Howard Carpendale

HOWARD CARPENDALE im Schlagerprofis-Interview: Duett mit WAYNE? “Dafür sind wir zu modern denkend”…

HOWARD CARPENDALE: Interessantes Interview mit einer Legende

Im deutschen Showgeschäft gibt es wohl nur wenige Legenden. PETER MAFFAY wird aktuell dafür mit einem Bambi ausgezeichnet, dann gibt es noch UDO LINDENBERG, ROLAND KAISER – und eben HOWARD CARPENDALE. Große Ehre für uns, dass wir HOWARD CARPENDALE ein paar Fragen stellen konnten. Möglich gemacht haben das liebe Kollegen aus Österreich – von daher ganz herzlichen Dank für die kooperative und professionelle Zusammenarbeit mit den Kollegen von heute.at.

Wonach entschied es sich, welcher Song es auf “Let’s Do It Again” geschafft hat?

Bei diesem Album gab es jede Menge Song-Angebote. Wonach ich sie ausgewählt habe? Nach Gefühl. Ich kann nicht lügen. Daher nehme ich Lieder, bei denen ich das Gefühl habe, dass sie mir gesanglich liegen. Und es geht mir um die Textidee – dass sie von der Thematik her erwachsen ist, nicht nur Schlager-mäßig. – Ich glaube, ich habe ein recht gutes Gefühl, was ich singen kann und soll. Das ist schon ein großer Vorteil in dieser Branche, wenn man weiß, wer man ist und was einem liegt.

Die jungen angesagten Songautoren bedienen sich auch traditioneller Stilmittel – beispielsweise der Chöre zu Beginn eines Songs. Bei “Du bist das Letzte” erinnert das Intro etwas an “Nachts, wenn alles schläft” – ist das so “Kalkül” gewesen?

Es war meine Idee, dass der Anfang des Liedes nach ‚Nachts wenn alles schläft‘ klingt. Dass es auch ‚Samstag Nacht‘ ähnelt, ist mir erst etwas später aufgefallen. Ob das beabsichtigt ist, müsste man den Komponisten fragen, er geht schon ganz nah an die Melodie manchmal (lacht) Aber wie kann man denn heute noch Melodien schreiben, die nicht einer anderen etwas ähneln? Es war keine Absicht, aber es ist so gekommen … und dann hatte ich diese Einleitungsidee und es ist tatsächlich so, dass viele nach vier Takten sagen: Klingt nach CARPENDALE. Es gibt Schlimmeres …

“Let’s Do It Again” ist Ihr letztes Album…?

Es ist mein letztes Album, weil ich finde, 37 Alben sind genug. Die Musikindustrie hat sich geändert, das war mein Hauptgrund. Dieses Album ist eines letzten Albums würdig. Ich hatte immer das Ziel, mich selbst zu toppen – und ich habe ein gutes Gefühl, dass es schwer wird, dieses Album noch zu toppen. Ich habe selten an einem Album so wenig mitgearbeitet wie bei diesem, aber ich habe zwei 25-jährige Jungs genommen und was die da fabriziert haben, ist einfach nur toll.

Wie kommen Sie damit klar, dass Musik im Spotify und Co.-Zeitalter sich danach richtet, nach wieviel Sekunden der Gesang einsetzt und dass sie nach 3 Minuten endet? Wird die Kreativität da nicht total beschnitten?

Das finde ich fürchterlich. Die Kreativität, die man über 57 Jahre erfolgreich ausgelebt hat, kann man nicht so groß in Frage stellen. Und plötzlich bekommt man mehr oder weniger nicht den Befehl, aber die Bitte das und das ein wenig anders zu machen… und dann kommen die Rolling Stones und machen etwas komplett Anderes. Das entspricht viel mehr meiner Mentalität. Aber das würde im deutschen Schlager nicht gehen. Leider. Der ist nicht mehr ganz so abenteuerlich.

Früher?

