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CLAUDIA JUNG: im Schlagerprofis.de-Interview: “Tür an Tür” sollte eigentlich ein Duett sein

CLAUDIA JUNG: Heute erscheint ihr neues Album “einfach JUNG”

Über vier Jahre hat es gedauert – nun ist das neue Album der Grande Dame des deutschen Schlagers da. CLAUDIA JUNG hat ein qualitativ hochwertiges Album mit schöner Themenvielfalt und guten Produktionen veröffentlicht. Zu diesem Anlass gab sie uns ein Interview, das wir so spannend fanden, dass wir einen Teil daraus HIER vorab veröffentlicht haben. Anlässlich der Album-VÖ präsentieren wir euch heute das komplette Interview mit einigen – wie wir finden – interessanten Statements von CLAUDIA JUNG:

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Mit „Tür an Tür“ hast du einen großartigen Radiohit gelandet. War dir gleich klar, dass das ein Song mit Hitpotenzial ist?

Ja, das war mir klar. Ich fand die Nummer von Anfang an toll. Eigentlich sollte es ein Duett-Titel werden. Aus Ermangelung an Duettpartnern wurde es schwierig. Die Auswahl wird dünner. Das liegt nicht an den möglichen Kandidaten, die so etwas singen könnten. Aber das Kriterium ist ja nicht nur, dass es stimmlich passt. Die Chemie muss stimmen, es muss auch optisch stimmen. Ich kann mir einfach nicht jemanden an die Seite stellen, der 20 Jahre jünger ist als ich. Dann fehlte es an Authentizität. Auch 20 Jahre ältere Partner würden ja nicht in Frage kommen. Aber an die Nummer habe ich geglaubt, die wollte ich einfach machen.

Hast du dich bewusst für ein eigenes Label entschieden, um solche Entscheidungen wie die eben für den Song „Tür an Tür“ auch durchsetzen zu können?

Ja ich konnte entscheiden, dass es eben kein Duett-Titel wird. Mit dem Wunschkandidaten hatte es einfach nicht gepasst – daher habe ich es alleine gemacht. Auf jeden Fall fühle ich mich mit dem eigenen Label freier. Es war von vorneherein klar, dass das Album „Zufall, Schicksal oder Glück“ bei Electrola dort mein letztes Album werden würde.

Mir war klar: Wenn nicht mit 35 Jahren Bühnenerfahrung – wann sollte ich dann einen solchen Schritt gehen, ein eigenes Label zu gründen? Ich bin ja kein Newcomer mehr und muss niemandem mehr etwas beweisen und niemandem erklären, wer ich bin und was ich mache. Ich muss mich nicht neu erfinden. Ich weiß genau, wer ich bin und wo ich stehe und was die Fans von mir erwarten.

Von daher war es mein Wunsch, noch mal einen neuen Weg zu gehen. Es war an der Zeit für einen Schnitt. Wobei man auch sagen muss, dass natürlich klar ist, dass ich damit nicht nur auf der einen Seite die totale Entscheidungshoheit habe, sondern natürlich auch das gesamte Risiko zu tragen habe. Das war natürlich nichts mehr mit Netz und doppeltem Boden, wie man so schön sagt.

Wenn es versaut wird, habe ich es selber versaut. Andrerseits – wenn es gut läuft, kann ich mir selber auf die Schulter klopfen. Es ist aber spannend. Würde ich zu einer neuen Firma gehen, kommen dann neue Leute, die meinen, das Rad neu zu erfinden. Mit denen müsste ich dann über das Thema CLAUDIA JUNG diskutieren. Und da bin ich einfach der Meinung, dass ich selbst am besten weiß, was meine Fans von mir erwarten.

Ich kenne es noch von früher, als ich Songs wie „Komm und tanz ein letztes Mal mit mir“ oder „Je t’aime mon Amour“ gesungen habe – da war es oft so, dass Kolleginnen von mir angeraten wurde, genau diese CLAUDIA JUNG-Schiene zu bedienen und eben genau diesen Stil zu verfolgen. Schon damals habe ich da gefragt: Leute, habt ihr keine eigenen Ideen?

Jeder Künstler ist doch einzigartig so wie er ist und muss es doch niemandem nachmachen. Irgendwann sollten alle so sein wie ANDREA BERG, momentan sollen alle so sein wie HELENE FISCHER – und ich frage mich: Warum? Es gibt eine HELENE, die einfach super ist. Sie ist Deutschlands Vorzeige-Künstlerin und gut. Niemand muss auch noch so sein wie HELENE nach meiner Meinung.

