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MIREILLE MATHIEU begeistert München
1.500 Menschen strömten am Sonntag in das seit Monaten ausverkaufte Deutsche Theater in München, um Weltstar Mireille Mathieu auf ihrer Abschiedstournee „Goodbye my love goodbye – The best of – Zum letzten Mal 2024“ zu erleben. Nicht nur aus ganz Deutschland, auch aus Österreich und sogar Frankreich ist das eher ältere Publikum angereist, unter das sich jedoch auch ein paar Junge mischen.
Manche besuchen gleich mehrere Konzerte der Abschiedstournee und reisen ihrem Idol sogar bis in die Türkei nach. Eine Dame in der ersten Reihe trägt nicht nur Mathieus Bobfrisur, sondern auch ein Kleid, das stark an das Bühnenoutfit ihres Idols erinnert. Im Foyer hat man Gelegenheit, ein Heft, das sich als bloße Fotosammlung entpuppt, für 20 und eine Doppel-CD für 30 Euro zu erwerben, angepriesen von zwei Franzosen, die immer wieder „magazin“ und „CD“ rufen und dabei als Marktschreier durchgehen würden.
Als sich um 19 Uhr der rote Vorhang hebt, wird zunächst eine Leiwand heruntergefahren. Für das langatmige Intro werden, begleitet von der vierzehnköpfigen Band unter der Leitung von Thierry Bienaymé, über sechs Minuten Bilder aus Mathieus Leben in unterschiedlichen Rollen gezeigt, die ihren Ruf als Legende manifestieren sollen.
Querschnitt aus Chansons und Schlagern
Dann endlich betritt der „Spatz von Avignon“ das Chanson „Quand la nuit vient sur la ville“ singend die Bühne. 78 Jahre ist sie inzwischen alt, und das sieht man ihr an: Vorsichtig tapst sie auf die Bühne, ist sichtlich in ihrer Beweglichkeit eingeschränkt.
Doch sobald sie zu singen beginnt, ist das vergessen: Gut Eindreiviertelstunden lang präsentiert sie einen Querschnitt ihrer beliebtesten Lieder, der die Kluft zwischen ihren Karrieren in Deutschland und Frankreich anschaulich dokumentiert. Gilt sie in ihrer Heimat als ernsthafte Chansonsängerin, wirken die Texte ihrer deutschen Schlager mitunter geradezu dümmlich. Doch egal, was sie singt, sie gibt ihr Letztes. Übergangslos folgt das Lied „Made in France“, dessen Melodik an die Kompositionen von Claude François erinnert.
Nach dem ersten auf Deutsch vorgetragenen Klassiker, „La Paloma ade“, begrüßt die Sängerin ihr Publikum: „Guten Abend, meine Damen und Herren! Liebe Freunde! Ich bin so glücklich, in Munich oder München zu sein.“ Der weiteren Worte bedarf es nicht. Mathieu lässt lieber ihre Lieder für sich sprechen – oder besser: ihre Stimme. Mehr braucht sie nicht, und so kann sie es sich leisten, auf jegliche weitere Showeffekte zu verzichten.
Immer wieder Blumen und Standing Ovations
Von nun an reihen sich sanfte französische Balladen wie Edith Piafs „L’hymne à l’amour“ oder „Au nord du nord“ an die Schlager „Martin“, „Tarata-ting, tarata-tong, „An einem Sonntag in Avignon“ und „Es geht mir gut, Chérie“. Immer wieder gibt es stürmischen Jubel und Blumen für den Weltstar, der im Laufe seiner sechzigjährigen Karriere nahezu 200 Millionen Tonträger verkauft hat. Während die Mathieu noch die endlos langen Schlusstöne mit voller Kraft aussingt, erheben sich die Zuschauer schon zu nicht enden wollenden Standing Ovations. Dies wiederholt sich, bis sich der Vorhang mit einer instrumentalen Reprise von „Es geht mir gut, Chérie“ zur zwanzigminütigen Pause schließt.
Den zweiten Teil eröffnet die Ballade „Mon credo“, deren Schlusston das Publikum erneut geschlossen von den Sitzen reißt. Mit „Santa Maria“ und „Ganz Paris ist ein Theater“ werden dann wieder die Schlagerfans bedient. Als ihr nach letztgenanntem Lied ein Zuschauer eine deutsche und eine französische Fahne überreicht, ruft sie ins Publikum: „Vive l’Allemagne et vive la France!“ Wohl einer der wenigen wirklich spontanen Momente des Konzertes.
Balladen bringen ihre Qualitäten zur Geltung
Bevor die Stimmung allzu ausgelassen wird, singt Mathieu „Un dernier mot d’amour“, bei dem sie nur von Klavier und sanften Streichern begleitet wird und das all ihre stimmlichen Qualitäten zur Geltung bringt. Umso kontrastreicher dann der Wechsel zum Schlager „Akropolis adieu“, bei dem sie sich – die Beine reglos am Boden haltend – im Takt der Musik wiegt.
