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ANITA HOFMANN: Sie hält Wort: „Sei einfach nur schön“ ist eine etwas andere Autobiografie
ANITA HOFMANN hat ihren Fans vollmundig eine „etwas andere Autobiografie“ versprochen und hält damit wirklich Wort. Wer seit 35 Jahren sehr erfolgreich im Showgeschäft tätig ist, bei sehr vielen großen TV-Shows mitgewirkt hat, viele Tourneen erfolgreich gespielt hat, viele CDs in die Charts gebracht hat und davon im Buch eigentlich nur am Rande erzählt (der Name „SILBEREISEN“ kommt im ganzen Buch nicht einmal vor), der scheint im Leben andere Prioritäten zu setzen. Wobei solche Promi-Geschichten oft ja auch unterhaltsam sind. Und einige wenige (Stichwort G. G. ANDERSON) bietet das Buch ja auch, aber nur in sehr kleinen Dosen.
Wichtiger sind der tiefsinnigen und nachdenklichen ANITA elementare Lebensereignisse und -geschichten wie ihre Krankheiten, ihre Leidenschaften wie das Tanzen, auch ihre Lieben und natürlich das Leben im Duo. Dazu gibt es einige Statements im Buch, in denen die Künstlerin ihren Standpunkt und ihr Standing im Duo sehr ausführlich, teils sich inhaltlich sogar wiederholend darstellt.
„Uns wird es im Duo nicht mehr geben“
Diese 35 gemeinsamen Jahre im Geschwister-Duo haben offensichtlich tiefe Spuren und auch einige Wunden hinterlassen. Für die Fans dürfte ein Kernsatz besonders bedeutend sein:
Uns wird es nicht mehr im Duo geben – Viele Fans kamen auf mich zu und konnten einfach nicht glauben, dass die Trennung von Alexandra und mir endgültig ist. Sie dachten, dass es neben unseren Solokarrieren auf jeden Fall auch wieder gemeinsame Auftritte geben wird. Das ist aber nicht so und wird auch nicht wieder so sein!
Der Kanzler würde sagen: „Wumms!“ – das haben wir in der Deutlichkeit so noch nirgends gehört. Aber man hat es anscheinend auch konsequent durchgezogen – die gemeinsame Webseite ist nicht mehr aufrufbar, auch die großen Facebook-Gruppen sind für uns nicht mehr auffindbar. Wie es dazu kommen konnte, erzählt ANITA an vielen Stellen ihres Buchs.
Ausgangspunkt der „Geschwistertrennung“ war ALEXANDRA
Gleich zu Beginn des Buchs stellt ANITA klar, von wem die berufliche Trennung ausgeht. Eine der vielen Überraschungen – zumindest für uns: Treibende Kraft war hier offensichtlich ALEXANDRA. ANITA nennt das „Kündigung von der Schwester“ – harter Tobak, sie sagt aber, dass sich das für sie zumindest so angefühlt hat – und ihre Einwilligung hier nicht gefragt war. Das tat wohl sehr weh, aber ANITA trägt die Entscheidung offenbar mit, indem sie fragt: Ist es deshalb nicht besser, wenn sich beide ihren freien Raum suchen und sich nicht gegenseitig die Luft zum Atmen nehmen?
Die Dominanz ihrer Schwester war förderlich – aber auch sehr einschnürende – so der Eindruck („Doch kommt es zum Gespräch nach dem Auftritt oder in einer Talkshow, dann sehe ich, wie ich mich zurücknehme und kaum zu Wort komme.“) Fair räumt ANITA HOFMANN aber auch ein: In meiner Stimme schwingt kein Vorwurf, ich erkläre nur, was geschehen ist: Meine Schwester war da – für uns und für mich. Das würde ich niemals leugnen.
Künstlerische Freiheit eingeschränkt
Ein wesentlicher Punkt von ANITAs Unwohlsein in den vielen Jahren war ganz offensichtlich, dass ihre künstlerischen Ideen oftmals nicht wirklich ernst genommen worden sind. So schreibt sie:
Es war schon deprimierend, als Künstlerin mit viel Kreativität im Blut mindestens genauso viele Inspirationen zu haben, die ich dann sogar weitestgehend ausgearbeitet hatte, die dann aber doch wie ein kleines Pflänzchen zerdrückt wurden. So fühlte es sich für mich immer wieder an. Und das war leider nicht nur einmal so. Lichtblicke waren eher selten.