Niemand, der jetzt HELENE nachmacht, wird auch nur annähernd an ihren Erfolg herankommen, das ist einfach so. Wichtig ist es, andere Wege zu gehen und neue Dinge zu erfinden. Da habe ich jetzt den Vorteil, dass ich denen, die mich natürlich in den 1980er und 1990er Jahren noch nicht kannten, weil sie da noch gar nicht geboren waren, mich selbst erklären muss. Da bin ich schon stolz und glücklich damit, jetzt mein Ding machen zu können. Gerade ist der Karton mit meinen neuen CDs angekommen, darüber freue ich mich sehr.

Ein Song des Albums, der vorab als Single ausgekoppelt wurde, ist „Artige Frauen“. Da gab es schon Diskussionen, ob es ein passender Song für dich ist?

Das stimmt. Es gab durchaus Radiosender, die gesagt haben: Den Titel spielen wir nicht. Ich habe erwidert, dass man sich das Lied doch einfach mal anhören soll. Den Song hat EDITH JESKE mit TOBIAS REITZ geschrieben. Die beiden haben ja die Textdichter-Schule „Celler Schule“ ins Leben gerufen.

TOBI ist in Deutschland zweifelsohne ein Vorzeige-Textdichter. Auch EDITH ist preisgekrönt. Als Team sind die beiden meines Erachtens unschlagbar. Bilder, die der EDITH einfallen, fallen dem TOBI nicht ein und umgekehrt fallen TOBI Redewendungen ein, die EDITH nicht auf dem Schirm hat. Das Miteinander der beiden ist einfach vorbildlich.

Wenn ich den Wunsch habe, ein neues Lied zu kreieren, gebe ich da oft Themen vor. Umgekehrt ist es aber auch durchaus so, dass die beiden mich mit ihren Textideen zu begeistern wissen. Wenn EDITH eine Idee hat, kommt es durchaus vor, dass sie mich anruft, was ich davon halte. Dann habe ich manchmal das erste Recht des Vorschlagenden.

Umgekehrt ist es so, dass ich, wenn ich diese Idee habe wie die „artigen Frauen“, die im Zusammenhang stehen mit Sprüchen wie „Artige Mädchen kommen in den Himmel, böse Mädchen kommen überall hin“, bei EDITH offene Türen aufstoße. Dann gab es die Diskussion: Wie heißt der Titel. Der Refrain „Weil wir Frauen…“ passte nicht. Da war mir klar, dass wir einen polarisierenden Titel des Songs brauchten.

Somit war „Artige Frauen“ eine gute Wahl. Das Risiko, bei den Radiosendern damit zu polarisieren, bin ich ganz bewusst eingegangen. Die Freiheit habe ich mir einfach genommen. Ich habe mit „1000 Frauen“ ja schon eine gute Erfahrung gemacht. Auch damals gab es Bedenkenträger, die wir einfach erfolgreich überstimmt haben. Damals heiß es, dass ich mich damit entzaubere – dabei wurde es dann ein großer Erfolg.

Bei „Artige Frauen“ geht es ja auch um weibliche Diplomatie. Bei dem Thema drängt sich die Frage auf – du warst ja mal politisch im bayrischen Landtag tätig. Reizt es dich aus aktuellem Anlass, noch mal in die Politik zu gehen – oder sagst du eher – es war eine Erfahrung, aber das brauche ich nicht noch einmal?

Es war in der Tat eine tolle Erfahrung, die ich nicht missen möchte. Wenn man das wirklich mit Herzblut betreiben will, musst du ein hart gesottener Brocken sein, der alles an sich abprallen lässt. Probleme darfst du nicht mit nach Hause nehmen. Das ist wie bei einem Arzt, der manchmal wenig Empathie hat, wenn er Ängste und Unsicherheiten verbreitet. Sowohl als Arzt wie auch in der Politik muss man ein dickes Fell haben.

Wenn dich das nachts beschäftigt, ist das ein harter Job. Das hat meine Kreativität damals leiden lassen. Ich bin beidem nicht gerecht geworden, wenn ich ehrlich bin. Von daher bin ich dem Schicksal durchaus dankbar, dass man mir als Direktkandidaten den damaligen Ministerpräsidenten HORST SEEHOFER vor die Nase gesetzt hat und klar war, dass ich dagegen keine Chance habe. Mir war klar, dass ich gegen einen amtierenden Ministerpräsidenten nicht bestehen konnte.

Dennoch hast du der Schlagerbranche einen Dienst erwiesen. Du hast als Schlagersängerin viele Menschen damals überrascht, weil viele einem Schlagerstar z. B. bei der Münchener Runde nicht zugetraut hätten, rhetorisch zu bestehen?

