Klaus Hoffmann Schlager

KLAUS HOFFMANN: Interview zur Buch-VÖ “Alle meine Lieder”

KLAUS HOFFMANN: Interview vor dem Konzert in München

1975 erschien Klaus Hoffmanns erste Schallplatte, die schlicht seinen Namen trug. In den folgenden fast 50 Jahren veröffentlichte er weitere 24 Studioalben. Dieses Jubiläum nahm Hoffmann zum Anlass, alle seine Liedertexte in einem Buch zu veröffentlichen. Im Schlagerprofis-Interview, geführt auf dem Weg nach München, wo er am nächsten Tag ein Konzert gab (wir berichteten), erzählt er über die Entstehung des Buches, die Entwicklung seiner Bühnenfigur und alte Sänger.

Hier eine Werbe-Anzeige, die anlässlich der Veröffentlichung des ersten Albums erschien: 

Klaus Hoffmann Schlager

 

Was war die Intention, das Buch „Alle meine Lieder“ mit allen Deinen Liedertexten zu veröffentlichen?

Das kam ganz spontan. Ich wollte einfach mal alle Lieder sehen – was der Künstler in den Jahren gemacht hat, und dann wollte ich die unabhängig von der Musik in einem Buch verewigt haben, wo wirklich alle Lieder drin sind. Dadurch entstand so ein Arbeitstitel. Wir hatten einen sehr guten Drucker, Christian Plümer. Der hat uns das möglich gemacht, dass das gedruckt wird, denn das ist ja ein Gesamtwerk über mittlerweile fast 300 Lieder aus meinem ganzen Oeuvre.

Meine Frau Malene hat das Lektorat in die Hand genommen, und so begann eine Riesenreise über ein halbes Jahr. Es wuchs durch Fotos, die ersten Schnipsel von irgendwelchen Kritiken, was wir an sich nicht so reinbringen wollten. Es sollte nicht inflationär werden: „Was denken Andere?“, sondern sie hat es dann hinbekommen, es in der Reihenfolge meiner Schreibe als Katalog, als Fenster zu bauen, und das war toll.

Wie war es für Dich, vor der Veröffentlichung über Dein ganzes Werk zu blicken und das Buch dann durchzublättern?

Zu Anfang fand ich: „Naja, der Künstler macht jetzt mal wieder ein Textbuch, das ist in Ordnung.“ Aber dann konnte ich mich auch in Sachen wiederfinden, die ich vielleicht als Älterer leider bzw. zum Glück nicht mehr so machen würde. Leider, weil dieser Junge einfach sehr sichtbar wurde, der das mal als Traum, als „Ich gehe in die Welt“ hatte, auch als Schauspieler. Das lief ja parallel, das wird auch angesprochen: paar Filme, das Theater und meine guten Regisseure, die mich begleitet haben.

Da hatte ich ja auch viel Glück. Das hat Malene mit einer unglaublichen Handschrift und einem Blick von außen gemacht. Dadurch bekam ich Distanz zu mir. Ich hatte nur die Angst, dass es dann heißt: „Das war’s dann!“, also ein Abgesang. Das fand ich am Schluss des Buches nicht. Der Typ ist alt oder älter, und der geht mit seinem Gitarrenkoffer ganz schön in die Welt. Aber es ist schon sehr aufrührend. Wir hatten eine Vorstellung mit André Schmitz in der Staatsbibliothek in Berlin. Da war die Hütte voll. Es sind ja alle Musiker in dem Buch, die für mich wichtig waren, aber es kommen natürlich auch Leute vor, die nicht immer mit einem Foto dabei sind.

Wie hat sich die Herangehensweise verändert, wenn Du heute Lieder schreibst?

Es ist einsamer. Die Einsamkeit merke ich mehr als früher. Ich habe ja sehr viel mit Hawo Bleich gemacht und vorher mit Matthias Raue. Da war der Prozess weniger dicht als mit Hawo. Letzten Endes habe ich mein Lied geschrieben, aber im Austausch. Das wurde durch eine Band ergänzt: Menschen wie Peter Kaiser am Bass wurden mir dann wichtiger. Das sind aber Vorlieben. Ich habe gestern wieder bestimmt fünf Stunden am Tisch gesessen. Ich bin an einem neuen Album dran und kam einfach nicht weiter.

Da gibt’s diesen Vorgang als Älterer, den musst Du noch mehr auszuhalten als früher. Früher konnte ich das: Kunze würde sagen: „Das war ein Schnellschuss oder das haben wir rausgebrochen.“ Im Moment kaue ich daran wie Leonard Cohen, der manchmal ein halbes Jahr an einem Titel sitzt. Da werde ich wahnsinnig! Entweder kann der Künstler mir das jetzt endlich mal zeigen oder das kommt in die Tonne. Da wirst Du als Älterer dann doch ungeduldiger.

