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ROGER WHITTAKERs Kinder: Neue Tour und Album waren geplant! – Schlagerprofis-Interview

ROGER WHITTAKER: Exklusiv-Interview mit seinen Kindern Guy und Jessica

Vor gut einem Jahr verstarb Roger Whittaker. In Deutschland vor allem dank seiner Schlager populär, wird hierzulande oft vergessen, dass der Musiker aus Kenia ein Weltstar war. Auf der gerade erschienenen 3-CD-Box „My last farewell“ sind deshalb nicht nur seine deutschen Klassiker, sondern auch viele internationale Songs aus seiner langen Karriere versammelt. Im Interview sprechen seine Kinder Guy (50) und Jessica (51) über die Anfänge seiner Karriere, seine Leidenschaft für die Musik und darüber, warum seine Frau Natalie der „bad cop“ in der Beziehung war.

 Wie begann die Karriere Ihres Vaters? Wie ist er entdeckt worden?

Guy Whittaker: Ich weiß das nur aus Erzählungen von seiner älteren Schwester Betty. In einem Kino in Nairobi, wo mein Vater geboren wurde, gab es eine alte Orgel. Als es keine Stummfilme mehr gab, wurde die Orgel aus dem Kino entfernt. Unsere Großmutter, seine Mutter, hat die Orgel mit zu sich nach Hause genommen. Das war Papas erste Chance, ein Musikinstrument kennenzulernen. Er spielte populäre Songs der damaligen Zeit an der Orgel nach und trug sie seiner Familie vor.

Zur Gitarre kam er dann so: Kenia war damals eine britische Kolonie, und es gab dort italienische Kriegsgefangene, die auf Güterzügen arbeiten mussten. Dad sprach diese Jungs an. Einer von ihnen hatte aus Holzstücken eine Gitarre gebaut. Dad hat seinem Vater sechs Biere geklaut, ist damit zu den Zwangsarbeitern gegangen und hat die Biere gegen die handgemachte Gitarre getauscht. Mithilfe von Lehrbüchern hat er sich selbst die ersten Akkorde auf der Gitarre beigebracht.

Wie wurde er als Musiker entdeckt und schließlich berühmt?

Jessica Whittaker: Dad war an der Universität und hat für die Truppen der Army gespielt. An der Universität nahm er an einem Wettbewerb teil. Der Gewinner durfte nach England fliegen und dort eine LP aufnehmen. Er gewann den Wettbewerb, flog nach England und nahm seine erste Platte auf. In der Zeit hat er Mum kennengelernt, denn sie war Assistentin des Geschäftsführers der Plattenfirma. Die beiden gingen zu Bars und Musikhallen, wo Dad auftrat. Dort wurde er kaum wahrgenommen, bis er eines Tages über Nacht in Frankreich berühmt wurde. Einer seiner Songs wurde von einem französischen Radiosender gespielt, und so begann seine Karriere. Er war also weltberühmt, bevor er zu touren begann.

Welche Bedeutung hatte seine Frau Natalie, Ihre Mutter, für seinen jahrzehntelangen Erfolg?

Guy Whittaker: Sie war absolut entscheidend für seinen Erfolg. Ich muss Jess ein bisschen korrigieren: Sie arbeitete als A&R der Plattenfirma und hat Dad unter Vertrag genommen. A&Rs sind diejenigen bei einer Plattenfirma, die sich um die Künstler kümmern. Ihr wurde gesagt: „Kümmere Dich um diesen Künstler!“ Das nahm sie sehr ernst: Sie heiratete ihn und kümmerte sich die nächsten 60 Jahre um ihn. Mum war immer seine Managerin, und ich muss sagen: Es gibt viele, in der Musikindustrie, die das bestätigen können – sie war eine leidenschaftliche Kämpferin für seine Interessen.