Das stimmt. Man darf da nicht auf den Mund gefallen sein, aber das bin ich auch nicht (schmunzelt)… Das würde ich mir in der Schlagerbranche übrigens öfter wünschen. Es gibt bei uns viele in der Musik-Szene Leute, die durchaus den Mund aufmachen und auch dazu stehen. Manchmal finde ich aber: Es kann nicht sein, dass nur ein ROLAND KAISER den Mund aufmacht und man ihm das verzeiht.

Es gibt andere Kandidaten, bei denen es mir weh tut, dass sie sich verstecken mit dem Argument, dass sie sich zu politischen Themen nie äußern. Es gibt bei uns in der Schlagerszene in der Bevölkerung Leute, die haben so viel Beliebtheit und Popularität und Gewicht, dass ich mich frage: Wenn die nicht den Mund aufmachen – wer denn dann?

Nach meiner Meinung darf man da nicht dran denken: Was kostet mich das? – Was mich angeht – ich weiß, dass ich durch meine Arbeit im Landtag Fans verloren habe. Meine Haltung zur Flüchtlingspolitik und zur Sozialpolitik hat vielen Menschen zugegeben nicht wirklich gepasst. Auch wenn mir das künstlerisch geschadet haben mag, sage ich nicht, dass ich das bereue.

Im Gegenteil sage ich – mal direkt gesagt – „scheiß drauf!“. Wenn du meine Musik nicht mehr kaufst, weil ich politisch eine andere Meinung habe oder weil ich sozialer eingestellt bin und über den Tellerrand hinaus schaue – wenn du das nicht trennen kannst, dann ist es eben so. Wobei gut möglich ist, dass es Fans gibt, die gerade meine Geradlinigkeit zu schätzen wissen.

Auf jeden Fall muss ich ehrlich sagen, dass ich mich jetzt wieder voll auf meine Musik konzentrieren kann. Ich kann meine Freizeit gestalten wie ich will und mich meiner Familie widmen, das ist schon auch wichtig. Unser Hof, unsere Tiere – das hat natürlich auch eine große Wichtigkeit. Das ist wichtiger als zu überlegen, wer gerade einen Nummer-1-Hit hat, wie ich finde. Wichtig ist, was man im Leben hinterlässt und was wir unseren Nachfahren hinterlassen.

Ein wichtiges Thema in unseren Augen ist die Präsenz von TV-Shows. Früher gab es viele Musikshows mit DIETER THOMAS HECK und anderen. Du bist als „Grande Dame des deutschen Schlagers“ bekannt und beliebt. Sehr oft findet man in sozialen Medien die Frage, warum du dort nicht mehr zu sehen bist. Magst du dich dazu äußern?

So lange die Plattenfirma das Spiel mitspielen, ist das in der Tat ein Problem. Bezüglich der Samstagabend-Shows gab es ja, bevor GIOVANNI ZARRELLA zum Glück die Bühne betreten hat, eine Art Monopol, dass eine Produktionsfirma plötzlich alle Sendungen gemacht hat, die mit Schlagern zu tun hatte.   

Es hilft ja nichts, dass viele Leute schreiben, dass es immer die gleichen Leute sind, die in den Shows stattfinden, wenn dem nicht Rechnung getragen werden. Wenn die Leute dann einschalten, die sich beschweren, beißt sich die Katze in den Schwanz.

So lange du als Künstler bereit bist, dich dem Format anzupassen, passt du in die Show. Es gibt eine österreichische Künstlerin, die sich dem widersetzt hat, aber das war ein Einzelfall. Wer sich anpasst, findet statt. Aber viele von denen, die länger im Business sind als die Macher dieser Sendungen und selbstbewusst sind – dazu zähle ich mich, ich bin Widder, da ist es für die Macher schwierig.

Schon zu Zeiten einer großen Dame der Showbranche bin ich mit den Machern aneinander geraten, so dass da fünf Jahre Funkstille war. Die haben sich erst dann wieder gemeldet, als sie mich gebraucht haben. Man rafft sich dann zusammen. Mit meinen über 50 Jahren und 35 Jahren im Business möchte ich nur noch Sendungen machen und Freude daran haben.

Ich möchte nicht in eine Sendung gehen, bei der ich Bauchschmerzen habe, ob die Verträge eingehalten werden – oder ob ich kurz vor der Sendung gesagt bekomme, dass ich doch nur drei Minuten bekomme und dann, wenn ich das nicht möchte, nach Hause gehen möchte.