Wahrscheinlich auch, weil Du schon so viel gemacht hast.

Ja, und die Latte hängt dann so hoch. Bei dem Lied gestern habe ich es zu Ende bringen können, wobei ich heute schon wieder gedacht habe: Ich stelle das auf den Kopf. Das kann natürlich passieren, aber dann hast Du eine schöne Grundlage. Ich finde toll, dass ein Lied Dir was erzählt, was Du Dir vielleicht gar nicht vorgenommen hast.

Nenn mal ein Beispiel!

Ich habe mich jetzt verknallt in mein neues Lied. Da habe ich kapiert, was in dem Lied rauskommt. Vorher habe ich nur kapiert, was ich will, und zum Schluss habe ich gemerkt, was es ist, und das war doch ein bisschen anders. Mehr kann ich Dir jetzt nicht sagen, denn das Lied muss jetzt erstmal in die Welt. In jedem Fall hat es mir sehr viel über den Sänger erzählt. Wenn Du jetzt ein sehr einfaches Lied nimmst, ist es einfacher. Ich habe zum Beispiel gerade einen Trend, mir alte Sänger anzugucken.

Ich habe ein Bild gesehen von Freddy Quinn. Der ist über 90! Der ist ziemlich bitter, so habe ich es zumindest empfunden, aber so war der immer. Ich habe den nur einmal kennenglernt. Aber ich bin eben ein Liebhaber von diesen Sängern. Mir ist das auch egal, was sie machen. Es sei denn, sie machen rechte oder faschistoide Texte, dann habe ich ein Problem. Aber mich interessieren alte Sänger und Sängerinnen.

Ich habe zum Beispiel Nana Mouskouri zum 90. Geburtstag mein Buch geschickt. Mit Nana habe ich immer darum gekämpft, dass sie endlich mal mit mir singt. Ich mache doch immer noch dieses große Festival in Neuhardenberg. Da wollte ich sie einladen, aber früher hat sie immer mit Till Brönner gearbeitet. Was ich sagen will: Mich interessieren alte Sänger nach wie vor. Ich habe eine ganz große Affinität, weil ich als Sänger mit 24 anfing, obwohl ich mit 16 schon gesungen habe.

Jetzt bin ich alt. Jetzt bin ich 73 und habe vielleicht noch was vor mir. Das lerne ich jetzt immer mehr. Ich habe gestern bei einem anderen Künstler gelesen, der seinen Vater sehr früh verlor. Der hat dann geschrieben: „Ich bin immer der Junge wie in dem Alter, als ich meinen Vater verlor.“ Das wird immer bleiben, diese Wunde, dieses Loch, dieser Verlust.

Dieser Satz hätte ja von Dir sein können.

Ja, diesen Satz klaue ich ihm jetzt auch.

Es ist ja spannend, dass Du Dich zwischen ein paar Konzerten hinsetzt und ein Leid schreibst. Ich hätte gedacht, dass Du Dir dafür Zeit freischaufelst.

Das tue ich schon, aber dann bleibt es liegen. Ich finde es auch manchmal ganz gut. Ich war jetzt bei Bob Dylan im Konzert. Ich bewundere ihn nach wie vor, obwohl er für mich oft nicht zu ertragen ist, weil er sperrig und alt ist und weil er keinen Bock hat, die Leute so zu verwöhnen, die wir das als Deutsche brauchen. Der schreibt ja nach wie vor dort, wo er gerade ist. Ich bin ein Verehrer seiner letzten Platte „Rough and rowdy ways“. Es gibt auch ein Alterswerk von Neil Diamond – einfach alte Sänger, die Resümee ziehen und dann wollen sie doch weitermachen. Peter Kraus zum Beispiel hat jetzt aufgehört, sagt er.

Ach, der hört doch schon ewig auf!

Ich habe den kennengelernt, als ich jung war. Mir war das ja als junger Mann auch wurscht, in welche Fernsehsendung ich gehe. Hauptsache, die Typen oder die Frauen haben was zu sagen, Schlager hin oder her. Irgendwann wurde ich dann immer eigenwilliger und künstlerischer, sodass ich in keine Sendung mehr passte oder ich war zu quengelig.

Ich wusste gar nicht, dass Du auch für Nena und Harald Juhnke Texte geschrieben hast. Was ist anders, wenn Du für andere Künstler schreibst?