Dad war immer so, wie er in der Öffentlichkeit wirkte: Er war immer sehr positiv, glaubte an das Gute in jedem Menschen, war vertrauensvoll, warmherzig und freundlich. Mum war auch so, aber sie wusste, dass es in der Musikindustrie Menschen gibt, die nicht so freundlich sind. (lacht) Sie waren ein gutes Paar, Papa lächelte immer und war freundlich, aber wenn jemand ihnen etwas Böses wollte, ging meine Mutter dazwischen. Ich kann mich erinnern: Als ich noch in der Schule war, rief sie mich an und las mir einen Brief vor, dem sie jemandem geschrieben hatte, weil sie wusste, dass ich ihre bösen Briefe lustig fand. Sie war oft sein „bad cop“.

Welchen Einfluss hatten seine kenianischen Wurzeln auf seine Karriere?

 Jessica Whittaker: Sie durchzogen alles, was er tat. Wenn er auf der Bühne stand, pfiff er oft und animierte dazu, nach innen zu pfeifen. Anstatt die Luft auszuatmen, atmet man sie ein. Das brachte das Publikum immer zum Lachen. Er war so ein interessanter Mann: Auch wenn er in einem Land aufwuchs, das mit dem Kolonialismus zu kämpfen hatte, lernte mein Vater Suaheli. Afrika war für ihn wirklich ein Zuhause. Ich glaube, für ihn gab es kein Land, das Afrika ersetzen könnte. Er liebte die Menschen, ihre Kultur und brachte all‘ das mit nach Europa. Es hat ihn nie verlassen.

In seinen späten Jahren sind seine Frau und er nach Südfrankreich gezogen. War das sein Wunsch oder der seiner Frau?

 Guy Whittaker: Es war eine Entscheidung von beiden. Vorher lebten sie in Irland. Da war es wunderschön, aber auch kalt, nass und grau. Im Urlaub trafen sie einen Freund in Südfrankreich, der sie fragte: „Warum zieht ihr nicht einfach hierher?“ So machten sie es. Dad war gerade dabei, seine Karriere zu beenden. Es war eine Teamentscheidung, aber vielleicht hat Mum etwas mehr Druck ausgeübt, als wir ahnen, wer weiß? (lacht)  Aber ich glaube, sie fühlte, dass es für Dad Zeit war, sich zur Ruhe zu setzen und nicht wieder auf Tournee zu gehen. Sie wollte den Sonnenschein, Rotwein und gutes, frisches Essen genießen. Dad war damit einverstanden.

Ich kannte, ehrlich gesagt, nur seine deutschen Hits wie „Ein bisschen Aroma“ oder „Albany“. Welche Bedeutung hatte seine Karriere in Deutschland für seine Weltkarriere?

Guy Whittaker: Um ehrlich zu sein, haben die Deutschen Dad wie in keinem anderen Land in ihr Herz aufgenommen. Damit möchte ich seine Fans in Ländern wie Australien oder Amerika nicht kleinreden, aber bei den Deutschen ist es speziell: Wenn die Deutschen einen Künstler mögen, sind sie sehr loyal. Eine meiner ersten Erinnerungen ist, wie ich ihn in Deutschland auf Tournee besucht habe.

Wir haben sehr viele Erinnerungen an Deutschland. Wann immer er sich zur Ruhe setzen wollte, gab er eine große Party, und die fand immer in Deutschland statt. Er mochte die deutsche Sprache, die Kultur, das Essen … Er liebte das wirklich sehr. Er brachte meinem Bruder und mir zwei kleine, 200 Milliliter fassende Bierkrüge aus Deutschland mit und stieß mit uns an. So sehr die Deutschen ihn liebten, liebte er sie.

Jessica Whittaker: Absolut. Nichts ist besser als die Alster in Hamburg im Winter. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, wie oft ich mit meinem Vater am Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg stand und um den Fluss herunterrannte. Vielleicht hätte er sogar nach Deutschland ziehen sollen, aber Frankreich ist es geworden. (lacht)

Behandelten seine deutschen Songs andere Themen als die in anderen Ländern?

