Inhaltsverzeichnis
ABBA: Die Weltkarriere begann in einem umgebauten Pferdestall
Eigentlich wollte 1974 niemand den Grand Prix austragen. Spanien wäre an der Reihe gewesen, lehnte die Austragung aber ab. Einen freiwilligen Bewerber zu finden, war schwierig, wie im Frühjahr 1973 im Musikmarkt zu lesen hat – Schlagzeile: “Keiner will den Grand Prix”.
Austragungsort des Grand Prix’ Eurovision war 1974 der “Dome” in Brighton – ein Konzertsaal, der ein umgebauter Pferdestall war. Das englische Seebad glich damals einer Festung. Die Kandidaten der 17 Nationen wurden von einer Armee Polizisten empfangen. Schon damals war Politik im Spiel – die Furcht vor Terroranschlägen war leider schon damals vakant. Viele wissen es nicht mehr: Im Vorfeld wurden die Songs im Fernsehen bereits vorgestellt – in zwei spätabendlichen Sendungen mit dem Titel “Auftakt für Brighton”.
“Karriere” machte damals beim ESC auch das Unterhaltungsprogramm vor der Wertung: Die WOMBLES gaben sich die Ehre – mauseähnliche Tiere, von Menschen in Kostümen dargestellt. Diese WOMBLES sind – verglichen mit den deutschen Heinzelmännchen – der Sage nach dafür zuständig, im Londoner Stadtteil Wimbledon die Straßen und Parks sauber zu halten und wurden nun augenzwinkernd musikalisch von MIKE BATT in Szene gesetzt.
Spannend auch: Der Welthit “Sugar Baby Love” wäre vielleicht beinahe auch beim ESC gelandet. Das war zumindest der Plan der RUBETTES – letztlich kam es aber nicht dazu, so dass die RUBETTES auch ohne den ESC einen Welterfolg landen konnten.
RALPH SIEGEL schickt erstmals einen Song ins Rennen – gesungen von IREEN SHEER
Neben den späteren Siegern nahm u. a. auch IREEN SHEER mit dem ersten von RALPH SIEGEL entsandten ESC-Song teil: Ihr Motto lautete “Bye Bye I Love You”. IREEN trat damals übrigens als Startnummer 9 direkt nach ABBA (Startnummer 8) auf. – Auch die damals populären MOUTH & MACNEAL waren mit dem Song “I See A Star” dabei, der in Deutschland auch ein kleiner Hit wurde.
Italien strahlte Grand Prix erst Wochen später aus
Italien entsandte GIGLIOLA CINQUETTI, die 1964 die Eurovision bereits gewann. 1974 war sie mit “Si” dabei und gehörte zum Favoritenkreis – und das, obwohl Italien den Grand Prix damals zeitversetzt ausgestrahlt hatte – den ABBA-Triumph sahen die Italiener erst mehrere Wochen später. Hintergrund war eine Volksabstimmung in Italien bezüglich der Abschaffung des alten Scheidungsrechts. Das “Si” von GIGLIOLA hätte nach Meinung der Entscheidungsträger die Abstimmung beeinflussen können. Dennoch war “Si” ein riesengroßer internationaler Hit und landete auf Platz 2 der Eurovision damals.
OLIVIA NEWTON-JOHN für England
Wie bärenstark die Konkurrenz damals für ABBA war, sieht man auch an der Teilnehmerin Englands: Wie GIGLIOLA CINQUETTI und MOUTH & MACNEAL war auch OLIVIA schon damals ein großer Star. Überredet wurde OLIVIA, die als eine der Topfavoritinnen ins Rennen ging, damals zur Teilnahme von Sir CLIFF RICHARD. Der hatte 2-mal für England keinen Sieg erreichen können und meinte, dass eine Frau bessere Chancen haben könnte. Mit “Long Live Love” hatte allerdings auch sie keine Chance gegen die beginnende ABBAmania.
Das gilt auch für PERET, dessen “Borriquito” in Deutschland von REX GILDO populär gemacht wurde. Sein Song “Canta y se feliz” war ein internationaler Hit, aber auch ohne Chance gegen “Waterloo”.
CINDY & BERT Opfer von unqualifizierter desinteressierter Jury
CINDY & BERT waren mit der “Sommermelodie” damals ohne Chance, was weniger am Duo als am kompletten Unvermögen der Jury lag. Schon damals waren wohl irgendwelche Hobby-Schreibtischtäter am Werk. Aus 12 eingereichten Songs fand kein Titel Gefallen. Man hat sich 12 weitere Songs kommen lassen und sich dann doch für ein Lied aus der ersten Tranche entschieden – eben die “Sommermelodie”. Bis heute ist nicht bekannt, wie die Konkurrenz aussah – aber ziemlich sicher ist, dass der “Grand Prix d’Amour” von JÜRGEN MARCUS “aussortiert” wurde – unfassbar… Für CINDY & BERT stand fest, dass sie nie wieder beim Grand Prix teilnehmen wollten.
