Aquamarin Klaus Hoffmann live

Klaus Hoffmann im Schlagerprofis-Interview: „Du musst echt sein!“

Es hat uns als Schlagerportal sehr gefreut, die Möglichkeit zu haben, ein Telefoninterview mit dem Liedermacher Klaus Hoffmann führen zu dürfen – und das, obwohl er krankheitsbedingt seine Konzerte bis zum 13. Oktober absagen musste. Wir erreichen Hoffmann im Auto und sprechen zwanzig Minuten lang mit ihm über sein gestern erschienenes Live-Album „In der Philharmonie – Aquamarin“, welche Bedeutung die Bühne für ihn hat, über seine Vorbilder Charles Aznavour und Jacques Brel, mit dessen Liedern er im kommenden Jahr wieder auf Tournee gehen wird. Beim kurzen Vorgespräch bietet Hoffmann das „Du“ an, was das Gespräch auflockert. Wir haben uns bewusst dazu entschieden, seine Gedankensprünge und Ausschweifungen nicht zu kürzen, um den Verlauf des Interviews authentisch nachzuzeichnen. 

Schlagerprofis.de: Hallo, Klaus! Zuerst würde ich gerne wissen, was der Albumtitel „Aquamarin“ bedeutet. 

Klaus Hoffmann: (überlegt) Tja, das habe ich mich auch gefragt. Das Album ist ja in einer Studioproduktion zwei Jahre zuvor herausgekommen. Manchmal arbeite ich mit Worten wie Melancholia (auch ein Albumtitel), die ich manchmal sogar träumte. Bei Aquamarin war es ähnlich: Ich war auf Sylt und habe immer diesen Aquamarin-Stein gesehen. Ich habe ja sehr viele Lieder über meine Kindheit und über das Kind in mir geschrieben und war der erste in diesem Lande, der darüber schrieb. Als ich diesen Stein gesehen habe, war er mir ein Glücksbringerstein, den Du an sich in Dir trägst. So ist das entstanden, an sich ein sehr eigenartiges Bild. 

Schlagerprofis.de: Ich habe gelesen, dass der Aquamarin im Griechischen ein Zeichen für Reinheit, Glück und Liebe ist. Griechenland ist Dir ja sehr nahe.

Klaus Hoffmann: Viele haben darüber gerätselt und es zu erklären versucht. Für mich war das ganz naiv: Der hatte auch die Augenfarbe meiner Mutter bzw. meine eigene Augenfarbe. Das habe ich aber erst später bemerkt. Erstmal war es nur so ein Lockvogel, womit ich anfing, an sich eine ganze Zeit zu beschreiben. Ich dachte früher schon immer, in meiner Kinderkiste waren bestimmt drei Kinokarten, ein Kinderbuch und dieser Stein. So konnte ich mir das bauen, als wäre es, wie Du es gerade sagtest, vielleicht sogar ein Glücksbringer oder ein Stein, der Dich begleitet. Weißt Du?

Schlagerprofis.de: Das Konzert wurde im November letzten Jahres aufgezeichnet. Warum hat es so lange gedauert, bis das Live-Album erschienen ist?

Erstens mache ich sehr viele Live-Alben, die nach einer Studioproduktion erscheinen. Ich wollte auch ein bisschen Luft dazwischen lassen. Wir haben es ja in dieser heiligen Berliner Philharmonie aufgenommen. Das war mir irgendwie wichtig, dass wir das da aufnehmen. Jetzt kannst Du mich fragen, warum. Der Udo Jürgens, den ich sehr mochte, obwohl er ganz andere Sachen machte, der mich aber auch mochte, der hat mal seine Eltern in die Philharmonie eingeladen. Dann ließ er die Musiker da antraben, was ich sehr mutig fand, und war erfüllt. Vielleicht war mir das auch wichtig, wobei meine Eltern ja gar nicht mehr leben. Aber diese Verbindung aus diesem Kinder-Ich zu denen, die mich gemacht haben, an denen ich mich abgearbeitet habe und die ich bis heute in mir trage, hat vielleicht mit dem Live-Album zu tun. Dann hat es einfach so lange gedauert, bis wir das Ding auf den Markt brachten. Heute ist ja erst der Erscheinungstermin.

Schlagerprofis.de: Du sagtest gerade, dass Du Dich immer noch an Deiner Kindheit abarbeitest. Und das, obwohl Du bald 70 Jahre alt bist.

Klaus Hoffmann: (lacht) Naja, ich bin vielleicht der Botschafter für diese inneren Geschichten. Wenn Du einen Film von Almodóvar siehst, musst Du auch fragen: Warum fängt der da seine Kindergeschichte ein? Ich glaube, das hört nie auf. Ich war in den Liedern einer, der mehr und mehr dazu steht, dass die Kindheit ein Teil von mir ist, wo einfach alles anfing, und dass meine Talente, meine Missverständnisse, meine Liebe und meine Wurzeln aus dieser Ecke kommen. Ich habe das ziemlich gepflegt, darüber Lieder zu machen. 

Schlagerprofis.de: Wie entsteht denn so ein Konzertprogramm?