Guy Whittaker: Der Schlagerbeat ist so einzigartig und der Sound sehr deutsch. Das war anders als bei seinen internationalen Songs. Für Dad hatte seine Musik zwei verschiedene Seiten: Es gab die Zeit vor dem Schlager und die danach. Die beiden Seiten konnte er sehr gut miteinander kombinieren. Wenn er live spielte, war es für ihn kein Problem, zwischen „Ein bisschen Aroma“ und „Durham Town“ zu wechseln. Die Fans mochten beides: die Schlager und die klassischen Balladen.

Wenn wir richtig informiert sind, war sein Durchbruch das Songfestival im belgischen Knokke. Hatte er je den Plan, am „Eurovision Song Contest“ teilzunehmen?

Guy Whittaker: Nein, darüber hat er nie geredet. Sicher hat er den ESC wahrgenommen und beobachtet, aber das war ihm zu viel Show, glaube ich. Was meinst Du, Jess?

Jessica Whittaker: Ja, im Grunde seines Herzens war Dad ein Folkmusiker. Für ihn war seine Berühmtheit nur ein Werkzeug, um das zu tun, was er eh tun wollte. Manche Musiker wollen einfach nur singen, denen geht es nicht darum, berühmt zu werden. So jemand war Dad. Berühmtsein war für ihn sekundär, danach hat er nicht gestrebt. Er wollte immer nur die Leute unterhalten.

… und er hat nie Showeffekte eingesetzt, wie zum Beispiel Tänzer oder ein Feuerwerk. Er hat sich immer auf die Musik konzentriert.

Jessica Whittaker: Genau. Es gab einige Momente, wenn ich für ein Duett mit ihm auf die Bühne ging und wir hinter der Bühne brasilianische Karnevaltänzerinnen auf der einen und tanzende Schweine auf der anderen Seite sahen. Dann nahm Dad meine Hand und sagte: „Lass uns rausgehen und unser Ding machen!“

Welche Rolle spielte die deutsche Managerin Irene Collins für den Beginn seiner Karriere in den 70er Jahren?

Jessica Whittaker: Wir waren noch nicht geboren, als das passiert ist.

Guy Whittaker: Wir sehen Irene als Freundin der Familie, für uns war sie wie eine Tante. Sie war auf jeden Fall eine wichtige Figur für seine Karriere. Es ist so wie mit meiner Mutter: Manchmal brauchst Du einen „bösen Menschen“ in Deiner Karriere. Damit will ich nicht sagen, dass Irene böse war, aber sie war tough – wirklich tough. In den 1980ern brauchtest Du in der Musikindustrie einen Manager, der tough war – vor allem Dad brauchte so jemanden, weil er so liebevoll war.

Einer seiner größten Erfolge in Deutschland war „Albany“. Der Song wurde erst nach seinem Aufritt in der „ZDF Hitparade“ ein Hit. Welche Bedeutung hatte diese Show für seinen Erfolg in Deutschland?

Guy Whittaker: Ich weiß nicht, ob wir das beurteilen können, weil wir damals noch sehr jung waren. Aber „Albany“ war auf jeden Fall ein riesiger Hit. Auf dem neuen Album gibt es eine ganz besondere Live-Version davon. Ich glaube, das war einer der Songs, mit dem man ihn morgens hätte wecken können. Es war oft das letzte Lied oder die Zugabe im Konzert. Der Erfolg dieses Songs war entscheidend für seine Karriere.

2012 veröffentlichte er gemeinsam mit Ihrer Mutter eine Autobiografie und ging ein letztes Mal auf Tournee, ein Jahr später erlitt er einen Schlaganfall.

Guy Whittaker: Das wurde zwar in der Presse berichtet, aber das stimmt nicht. Er hatte keinen Schlaganfall.

Jessica Whittaker: Er hatte keinen Schlaganfall. Seine kognitiven Fähigkeiten, seine Fähigkeit, zu sprechen und so weiter haben nicht nachgelassen.

