mit „Schlager“ der ganz große Wurf gelungen ist. Dem Anspruch an sich selbst wird sie aber durchaus gerecht. Ob alle bisherigen Fans diesen Weg gehen wollen, bleibt abzuwarten. Die Schlager-Schublade hat sie nicht vollständig verlassen, doch sie schaut mit beiden Augen über den Rand. Dies war immerhin der Grund für das Ende der Zusammenarbeit mit Dieter Bohlen. Zuerst einmal erwarten wir jedoch einen erfolgreichen Charteinstieg und gratulieren zu diesem überraschenden Album. Wir von Schlagerprofis sind absolut sicher, dass das Album die Nummer Eins der Album-Charts entern wird. Gegebenenfalls (, wenn wir bemustert werden,) werden wir noch auf die Vorzüge der verschiedenen Varianten des neuen Albums eingehen.

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