Klaus Hoffmann: Das ist eine lange Nummer, weil ich ja einer bin, der auch viele Bücher schreibt, vom Text komme und die Musik ergibt sich. Hermann van Veen hat mal gesagt „Man geht immer von einer Show in die andere.“ Ich denke gerade an Karel Gott… Oh Gott! Warum das denn? Da war ich 24 oder so, sah klasse aus und war mit Karel Gott und Heidi Brühl in einer Show. Weil ich auf Sänger stehe, egal welches Genre. Dann habe ich gesungen und dann sagte er zu mir: „Deine Performance ist super, aber Du nuschelst so!“ Dann habe ich gesagt: „Naja, ich bin Berliner!“ Ich glaube, die Geschichte fängt immer an Deiner Biographie an, die ich im Programm hab. Der Typ [Karel Gott] kam aus Prag. Das konnte ich sofort ablesen, weil ich die Tschechen kenne und auch mag. Seine Geschichte, dass der so eine Wahnsinnsstimme hat! Weil er gerade gestorben ist, habe ich an ihn gedacht, sonst habe ich den nie wieder getroffen. Sänger sind schon sehr an ihre Biographie gebunden und so entsteht dann das Programm.

Schlagerprofis.de: Ich finde es sehr interessant, dass Du im ersten Teil schon sehr bekannte Lieder wie „Amsterdam“ oder „Der König der Kinder“, aber nur zwei Lieder aus dem aktuellen Studioalbum spielst. Hat sich das so ergeben?

Klaus Hoffmann: Bei mir gibt es da leider nie einen Zufall. In der Show ist zwar einiges zufällig, aber das Geländer bzw. die Dramaturgie ist schon sehr ausgefuchst. Ich glaube, dass die Lieder mich immer einholen. Ich brauche mindestens zwei Jahre, um die Dinger zu verstehen. Ich meine jetzt nicht vom Kopf her, sondern was da drin ist.

Schlagerprofis.de: Was es mit Deinem Leben zu tun hat?

Klaus Hoffmann: Nee, auch wie man die Lieder anders zeigt. Alte Lieder werden für mich immer wichtiger und ich habe sie jahrelang auf die Seite gelegt. Neue Lieder brauchen sehr viel länger, um mich zu überzeugen. Wenn ich sie dann habe, dann finde ich es richtig gut und bereue, dass ich es nicht so aufnehmen konnte wie ich es heute singen kann.

Schlagerprofis.de: Du spielst ja seit Jahren mit denselben Musikern. Was macht die Beziehung zu diesen Musikern aus?

Klaus Hoffmann: Dass die meisten meine Musik gar nicht so auf dem Schirm haben. Jeder von denen hat eine andere Musik als nun Hoffmann. Aber wir kennen uns sehr, sehr lange und der Deal heißt: Ich entscheide und alle machen, was sie wollen. Das ist sehr eigenartig. Das ist ja eine Männergruppe und die sind sehr großzügig mit mir. Man könnte das auch Liebe nennen. Mal sehen, wir kennen uns ja erst seit dreißig Jahren. 

Schlagerprofis.de: Was bedeutet es für Dich, live zu spielen?

Klaus Hoffmann: Ich glaube, das ist die Erfüllung. Ich bin schon ein ziemlicher Preuße und oft sehr streng im Studio, weil das eine andere Atmosphäre hat. Die ist aber auch interessant, denn Du musst viel genauer sein. Live ist einfach das Publikum, weißt Du? Sobald Du rausgehst, atmest Du ja anders. Du hast Ängste, hast Lust – und es ist eben live. Die Leute bringen Dich auch durcheinander. Diese Dinge hörst Du nachher auch. Deswegen klingen manche Live-Aufnahmen auch so grottig. 

Schlagerprofis.de: Auf dem neuen Live-Album wurden ja auch die Zwischenrufe usw. drin gelassen. Das ist wirklich ein authentisches Abbild des Konzertes. 

Klaus Hoffmann: Ja, ich mag das gern. Das ist wie ein Souvenir, und für die Leute, die im Konzert waren, ist es noch bedeutender. 

Schlagerprofis.de: Du erzählst im Konzert davon, dass Du viele Gesichter im Publikum persönlich kennst. Kannst Du überhaupt noch Kontakt zum Publikum halten?

Klaus Hoffmann: Das sind auch Lügen, ne? Da kokettiere ich auch rum. Aber viele kenne ich schon und ich will auch gar nicht alle kennen. Oh Gott! Weißt Du, ich muss mich auch immer fragen, ob ich das überhaupt weitermachen will. Das ist nicht mal so einfach so! Wenn ich die Leute empfinde, die zu mir kommen, dann habe ich es auch leichter, denn ich werde dann auch gebraucht. Das musst Du erstmal verstehen! Ich hätte gerne den Karel Gott gefragt, wie er das sieht: diese Frauenkiste oder was man da so als Jugendlicher angemacht hat und übers Geldverdienen. Du musst ja erstmal rauskriegen: Ist das überhaupt noch nützlich? Oder renne ich wie Dieter Bohlen jetzt zum fünften Aufguss durch die großen Hallen? Bei mir ist es so, dass die Leute mich oft verdattern oder auch entsetzen. Ich will dann auch gar nicht so viel von denen wissen, denn das trifft mich dann sehr. Manche können mit den Texten wirklich eine Menge anfangen und das will ich gar nicht wissen.