Wie waren seine letzten Jahre?

Jess Whittaker: Backgammon. (lacht)

Guy Whittaker: Er ruhte sich aus. Er ging aber immer noch ins Studio und arbeitete an Demos, auch wenn klar war, dass er in einem Alter war, dass er nicht mehr auf Tournee gehen konnte. Ihm war das egal. Wenn man ihn besuchte, ging er immer mit einem ins Studio und zeigte, woran er arbeitete. Sein geheimer Plan war, ein weiteres Album aufzunehmen und wieder auf Tournee zu gehen. Das wusste nicht mal Mum. Selbst ganz am Ende seines Lebens dachte Dad, er würde nochmal auf Tournee gehen.

Was wird mit all‘ den Auszeichnungen, Goldenen und Platinschallplatten passieren, die Ihr Vater im Laufe seiner Karriere verliehen bekommen hat?

Guy Whittaker: Um ehrlich zu sein, sind wir uns noch nicht ganz sicher, was damit passieren soll. Wir haben das Studio noch nicht leergeräumt. Ich habe unter anderem viele Demobänder gefunden. Wir möchten überprüfen, ob ein paar davon geeignet sind, sie zu mastern und schließlich zu veröffentlichen. Er hatte hunderte von Goldenen Schallplatten. Wir als Kinder möchten für jeden von uns eine behalten, aber wir brauchen nicht alle physischen Beweise für seinen Erfolg.

Wir glauben, der beste Weg wäre, seinen Fans die Möglichkeit zu geben, diese Sachen zu erwerben. Später möchten wir eine Auktion arrangieren und die Dinge versteigern, die für seine Karriere wichtig waren und die Leute interessieren. Einen Teil des Geldes möchten wir an Organisationen spenden, die er unterstützt hat. Er war sehr großzügig, wenn es zum Beispiel darum ging, Organisationen zu unterstützen, die Tiere in Afrika schützen.

Jessica Whittaker: Absolut. Wir können nicht alles behalten, was zu seinem musikalischen Leben gehörte. Es ist nur fair, das mit den Fans zu teilen.

Guy Whittaker: Zu gegebener Zeit werden wir den Fans mitteilen, was wir genau planen, aber wir müssen das erst arrangieren.

Wie lässt es Sie fühlen, dass so viele Menschen sich immer noch an der Musik Ihres Vaters erfreuen und sich auf die neue Compilation freuen?

Guy Whittaker: Die Freude an der Musik hat zwei Seiten: Man spielt live, und da geht es nur um den Moment, den Du erlebst und den Du nie wiederholen kannst, und die andere Seite ist das Studio. Die Möglichkeit, Deine Songs aufzunehmen, sodass sie für immer bleiben, das ist das größte Privileg. Dad war sich dessen immer bewusst und fühlte sich dafür verantwortlich, dass er immer sein Bestes gab.

Er war so stolz auf seine Aufnahmen – nicht nur auf seinen Anteil, sondern auch auf den seiner Musiker und der Produzenten. Wenn wir gemeinsam Musik anhörten, machte er uns auf Sachen aufmerksam, die ihm wichtig waren und auffieln. Seine Aufmerksamkeit diesen Details gegenüber war genauso groß, wenn es um seine eigene Performance ging. Dad wäre so glücklich, zu wissen, dass die Menschen seine Songs immer noch anhören. Wir bekommen so viele liebe, herzliche Nachrichten von den Fans. Wir könnten nicht stolzer sein.

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Schlagerprofis – Der Podcast Folge 060

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Eine Antwort

  1. Ein wunderbarer, einmaliger Mensch mit einer begnadeten wunderschönen Stimme. Ein Ehemann und Familienvater zum Vorzeigen, in dieser verrückten Zeit wo kein Stein auf dem andern bleibt und Familie soviel an wert verloren hat. Ich wünsche Ihnen eine wundervolle Adventszeit, Gottessegen und tausend schöne Erinnerungen an Ihren Vater.

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