Ja, viel mehr. Heute besteht die ganz große Gefahr darin, dass sich Titel viel zu sehr ähneln. Dieser 4 on the Floor Rhythmus geht mir sowas von auf den Keks … das geht seit 10, 15 Jahren so, bisschen viel für einen Trend. Und es ist auch nicht gut. Ich meine, ich freue mich wahnsinnig über meine Position in den Charts, aber ob sie mir glauben oder nicht, aber wenn ich die Hitlisten weiter nach unten sehen … ich glaube, das ist der Anfang einer sehr gefährlichen Phase für den deutschen Schlager. Wobei: Schlager ist ein Wort, das ich ungern benutze. Ich habe viele Schlager gesungen, aber ich bin kein Schlagersänger.

In Ihren ganz frühen Jahren waren Sie für Künstler wie GERD BÖTTCHER und einige andere auch mal als Produzent tätig – hat Sie das aber auf lange Sicht nicht weiter gereizt, “hinter den Kulissen” für andere tätig zu sein?

Selbst produzieren lag mir nie besonders gut. Es war ein Versuch, weil ich mit jemandem gut befreundet war … die BLUE DIAMONDS oder auch für meinen Co-Sänger JOACHIM HORN-BERNGES, von dem ich immer noch behaupte, er hat mit seiner tollen Stimme eine Chance verpasst. Ich habe eine sehr gute Nase für meine eigene Musik, aber nicht für andere Künstler.

Haben Sie mal überlegt, ein musikalisches Duett mit Ihrem Sohn WAYNE ins Auge zu fassen?

Nein. Es gab viele, auch sehr ernsthafte Angebote. Auch, dass wir gemeinsam einen Film drehen sollten. Ich habe immer gesagt, wenn die Story passt, bin ich immer dabei. Das ist was anderes. Aber ein Duett, nein. Da ist mein Sohn auch viel zu modern denkend dafür – und, ich hoffe, ich auch.

Hatten Sie mal Ambitionen für eine eigene TV-Show – quasi die “HOWARD-CARPENDALE-Show” – im Fernsehen?

Das würde ich auch nicht machen. Es ist eine große Gefahr für einen Künstler. Das kriegen die Deutschen nicht zusammen – entweder du bist Sänger oder Moderator. Aber nicht beides gleichzeitig. Es braucht wohl immer diese Zuordnung, damit es verstanden wird. Ich wünsche dennoch allen, die diesen Weg für sich entscheiden, den größtmöglichen Erfolg!

Am stolzesten bin ich auf diesbezügliche Angebote, die ich abgelehnt habe. Was ich für Jury-Angebote in meinem Leben bekommen habe, mit sehr viel Geld. Ich habe sie alle abgelehnt, auch die größten … ich nenne aber keine Namen (lacht). Ich habe nicht spontan Nein gesagt, sondern mir die Sache immer gut überlegt und dann gesagt, da passe ich nicht rein.

TOM JONES hat „The Voice“ in England gemacht, das ist ein anderes Land und TOM JONES wurde von den anderen Jury-Mitgliedern auch als der große Sänger seiner Zeit angesehen. Dieses Glück würde man hierzulande nicht haben. Das ist leider so. Leider dominieren bei uns häufig Neid und Überheblichkeit, das würde nicht klappen.

Wie stehen Sie zum Playbackverfahren im Rahmen von Live-Auftritten?

Ganz hart gesagt – das ist Betrug. Das finde ich dem Publikum gegenüber nicht in Ordnung. Es nervt mich, wenn ein Künstler bei seinem Auftritt eine mehrköpfige Band hinter sich stehen hat, die aber nur Statist ist, die nur so tut, als ob sie spielen würde. Das finde ich nicht in Ordnung. Und ich kenne auch viele Musiker, die mit mir zusammengearbeitet haben, die mir erzählen: Da gibt es dann eine Linie, die darfst du nicht übertreten, hier hast du zu stehen und so zu tun, als ob du alles spielst. Das ist doch keine Live-Show!

…und im Fernsehen?