Ein schmerzlicher Punkt war beispielsweise, dass in den gemeinsamen Shows die Tanzeinlagen immer weniger wurden und am Schluss teilweise sogar ganz wegfielen – obwohl gerade die Tanzperformances ANITA eminent wichtig waren. An anderer Stelle spricht die Künstlerin sogar vom „Fehler ihres Lebens“, dass sie Vieles hat geschehen lassen und teilweise auch teilnahmslos war:
Um Mitsprache und Verantwortung hatte ich immer gekämpft, aber nie erhalten. Und das, obwohl ich immer 50 Prozent des Gesangs-Duos war. Ich habe es viele Jahre geschehen lassen, mich danach auch viele Jahre vergeblich darum bemüht. Vielleicht war das zu wenig! Vielleicht war eine anfängliche Teilnahmslosigkeit in den ersten Jahren unserer Karriere ein großer Fehler! Vielleicht sogar der größte meines Lebens.
Optimistischer Blick in die Zukunft
Offensichtlich ist ANITA mit sich heute im Reinen und attestiert das auch ihrer Schwester – Motto: Es ist gut so, wie es ist: „Wir sind beide am Wachsen, haben uns aus der Zeit der gemeinsamen »Kostümchen« emanzipiert und wir fühlen uns da wohl, wo wir jetzt stehen: selbstbestimmt, auf eigenen Beinen und ohne vorauseilende Rücksicht auf die andere.“
Kindheit und Beziehung zu den Eltern
Immer wieder erwähnt ANITA die große Liebe und Dankbarkeit, die sie ihren Eltern gegenüber empfindet. Der Tod des geliebten Vaters vor kurzer Zeit war ein einschneidendes Erlebnis für sie. Allerdings hat sie auch eine Kindheit mit Entbehrungen erleben müssen, da ja immer alles der Musik und den gemeinsamen Auftritten untergeordnet wurde. („Unsere Karriere begann so früh, dass wir kaum Zeit hatten, das normale Leben von anderen Kindern und Jugendlichen zu führen.“) Ein großes Problem war auch fehlende Individualität. Als Beispiel benennt ANITA ihren Kleiderschrank: Tausende von Kleidern sind da zu finden, aber keins ist wirklich von ihr.
Krankheiten
Dass ANITA viele Jahre lang schwer an Neurodermitis litt, war in vielen Zeitschriften und Berichten zu lesen – neu ist vielleicht, wie schwer und heftig die Erkrankung war und was für eine Riesenbelastung sie für die Künstlerin war. („Die Neurodermitis war die Disharmonie in meinem Leben.“) Dass ANITA eine Zeitlang auch magersüchtig war – vielleicht der Sucht nach Freiheit und Selbständigkeit geschuldet – war zumindest uns neu, dieses Thema hat die BILD-Zeitung zum Thema gemacht.
Der Bühne wurde alles untergeordnet, und so hat sie bestmöglich versucht, den Schein körperlicher Unversehrtheit zu wahren und auch seelische Probleme nicht auf die Bühne zu tragen. Ein weiterer nicht unerheblicher Nebenkriegsschauplatz war ein Haarausfall, der die Künstlerin eine Zeitlang plagte – die Lösung damals waren Extensions. Aber typisch ANITA: Sie gibt sich dankbar für die Menschen – z. B. Ärzte aber auch Mental-Coaches – die ihr aus den Krisen herausgeholfen haben.
Wichtigkeit von Hobbys
Aufgrund der jahrelangen Tätigkeit im Gesangsduo blieb nur wenig Zeit für Hobbys. Eins davon ist, dass ANITA eine Wasserrate ist und das auch sehr ausgiebig für sich nutzt: „Heute habe ich einen Tauchschein, einen Surfschein und einen Katamaranschein“, stellt sie stolz fest.
Die eigentliche Leidenschaft der Künstlerin ist das Tanzen, das auch künftig wieder eine große Rolle in den Shows von ANITA spielen wird: „Ohne Tanzen wäre ich manchmal untergegangen. Vieles habe ich beim Tanzen nachgeholt, eigentlich meine ganze Jugend: leidenschaftliche Begegnungen, die Nervenkitzel eines Teenies, durchgemachte Nächte und flüchtige Berührungen, die mir guttaten.“
Liebe und Beziehungen
Im Interview mit ALEXANDRA haben wir erfahren, dass sie viele Jahre lang ihren damaligen Lebensgefährten und jetzigen Mann vor der Öffentlichkeit geheim gehalten habe. Nach unserem Eindruck scheint das ähnlich für ANITA so gegolten zu haben. Die Lebensgefährten, die sie erwähnt, hatten zumindest wir nicht auf dem Schirm, vielleicht lesen wir aber auch zu selten das Goldene Blatt oder Echo der Frau.
