+++Schlagerprofis-Rezension+++Schlagerprofis-Rezension+++
Gut Ding will Weile haben: Für das aktuelle Maffay-Album haben wir uns etwas Zeit genommen – hier der Eindruck unseres Rezensenten Georg Fuchs:
Pünktlich zum 70. Geburtstag legt Peter Maffay, einer der erfolgreichsten deutschen Musiker, das Studioalbum „Jetzt“ vor. Es ist das 19. Nummer-Eins-Album seiner Karriere, ein absoluter Rekord.
Die Ouvertüre stellt den letzten Song des Albums, „1000 Wege“, vor. Die Ballade wird von einem undefinierbaren Soundbrei eingeleitet, doch dann setzen Maffays Stimme sowie Akustikgitarre, Schlagzeug und ein dezenter Chor ein. Die Botschaft des Liedes ist, dass man nicht immer geradeaus gehen muss und dass ein Labyrinth dazugehört, um seine Ziele zu erreichen.
„Jetzt“ ist ein typisch kraftvoll-rockiger Maffay-Song, in dem Schlagzeug und E-Gitarre dominieren. Wie der Titel bereits nahelegt, wendet sich der Sänger darin gegen Nostalgie und plädiert dafür, im Augenblick zu leben. Leider ist der Gesang an manchen stellen schlecht zu verstehen.
„Morgen“ ist mit seinem treibenden Schlagzeug und E-Gitarre musikalisch recht aggressiv angelegt. Hier macht der Rockmusiker seinem Ärger über die aktuellen gesellschaftspolitischen Zustände Luft und spricht im Schnelldurchlauf das Klima, Flüchtlinge und Umweltzerstörung an, ohne den Zeigefinger zu erheben oder ins Detail zu gehen. Ein Kinderchor verstärkt die eindringliche Botschaft der Hookline: „Wollen wir wieder warten, bis der Morgen kommt?“.
Das rockige „Luft und Liebe“ ist wohl zum Headbangen und als Stimmungssong für die anstehende Tournee zum Album gedacht. Man kann sich gut einen Videoclip zu dem Song vorstellen, in dem Peter Maffay auf seinem geliebten Motorrad durch die Straßen zieht. An manchen Stellen wurde Maffays Stimme gedoppelt.
Die Einleitung von „100.000 Stunden“ beginnt mit künstlichen Drums und sphärischen Keyboardklängen, die nicht zum Rest des Songs passen. Das Lied schildert einen Mann, der Liebeskummer hat und für die Frau, die ihn verlassen hat, kämpfen will. Die doch recht kitschige Hookline der Ballade („Es bleiben 100.000 Stunden, um Dich zu vermissen“) lassen Erinnerungen an Maffays Anfänge als Schlagersänger wach werden. Im Refrain singt sich der Star persönlich die zweite Stimme.
Die Ballade „Alles von mir“, bei der das Schlagzeug viel zu dominant ist, ist ein Liebesversprechen mit autobiographischen Zügen. Im letzten Refrain findet sich die erste von nur zwei Modulationen auf dem gesamten Album, nämlich von G-Dur einen Ganzton höher nach A-Dur.
Der Rocksong „Das ist gut“ animiert dazu, ohne Scheuklappen und Hetze zu denken und mutig zu handeln. Gekrönt wird das Lied von einem schönen Saxophonsolo.
„Größer als wir“ ist eine sehr persönliche Ballade und mit 5:58 Minuten der mit Abstand längste Song des Albums. Darin thematisiert Maffay auf anrührende weise seinen Glauben an Gott. Zunächst versieht er Gott mit gegensätzlichen Attributen, um zu dem Schluss zu kommen, dass Gott für ihn immer existent ist, auch wenn er ihm mal nicht beisteht. Spannend ist auch der musikalische Spannungsbogen: Zu Beginn ist, neben Maffays Stimme, nur eine Akustikgitarre zu hören. Im zweiten Refrain kommt ein akustisches Rhythmusinstrument hinzu, im dritten Refrain mischen sich Schlagzeug, E-Gitarre und ein Backgroundchor hinzu. Der letzte Refrain beginnt nur mit Gesang und Akustikgitarre, in der Wiederholung kommen die vorherigen Instrumente wieder hinzu. Das Lied klingt sehr ruhig mit Akustikgitarre, Gesang und Keyboard aus.