Ich bin dafür, dass man im TV Vollplayback singt. Weil die Tontechniker im Fernsehen nicht so geschult sind wie jene, mit denen man im Studio arbeitet. Es braucht eine gewisse Zeit, um einen gewissen Klang hinzubekommen. Einmal habe ich mit MELISSA ETHERIDGE gemeinsam einen Titel in einer deutschen Sendung gesungen und als ich nach Hause kam und ihn hörte, dachte ich, ich sterbe. Es war mir eine riesige Ehre mit ihr zu singen, aber der Tontechniker hatte einfach kein Gefühl dafür.

In Ihren Songs greifen Sie auch tagesaktuelle politische Themen auf…

Das sind Themen, die sich von einem Schlagersänger nicht gut verkaufen lassen. Aber solche Songs, wie ja auch ‚Willkommen auf der Titanic‘, sind mit wichtig. Aufzuzeigen, dass etwas nicht stimmt. Ich hätte mir vom Jahr 2023 ganz etwas anderes erwartet. Wir leben in einer Welt, die mich sehr enttäuscht. Wir machen Rückschritte. Und ich glaube, es ist wichtig, dass ein Mensch in meinem Alter die Haltung hat, offen zu sagen, was er darüber denkt. Ich merke auch, dass das Publikum es sehr gerne hört. Wenn ich es nur tun würde, weil es erfolgreich ist, wäre das nicht der richtige Beweggrund. Es geht mir um Glaubwürdigkeit.

GREGOR GYSI hat einmal in etwa gesagt: Wer Menschen mit Visionen sucht, der sollte sie nicht bei Politikern suchen, sondern lieber bei Künstlern, bei kreativen Menschen. Das find ich eine sehr gute Aussage. Was ich an den Politikern auf der ganzen Welt derzeit bemängele ist, da ist keine Vision. Es geht nur darum, wieder gewählt zu werden.

In diesem Jahr haben Sie erfolgreich einige Open-Air-Konzerte gespielt. Gibt es nach Ihrem Empfinden einen deutlichen Unterschied zu Hallenkonzerten?

Open air ist ein anderes Gefühl. Da kann ich mir mehr erlauben, es ist lockerer. Da sitze ich nicht tagelang und überlege, wie eine Show stattfinden soll. Open air kann man auch die Reihenfolge der Songs umschmeißen, alles Mögliche. Bei einem Konzert mit einer großen Produktion sind einfach bestimmte Dinge festgelegt, digitalisiert, daran muss man sich halten.

Das ist bei Open Air nicht so. Dank meiner angelsächsischen Herkunft sehe ich Entertainment auch ein wenig anders. Ich habe viel Zeit in Las Vegas verbracht, viele Shows dort gesehen. Für mich ist ein Konzert die Möglichkeit, viele Emotionen zu zeigen, Menschen zu bewegen. Seit 50 Jahren höre ich den Satz: ‚Ich hätte nicht gedacht, dass dein Konzert so ist‘. Irgendwann werden sie hoffentlich sagen: ‚Jetzt weiß ich‘s auch‘.

Haben Sie eine Erklärung dafür, warum Sie nach so vielen Jahrzehnten noch immer so großen Erfolg bei Ihren Fans haben?

Man hat festgestellt, dass das, was ich sage, das ist, was ich wirklich fühle und denke … das ist kein Schmäh, wenn ich sage, ich bin gern in Österreich. Das ist so! Wir haben sogar einmal überlegt, hier zu leben. Weil ich finde, es ist ein sehr cooles Land, weniger aggressiv als Deutschland. Und das mag ich sehr. Ich sage das nicht überall. Die Glaubwürdigkeit ist bei mir sehr wichtig.

Leider haben es wenige Journalisten gemerkt … aber der Unterschied zwischen ‚Das schöne Mädchen von Seite eins“, „Laura Jane“ oder „Nachts wenn alles schläft“… ich glaube kaum, dass es jemals einen  Künstler gab, der ein so unterschiedliches Repertoire spielt. – „Wild Horses“ haben wir auch noch dazu reingehauen… das ist schon eine Breite, die einen interessant hält.