Nach der Ballade „La voix de Dieu“ neigt sich der Abend mit ihrem wohl größten deutschen Hit „Hinter den Kulissen von Paris“ langsam dem Ende zu. Es folgen ausschließlich französische Chansons: Neben „Tu es celui“ und „On ne vit pas sans amour“, in Deutschland als „Tränen lügen nicht“ von Michael Holm zum Hit gemacht worden, begeistert vor allem ihre Coverversion des Edith-Piaf-Klassikers „Non, je ne regrette rien“.
Bewegendes Lied für ihre verstorbene Mutter
Wer sich ein wenig mit Mireille Mathieu beschäftigt, weiß um die enge Beziehung zu ihrer Mutter Marcelle-Sophie, die 2016 im Alter von 94 Jahren starb. Für sie singt sie „Maman, la plus belle du monde“, dazu werden auf der eigens heruntergefahrenen Leinwand Bilder aus ihrem Leben gezeigt. Auch acht Jahre nach dem Tod ihrer „Maman“ ist ihr die Trauer deutlich anzumerken. Kaum singt sie die ersten Takte, beginnt sie zu weinen. Auch das Publikum ist sichtlich berührt.
Den Schluss von „Prends le temps“ alterniert sie in „Ich liebe Sie – Je vous aime!“ Mit „Bravos, tu as gagné“, ihrer Coverversion des ABBA-Hits „The winner takes it all“, verabschiedet Mathieu sich schließlich von ihrem Münchner Publikum, das ihr gerne noch länger zugejubelt hätte. Doch nachdem sie sich ein paar Mal am nur einen Spalt breit geöffneten Vorhang verbeugt hat, endet ein großer Konzertabend. Autogramme gibt sie anschließend nicht, obwohl Stammbesucher dies von ihren früheren Konzerten im Deutschen Theater gewöhnt sind. Auch die circa 50 Menschen an der Bühnenpforte warten vergeblich auf die Begegnung mit ihrem Star.
Stimme nach wie vor ihr Kapital
Auf ihrer Abschiedstournee präsentiert sich Mireille Mathieu als eine große Sängerin, die sowohl einfachste Schlager als auch berührende Balladen beherrscht. Auch wenn ihre körperliche Beweglichkeit stark nachgelassen hat und sie fast alle Lieder ein paar Halbtöne tiefer singt als im Original, hat ihre im Laufe der Jahrzehnte tiefer gewordene Stimme nichts von ihrer Faszination verloren.
Jede Silbe artikuliert sie überdeutlich, jedes R wird fast schon übertrieben gerollt, die Haltetöne hält sie endlos lang, und das scheinbar mit Leichtigkeit. Ihre Stimme ist ihr Kapital, auch mit 78 Jahren, und diese hat eine solche Eindringlichkeit, dass es manchmal schon fast beängstigend ist, wenn sie mit voller Kraft singt.
Dann bräuchte sie das Mikrofon wohl kaum, geschweige denn den Chor. Gleichzeitig weiß sie sich bei einfühlsamen Balladen zurückzunehmen und dadurch erst recht zu berühren. Selbstverständlich verzichtetet sie auf Playback, nicht einmal einen Teleprompter benutzt sie. Ihre Band, bestehend aus Streichquartett, Gitarre, Bass, zwei Keyboardern, Schlagzeug, Akkordeon, Saxophon und drei Chorsängern, unterstützen sie mit einem sensibel gelegten Klangteppich. Dieser Konzertabend war wohl für jeden, der ihn erlebt hat, eine große Bereicherung.
Selist
Intro (instrumental)
Quand la nuit vient sur la ville
Made in France
La Paloma
Tous les enfants chantant avec moi
Martin
Pourquoi le monde est sans amour
Au nord du nord
Tarata-ting, tarata-tong
An einem Sonntag in Avignon
On est bien
L’hymne à l’amour
Es geht mir gut, Chérie
Es geht mir gut, Chérie-Reprise
PAUSE
Mon credo
Santa Maria
Ganz Paris ist ein Theater
Un dernier mot d’amour
Akropolis adieu
La voix de Dieu
Hinter den Kulissen von Paris
Hinter den Kulissen von Paris-Reprise
Tu es celui
On ne vit pas sans se dire adieu
Pardonne-moi ce caprice d’enfant
Non, je ne regrette rien
Maman, la plus belle du mone
Prends le temps
Prends le temps-Reprise
Bravo, tu as gagné
Maximilian Lemli
Foto: SEMMEL, André Rau for Abilene Disc
Eine Antwort
Wenn das mit den beiden Flaggen in München auch so ablief, dann war das wohl arrangiert — denn in Berlin war das genauso zu erleben. Und auch ich dachte tatsächlich, Mireille hätte ihr “Vive l’Allemagne et vive la France!” ganz spontan ausgerufen. Wenn das allerdings bei jedem Konzert inszeniert gewesen sein sollte, wäre es recht peinlich und aufgesetzt, finde ich. Ansonsten stimme ich Deiner Rezension voll zu. Mireilles körperliche Eingeschränktheit (ich befürchtete immer, sie könnte von der Bühne fallen, als sie Blumen und Geschenke entgegennahm) stand in krassem Gegensatz zur Stärke ihrer Stimme.