Das Ding mit Nena wurde dann zerbrochen, das hat sie dann doch nicht gesungen, aber sie hat später ein Lied von mir, „Mein Weg“, gecovert. Ich habe Nena sehr gern gehabt, und das war eine Produktion mit Annette Humpe. Da wollte sie das unbedingt und dann habe ich das gemacht. Ich habe mir da richtig einen abgebissen. Ich fand’s gut, weil es ein Konglomerat ihrer selbst war, so wie ich sie sehe.

Für Harald, das war, weil ich den einfach sehr schätze. Seine Witwe Susanne war jetzt bei der Buchvorstellung. Wir kennen uns einfach sehr lange. Du schreibst anders. Als ich eine ganze Platte für Romy Haag machte – Du schreibst distanzierter und manchmal bist Du nicht mit der Last Deiner Selbst daran. Du kannst den Kopf oder die Figur, den Typus der Anderen beschreiben.

Auf Deinem aktuellen Album ist das schöne Lied „Bin nicht mehr, bin nicht Strand“. Darin vermischst Du Deine eigenen Erfahrungen in der Nachkriegszeit mit dem Ukrainekrieg. Das Lied finde ich sehr berührend und es war letztes Jahr beim Konzert im Lustspielhaus eines der Lieder, die die Leute sehr berührt haben.

Das finde ich gut, dass Du das sagst. Da ist Hawo und mir ein Kostüm sehr gut gelungen. Das war das erste Lied von der letzten Platte, was ich machen musste, und es war sehr schwer, denn ich wollte das, was Du gerade sagst, da unterbringen. Das fiel mir schwer, und als ich das akzeptierte, war es ganz leicht. Du fängst ja oft nur mit einer Zeile an, und die ist schon so wirr, dass man nicht weiß: Was will der mir denn jetzt sagen?

An sich folgst Du nur diesen Tönen und dem Text, die noch nicht da sind. Hanns Dieter Hüsch hat immer gesagt: „Du verdichtest Dein Leben lang. Du hast einen Batzen von zehn Kilogramm vor Dir und dann gehst Du auf 400 Gramm.“ Das macht ja auch jeder Journalist so.

Was ist bei Dir eigentlich zuerst da, der Text oder die Musik?

Ich würde sagen: Wenn ich gut drauf bin, die Musik. Ich habe heute Morgen, obwohl ich nicht so gut drauf war, weil es zu warm ist, eine sehr schöne Musik gehabt. Das passiert mir nicht so oft. Aber sonst bin ich ein Kopftyp, ich renne mit Worten rum. Worte sind ja auch Pfeile, die können Dich ja töten. Das merkst Du ja, wenn Du gekränkt wirst oder Dich Leute scheiße finden, da können Worte Dich auseinanderfetzen. Du musst einfach sehen, dass Du damit dann auch nicht so umgehst. Das ist immer ein schwieriges Geländer, aber ich bin mit Worten schneller dabei. Früher war ich ganz scheu und still, und heute, würde ich sagen, rede ich manchmal zu viel.

Im Lied „Was Dir Dein Herz erzählt“ geht es um die innere Stimme. Welche Bedeutung hat die innere Stimme für Deine Karriere? War es für Dich immer richtig, auf die innere Stimme zu hören?

Meistens ja, aber manchmal war ich auch zu furchtsam. Ich würde heute Filmangebote annehmen, die ich damals abgelehnt habe. Das ärgert mich schon. Als ich jetzt von Lilo Pulver diesen Schmachtfetzen „Das Wirtshaus im Spessart“ gesehen habe, habe ich gedacht: Die ist ja über 90, lebt in einer Seniorenresidenz in der Schweiz und hat ganz frech bekundet, sie ist sauer auf sich, weil sie sich irgendwo bewerben wollte und es dann nicht gemacht hat. Bei mir ist es dann doch aus einer Scheu heraus.

Es gibt zwei Dinge: Von Bernhard Sinkel zum Beispiel gab’s drei Angebote: „Väter und Söhne“, das war an sich meine Rolle, die hat dann Grönemeyer gespielt, aber da hatte ich eine Tournee. Ich hätte also sagen müssen: „Männer geht so lange spazieren.“ Das wollte ich nicht, und dann wollte er mit mir nach Amerika gehen, da hätte ich für eine Serie Hemingway spielen können, und da habe ich gekniffen. Ich habe dem das gar nicht geglaubt. Da machst Du ja schon eine Lebensentscheidung, wenn das klappt. Also manchmal würde ich heute sagen: Ein bisschen mehr Mut an der richtigen Stelle wäre besser gewesen.

Morgen spielst Du im Lustspielhaus, in das 250 Leute hineinpassen. Was ist anders, wenn Du vor so einem kleinen Auditorium spielst, als wenn Du in Zweitausenderhallen spielst?