Diese Unzuverlässigkeit, die es heute gibt, hat es früher nicht gegeben. Eigentlich wollte ich es nicht sagen aber – sorry, so etwas hat es unter DIETER THOMAS HECK nicht gegeben. Der mag auch schwierig gewesen sein. Aber er war einer mit Format. Er hat seine Sendungen mit besetzt. Er hatte ein Mitspracherecht, wie es die meisten Moderatoren heute nicht mehr haben.

In dem Fall ist es klar – es liegt nicht am Moderator, aber es liegt am Trupp dahinter. Wenn DIETER damals gesagt hat: Das ist so – dann war das so. Dann brauchte man keinen Vertrag. Das gesprochene Wort genügte, darauf konnte man sich verlassen. Umgekehrt war es genau so.

DIETER wusste: Wenn er bei uns einen gut hatte, brauchte er nur mit dem Finger zu schnipsen, dann waren wir für ihn da. Man hat sich gegenseitig geholfen. Das mag nach Klügelei klingen, aber ich finde – das war einfach fair und ein verlässliches Geben und Nehmen.

Dieses Begegnen auf Augenhöhe gibt es leider nicht mehr, seitdem eine Produktionsfirma so groß geworden ist, dass sie fast die ganze Branche bestimmt.

Anderes Thema: Die Symbiose aus Privatleben und beruflichem Kontakt funktioniert. Du hast Silberhochzeit gefeiert?

Ja, die Vermengung aus Privatleben und beruflichen Dingen funktioniert bei meinem Mann und mir sehr gut. Das ist ähnlich wie bei NICOLE und ihrem WINFRIED. Alles, was ich erreicht habe, hätte ich niemals machen können mit einem Mann an meiner Seite, der z. B. Bankkaufmann wäre.

Ich brauchte jemand, der den Weg mit mir geht. Nur so funktioniert es – es ist ein Miteinander. Es ist ähnlich wie bei DOLLY PARTON, die mal sagte, dass es nur funktioniert, weil man sich lange nicht sieht. Da ist was dran: Ich kann einfach gehen, ohne mir einen Kopf machen zu müssen, ob wirklich alles funktioniert. Ich komme nach Hause und habe sozusagen einen „artigen“ Mann.

Viele Menschen wünschen sich CLAUDIA JUNG live mit Band. Ist das heute schwierig, mit Band auf die Bühne zu gehen?

Auch wenn man mit mehreren Leuten auf die Bühne geht, ändert das nichts an den Kosten. Die Tickets werden wegen der Corona-Sicherheitsmaßnahmen aufgebläht. Das können sich nur noch Superstars wie HELENE FISCHER und ROLAND KAISER erlauben.

Wir füllen zurzeit die großen Hallen nicht mehr – die Kosten bleiben aber – von daher ist es schwierig, eine Tour mit Liveband wirtschaftlich durchziehen zu können. Dennoch finde ich den Reiz so einer Tour mit Band groß. Beispielsweise würde ich mit meinem Freund PATRICK LINDNER eine gemeinsame Tour zu machen. Ob das mit kleiner Band oder mit Pianist geht, weiß ich nicht. Es wäre schön, wenn das funktionieren könnte, weil PATRICK auch jemand ist, der toll moderiert und musikalisch ist. Wir Kinder der 90er schauen gerne zurück, aber auch sehr gerne nach vorn.

Vielen Dank für das sehr interessante und offene Gespräch!

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Schlagerprofis – Der Podcast Folge 031

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Eine Antwort

  1. Die Radiosender sind einfach nur dämlich. Man kann doch ein Lied auch spielen und hören ohne auf den Text zu achten. Einfach auf die Musik, die Musiklinie und Gesangslinie achten. An solchen Entscheidungen der Radiosender sieht man das uns die alte Generation (die ihr Fach einfach verstanden) abhanden gekommen ist. Textschreiber, Komponisten, Produzenten, Orchester, Bandleader wie Paul Kuhn, James Last und andere. Ein echt toller Titel von Claudia Jung ist Sommer im November. Tolle Melodie, geht ins Ohr. Hier braucht man überhaupt nicht auf den Text zu achten. Bin sowieso der Meinung das uns die gute Musik immer mehr abhanden kommt. Das sieht man an Frau Fischer. Das was sie macht ist nur noch Show und Halligalli. Mit guter Musik und Konzerten hat das nichts mehr zu tun. Die neuen schlechten Songs versucht sie durch immer mehr Tanz Akrobatik, Feuerwerk und Licht zu kaschieren.

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