In den 1960er, 1970er-Jahren gab es mehr Musikliebhaber bei den Plattenfirmen. Inzwischen habe ich das Gefühl, es geht mehr ums Geschäft – das hat mit dem kreativen Business zwar schon was zu tun, aber es ist schön, wenn ein Künstler selber weiß, was er will und die Plattenfirma unterstützt das dann. Aber beim Streaming ist das jetzt ein anderer Fall.

In den 1970er-Jahren habe ich einen 10-Jahres-Plattenvertrag gekündigt. Für die damalige Zeit war das fast ein Fußballervertrag, sehr gut dotiert. Ich habe meiner Plattenfirma gesagt, entweder machen wir das, was ich will – oder wir zerreißen diesen Vertrag und ich gehe zurück nach Südafrika. Dann habe ich mein erstes Lied komponiert.

Das ist der Beweis dafür, dass Geld nie meine Motivation war, sondern es ging mir darum, das zu tun, was mir Spaß macht, was ich machen wollte. Und ich bin sehr dankbar, dass der Plattenboss damals eingesehen hat, dass ich das ernst meine. Es hätte auch schief gehen könne, dann wäre ich jetzt wohl Golf-Profi in Südafrika (lacht).

Gibt es einen Fehler, den Sie bereuen bzw. im Rückblick “nicht noch einmal” machen würden?

Wahrscheinlich würde ich keine Pause mitten in meiner Karriere machen. Nicht dass es sehr geschadet hat, aber es hat schon viele … ich habe eine lange Zeit in Amerika gelebt; eine Zeit, die mit einer sehr schweren Depression zu Ende ging, doch diese hatte viele Ursachen. Ich würde nicht wieder pausieren, wie ich es getan haben.

Worauf freuen Sie sich mit Blick auf die Zukunft?

Bei einer langen Karriere gibt es immer Wellen. Momentan steigt es sehr rapide und es macht sehr viel Spaß. Wenn ich sage, das ist mein letztes Album, dann heißt das ja nicht, dass es nicht viel mehr Singles oder EPs geben wird. Mein großer Traum ist es, en suite Veranstaltungen zu machen. Neun Mal hintereinander in Berlin. Ein wenig Las Vegas-Gefühl in deutschen Konzertsälen.

Mir macht es nach wie vor viel Spaß, mir immer wieder neue Ziele zu setzen. Und die Latte ist immer recht hoch. Ich denke zuerst einmal bis zum Ende der nächsten Tour. Dann muss man schauen, was zu einem passt, wie es mir geht – ich bin nicht mehr der Jüngste. Ich werde sicherlich nicht mehr für Südafrika Rugby spielen können, das muss ich beiseite legen (grinst). Aber ich habe noch viel vor.

Foto: Schlagerprofis.de, Andreas Kaluza

Vielen Dank noch mal an heute.at!

 

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3 Responses

  1. Ein großartiges Interview. Vielen lieben Dank lieber Howard Carpendale wir hoffen noch auf viele schöne Jahre mit Ihnen auf der Bühne

    Es grüßen Sie recht herzlich

    Steffi und Martina Ackermann aus Berlin

  2. Da schließe ich mich meinen Vorschreiberinnen gerne an. Hier wurden mal andere Fragen gestellt und Howard beantwortet diese offen und ehrlich – so kennen wir ihn. Es wird z. B. das Playback-Thema besprochen und so mancher versteht vlt. jetzt, warum dies Im TV immer wieder zu hören ist.

    Morgen Abend (11.11.23) hat Howard einen längeren Auftritt mit Gespräch und Einspieler in der Beatrice-Egli-Show 💃🤗👍🖥.

    Noch ein TV-Tipp: am 8.12.23 zeigt der MDR um 20.15 Uhr 90 Min. der Aufzeichnung “Die Show meines Lebens”, die im Mai 2022 in Hamburg mitgeschnitten wurde. Die kompl. Show ist als DVD erhältlich … Weihnachten steht vor der Tür 😉

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