Hawo Bleich und ich haben uns in den letzten Jahren sehr viel in kleinen Häusern bewegt. Er am Klavier und Keyboard und ich. Ich habe das immer sehr genossen. Es ist schon toll, aber auch sehr mühsam. Dann kam ja Corona, das sollte man nicht unterschätzen. Wir haben ja sogar manchmal vor ganz wenig Leuten gespielt und mussten mit der Band richtig nachrücken.

Mein Veranstalter Karsten Jahnke hat dadurch viel Geld verloren. Aber was ist anders? Ich würde fast sagen, mittlerweile ist es gar nicht mehr so anders. Du musst nur aufpassen, dass Du Dich so sehr davon beeindrucken lässt, wenn Du in großen Häusern bist. Mit einer Band ist es anders, die schieben Dich anders. Es ist auch wohltuend, weil Du nicht alleine bist. Aber die Ansprache oder das ganze Intermezzo ist nicht viel anders. Die kleinen Häuser sind manchmal schöner, weil Du dichter dran bist, und es ist intimer.

Wie hast Du eigentlich Deine Bühnenfigur angelegt? Als wir 2019 das erste Mal miteinander gesprochen haben (siehe HIER), haben wir ausführlich darüber geredet, dass Du als Schauspieler auf die Bühne gehst.

Die hat sich verändert. Erstmal habe ich früher in einem Lumpenhemd und Jeans auf der Bühne gestanden und habe das so runtergefedert. Ich habe vorgestern noch ein Interview über Patti Smith gegeben. Das war die erste, die ich aus dem amerikanischen Bereich kennenlernte. Da war ein Mann dabei, Phil Ochs, das war ein Gewerkschaftssänger. Die trugen Arbeiterhemden, und das fand ich toll, die Figur von außen zu nehmen.

Irgendwann war ich der Erste, der einen Anzug trug wie ein Finanzbeamter. Ich wurde immer mehr fast mein Vater. Heute würde ich sagen: Das verändert sich, nicht nur äußerlich, sondern ich werde hoffentlich immer mehr, was ich bin. Auf der Bühne ist das ein bisschen schwieriger. Es kann sogar sein, dass Du manchmal auf der Bühne der bist, der Du bist, als im Privaten. Da musst Du hingucken. Aber die Figur ist nicht mehr so pathetisch, oder wenn ich das mache, stelle ich das anders aus.

Du wirst bewusster, und ich würde sagen, das verändert sich noch. Zum Thema „alte Sänger“: Bevor Al Jarreau starb, hatte ich das Glück, ihn dank Karsten Jahnke in der Philharmonie noch besuchen zu dürfen. Kurze Zeit später ist er gestorben. Der ging nur noch raus auf die Bühne und quatschte. Ich fand es früher schon immer sehr mühsam, diese Vokalakrobatik zu ertragen, obwohl die erstklassig war, aber ich bin ja kein Jazzer. Als er dann rausging und über sein Leben erzählte und hinter ihm waren zig Leute am Sägen und Machen, das hat ihm überhaupt nicht imponiert. Der hat einfach von sich erzählt, und das fand ich grandios.

Du sagst ja immer, dass Du mit Deinen Liedern nicht die Welt verändern, sondern Dein eigenes Lied finden wolltest. Hast Du es nach fast 50 Jahren gefunden, und wenn ja, wie klingt es?

Ich glaube, ich habe es noch nicht im Sinne von perfekt, aber ich glaube, es steckt in diesem Band mit den 300 Liedern immer wieder drin.  Es ist immer dieselbe Geschichte. Wie die jetzt auf drei Minuten gepresst wird, weiß ich nicht. Vielleicht sind es alle Bruchstücke für ein Lied, die meine Lieder sind. Der Wunsch nach einem Lied, das finde ich gut von mir gesagt, aber ich glaube, das werde ich nie erreichen. Ich habe mich ja zum Beispiel nie als Musiker oder Texter empfunden, das musste ich alles werden – aber nicht nur handwerklich. Dazu gehörst Du ja selber.

Du musst Dir, glaube ich, auch selber gefallen und Dir die Hand reichen, damit Du diesen ganzen Krempel trägst, den Du so machst in Deinem Leben. Vielleicht ist das sogar der wichtigste Anspruch, dass Du Dir selbst die Hand reichst und Dich liebst. Da kommt mir jetzt wieder Caterina Valente hoch, die immer einen Anspruch hatte, perfekt zu sein in ihrer Akrobatik und sechs Sprachen und was nicht alles. Sich selbst mögen ist auch in dem Lied drin, wenn Du pfeifend durch den Wald gehst.

Das Interview führte Maximilian Lemli

Titelfoto: Malene Hoffmann

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Schlagerprofis – Der Podcast Folge 054

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