Jugoslawien mit bemerkenswertem Text
Anno 1974 gehörte noch Jugoslawien zum Teilnehmerfeld. Die KORNI-GROUP aus Sarajevo sang einen Text mit bemerkenswertem Inhalt – acht Jahre vor “Ein bisschen Frieden”:
Wir wurden in den Krieg hineingeboren
und bauten unser Land wieder auf.
Heute leben wir in Freiheit
und sollten wissen, dass unsere Generation
es in der Hand hat, dass es so bleibt.
ABBA eroberten Herzen im Sturm
Mit “Waterloo” revolutionierte die schwedische Band ABBA den Grand Prix. Es war wohl das erste Mal, dass neben dem Song auch die optische Aufmachung des Songs eine bedeutende Rolle für den Sieg spielte. Gold schimmernde Kostüme, Plateau-Schuhe, BJÖRNs sternenförmige Gitarre und Bandleader SVEN-OLOF WALLDOFF als Napoleon verkleidet – das alles verfehlte seine Wirkung nicht. Dennoch kam der Sieg – zumindest nach Formulierung der BRAVO – damals überraschend. Was im Jahr 1974 anders als in den Vorjahren war, formulierte die BRAVO damals wie folgt:
Bisher war die große Grand-Prix-Show immer eine Mischung zwischen Staatsbegräbnis und Opernball. Aufwendig, steif, und zum Gähnen langweilig. ‘Wir müssen dem Geschmack der 500 Millionen TV-Zuschauer Rechnung tragen, die gute, solide Unterhaltung wollen’, verteidigen sich die Fernsehverantwortlichen. Doch diesmal kam es anders. Die Außenseiter-Gruppe ABBA aus Schweden – wegen ihrer poppigen Aufmachung und ihres rockigen Songs ‘Waterloo’ bei den Proben mit verächtlichen Blicken gestreift -machte das Rennen.
Die Bedeutung des Grand Prix’ für die Pop- und Unterhaltungsmusik war vor 50 Jahren enorm groß. Die drei Siegertitel traten in der großen Unterhaltungsshow “Starparade” mit RAINER HOLBE auf, und die Top-3 wurden auch in deutscher Sprache produziert. So kam es, dass es von ABBA auch eine deutsche Version von “Waterloo” gab. Eine spannende recht unbekannte Story um “Waterloo” ist HIER nachzulesen (Klick auf “HIER”).
Brief an die Fans
Mit “Waterloo” haben AGNETHA, ANNI-FRID, BJÖRN und BENNY Musikgeschichte geschrieben – wohl niemals wird ein ESC-Sieg so strahlend sein wie der, den ABBA 1974 erreicht haben. Und so bedanken sich die vier auch zum Jubiläum bei ihren Fans. Darin bedanken sie sich dafür, dass auch 50 Jahre später die ABBA-Songs noch immer in der ganzen Welt Anklang finden und für viele Fans eine Konstante in ihrem Leben sind. Die Rede ist von vier verschiedenen Träumen, die die Protagonisten hatten, die von der Realität noch übertroffen worden sind. Den “glücklichen und feierlichen Moment”, 50 Jahre Waterloo, feiern ABBA mit ihren Fans.
Schön, dass es Zeiten gab, in denen so begnadete Musiker und Popstars die Eurovision aufgemischt haben – vielleicht wird eines Tages ja wieder eine Ausnahmeerscheinung die Fans mit guter Musik und toller Show begeistern – es würde dem Wettbewerb sicherlich gut tun.
2 Responses
Sogar die 5 ersten Songs wurden auf deutsch gesungen.
Ireen Sheer,Platz 4, sang “Bye, bye i love you” auch auf deutsch.
Und die leider schon verstorbene Olivia Newton-John, Platz 5, sang ihr “Long,long live love” auch auf deutsch.
Damals war der Esc aber auch ein Chanson und Schlagerfestival, heute hat das mit Schlager und Chanson wenig bis überhsupt nichts mehr zu tun.
Sorry, was ich erzählt habe stimmt nicht ganz:
Es gab damals 3 vierte Plätze:
Ireen Sheer teilte sich den vierten Platz mit Olivia Newton-John und Romuald aus Monaco.