Beispielsweise war die Künstlerin eine Zeitlang mit einem Tänzer des Deutschen Fernsehballetts zusammen: „Ein Tanz, der am Schluss insgesamt drei Jahre hielt“. Von einem weiteren Tänzer der Discofox-Szene ist ebenfalls die Rede und auch von einem Soldaten, der wohl erstaunliche Vorlieben bezüglich der eigenen Wohnung hatte. All diese Täler der Tränen werden beschrieben, um den Kontrast zu dem darzustellen, was ANITA aktuell erlebt, nämlich eine offenbar sehr harmonische und glückliche Beziehung mit ihrem CHRISTIAN, mit dem sie inzwischen verheiratet ist und der bedingungslos („ohne Gegenleistung“) für sie da ist.
Diese Wertschätzung tut ANITA offensichtlich sehr gut:
Ich genieße es, mich nicht erklären zu müssen, wenn ich auch mal nicht gut drauf bin. Wir fühlen ohne Worte, wie es dem anderen geht und warum. Das ist sehr befreiend.
ANITAs Verständnis vom Schlager
Richtig toll finden wir das Verständnis vom Schlager von ANITA. Für sie steht eben NICHT nur die heile Welt im Vordergrund. Sie sagt: Ich kann jedenfalls für mich sagen: Als Sängerin war ich immer echt! Beim Texten nehme ich mir keine Geschichte vor, auch kein Vorbild. Ich erzähle von mir selbst, von meinen Erfahrungen, von meiner Haltung, von meiner Freude, aber auch von meinen Verletzungen.
Fazit
Mit dem Buch erreicht ANITA wohl zwei Dinge – zum Einen dient es vielleicht durchaus einer Selbstreflexion, um das, was in den letzten 35 Jahren geschehen ist, noch einmal Revue passieren zu lassen – und zwar von der Gefühlswelt her und nicht aus der Sichtweise der Schlagerbranche. Genau DAS ist dann aber wohl der Vorteil für die Leserinnen und Leser – indem die Künstlerin von ihrem Leben erzählt und dem, wie sie mit vielen Dingen umgegangen ist und besser umgegangen wäre, macht sie Menschen in ähnlichen Situationen Mut und ist vielleicht sogar eine Ratgeberin.
Man merkt dem Buch eine absolute Authentizität an – ANITAs Worte kommen aus dem Herzen. Kleiner Kritikpunkt ist die vielleicht doch etwas einseitige Darstellung der negativen Seiten von ALEXANDRA – letztlich hätte man den enormen Einsatz von „ALEX“, die als Familienmotto dennoch viel organisiert hat, durchaus auch positiver bewerten können – aber – letztlich kann das nur ein Mensch beurteilen, wie sie das empfunden hat und das ist eben ANITA.
Und so gelte als Schlusswort ein Statement aus dem Buch „Sei einfach nur schön“, das sich wie ein roter Faden durch das Buch zieht – bezogen auf Selbstzweifel:
Aber ich hatte immer den einen Gedanken: Bin ich okay? Bin ich gut genug? Und das, obwohl ich von Kindheitstagen an erfolgreich auf den großen Bühnen stand. Aber mögen mich die Menschen auch so, wie ich wirklich bin? Diese Frage nagte lange Zeit an mir. Heute kann ich eine klare Antwort geben. Es ist mir egal. Ich bin, wie ich bin.
… – „und das ist auch gut so!“ – Wir drücken ANITA für ihr Buch, ihr neues Album und weitere Projekte fest die Daumen – genauso wie wir auch ALEXANDRA nur alles Gute wünschen – mögen die beiden glücklich werden – und wenn sie sich fortan als „Einzelkämpfer“ wohler fühlen als im Duo, dann haben sie wohl alles richtig gemacht!
Das Buch „Sei einfach nur schön“ ist ab heute im Buchhandel erhältlich. Wir können das Werk jedem empfehlen – nicht nur den Schlagerfans, sondern auch tiefsinnigen Menschen, die gerne hinter die Fassade schauen.
Eine Antwort
Ich bin fassungslos. Damit qualifizieren sich die Hofmanns für „Die Eins der Besten“ in der Kategorie „Schlagerdrama des Jahres“.