„Für immer jung“ kann als Hommage an Peter Maffays Publikum verstanden werden. Im Text finden sich Anspielungen auf seine großen Hits (u.a. „Sonne in der Nacht“, „Eiszeit“, „Über sieben Brücken“, „Eiszeit“, „Es war Sommer“ etc.) und es wird das betont, was den Star und seine Fans miteinander verbindet: Träume, Tränen, die lange Karriere und die Erinnerungen an die Konzerte.
Die wunderschöne Ballade „Wenn Du wiederkommst“, die nur von Streichern und Klavier begleitet wird, thematisiert die Trennung einer Frau von ihrem Partner. Der Mann macht sich große Vorwürfe und will um die verlorene Liebe kämpfen.
Mit „Nur einmal hier“ und „Kopf hoch“ folgen die musikalisch und textlich schwächsten Lieder des Albums. „Nur einmal hier“ hat eine ähnliche textliche Aussage wie der Titelsong und beginnt mit einem störenden Filter auf Stimme, E-Gitarre und dem wahrscheinlich synthetischen Schlagzeug.
„Kopf hoch“ soll Mut machen dazu ermuntern, auf gute Zeiten zu hoffen. Leider wurde die schöne Botschaft des Textes schwach umgesetzt. Es fällt auf, dass in Einleitung und Strophen zusätzlich zum Schlagzeug synthetische Drums eingesetzt wurden.
Die Akustikballade „So schließt sich der Kreis“ lässt sich als eine Art Zwischenbilanz Maffays deuten. Er resümiert, zwar gegensätzlich gehandelt, sich jedoch nie verbogen zu haben. Er wolle gerade weiterlaufen, da sich so für ihn der Kreis schließe. Eine schöne Ballade, die jedoch sicher ein paar Fans nachdenklich stimmen wird.
Ähnlich melancholisch endet das Album mit der akustisch instrumentierten Ballade „1000 Wege“, die bereits in der Ouvertüre vorgestellt wurde. Im Refrain wird Maffays Stimme wie so oft auf diesem Album gedoppelt. In der zweiten Strophe kommen zu den akustischen Instrumenten E-Gitarre und Schlagzeug hinzu, im folgenden Refrain gibt es einen kurzen Break, in dem nur noch Akustikgitarre und Maffays Stimme zu hören sind. In der Bridge wird das Schlagzeug nur noch ganz dezent eingesetzt. Nach einem Saxophonsolo gibt es die zweite Modulation des Albums (wieder von G- nach A-Dur), und das Lied klingt mit dem Refrain aus.
2019 präsentiert sich Maffay mit ungebrochen beeindruckender stimmlicher Präsenz und gewohnt meinungsstark. Das Album besticht mit seinem (abgesehen von den manchmal eingesetzten Filtern) glasklaren Sound. „Kopf hoch“ und „Nur einmal hier“ fallen leider schon beim ersten Hören durch. „Nur einmal hier“ wirkt wie ein schlechter Abklatsch von „Jetzt“ und „Kopf hoch“ wirkt, als sei es sowohl musikalisch als auch textlich eher ein Schnellschuss als Albumfüller. Besonders beeindruckend sind die Songs „1000 Wege“, „Morgen“ (hier hätte man sich etwas mehr Präzision in der textlichen Aussage gewünscht) und „Wenn Du wiederkommst“. Vielleicht wäre es konzeptionell besser gewesen, wenn sich Ballade und Rocksong stets abgewechselt hätten, damit der Hörer zwischendurch Zeit zum „Durchatmen“ hat.
Alles in allem ein großes neues Maffay-Album, das den Künstler und seine Musiker (übrigens größtenteils Mitglieder von Udo Lindenbergs legendärem Panikorchester) mit großer Spielfreude zeigt.
Georg Fuchs