Schlagerprofis.de: Warum willst Du das nicht wissen? Macht Dir das Angst?

Klaus Hoffmann: Ja, früher schon, und ich glaube, jetzt rede ich ein bisschen quer. Heute gefällt‘s mir schon wieder, aber früher hat‘s mich ein bisschen geängstigt. Ich hatte mal eine Phase als jugendlicher Held, da habe ich in den Konzerten mit den Fingern ein L geformt. Plötzlich fing das Publikum an, das nachzumachen, und am dritten Tag waren es schon hundert Leute, die das gemacht haben (lacht). Dann dachte ich: Jetzt reicht’s aber, und dann habe ich diese Posen aufgegeben. Du kannst mit Musik schon eine Menge Mist machen, aber so ist eben mein Werdegang. Heute erwischst Du mich wieder an einem positiven Tag. Ich habe die Stimme verloren, musste Konzerte absagen. Furchtbar! Ich hatte einen Virus, nachdem ich kleine Konzerte in Paris und Wien hatte. Du musst Dich immer wieder fragen, ob das Dein Ding ist. Aber ich bin eben auch manisch im Erzählen!

Schlagerprofis.de: Was glaubst Du, wofür Dich Dein Publikum braucht? Kannst Du benennen, was Du in den Leuten ansprichst?

Klaus Hoffmann: Ich mach‘s mal ironisch: „Der Botschafter der inneren Angelegenheiten“. Ich glaube, dass ich einen Platz bei Menschen habe, die zuerst nach innen gucken. Ich habe aber auch einen ziemlichen Biss und gehe nicht dogmatisch ran, sodass ich vielleicht im Laufe meines Lebens eine Stimme gefunden habe, die mir ab und zu mal rausfliegt. Dieses Stimme-Finden ist ein Lebensweg und das hat ja jeder. Du musst ja nicht immer gleich singen, weißt Du? 

Schlagerprofis.de: In einem Interview mit der Freien Presse hast Du gesagt: „Ich gehe da raus, die Texte stehen mehr oder weniger fest und wenn ich mich daran halte, macht der Schauspieler Hoffmann schon ein paar gute Sachen.“ Heißt das, dass Du den Liedermacher oder den Bühnenmenschen Klaus Hoffmann „gibst“ und Dich in eine Figur verwandelst, um Dich abzugrenzen?

Klaus Hoffmann: Ich höre schon dadurch, wie Du fragst, was Du eigentlich meinst. Ich verstelle mich ja auch, aber nur so sehr, wie ich mir das auch glaube. Ich bezeichne mich ja immer noch als Schauspieler, weil ich das ja sehr lange und immer wieder gemacht habe. Du musst einfach echt sein! Aber sobald Du rausgehst auf die Bühne, bist Du schon ein anderer. Du musst nur echt sein! Früher hieß es immer: „Wir tragen Jeans und spielen Fußball!“, das mochte ich nie. Ich trage einen Anzug und spiele Fußball. Du musst in jeder Pose echt sein! Freddie Mercury war in seinen furchtbar exaltierten, beknackten Queen-Posen einfach echt. Er musste das lange trainieren, damit er sich das selbst glaubt. Von daher ist das auch Schauspielerei.

Schlagerprofis.de: Das ist ja spannend: Eigentlich behaupten gerade Liedermacher ja immer, sie seien authentisch, und Du gibst jetzt zu, dass Du Dich bis zu einem gewissen Grad auf der Bühne verwandelst. 

Klaus Hoffmann: Authentizität gehört dazu. Lös es mal mit dem Wort „echt“ ein, dann ist es einfacher. Selbst Stalin oder schlimmere Leute waren echt, aber Du weißt ja: wenn Du auf ein Bühne gehst, bist Du nicht mehr privat. Selbst Elton John ist für mich immer am besten gewesen, wenn er ganz echt war, und trotzdem hatte er einen furchtbaren Fummel und eine völlig verblödete Brille an und machte Dinge, von denen ich dachte: Das kann man ja nicht mehr öffentlich machen. 

Schlagerprofis.de: Welche Bedeutung hat denn Charles Aznavour für Dich? Du widmest ihm ja auf dem Live-Album das Lied „Du siehst aus wie Papa“. 

Klaus Hoffmann: Ich liebte diese Sandrino-Sänger, die rauskommen und Lieder von „Azzuro“ bis zum kitschigen Schlager singen. Aznavour war das intelligente Überbleibsel. Ich kam ja von den schweren Kalibern wie Jacques Brel und Léo Ferré. Wie gesagt, Du hast heute einen guten Tag mit mir erwischt, denn ich bin wieder ganz begeistert, dass ich weitersinge. Mit 80 kommt er [Hoffmann meint sich selbst] tatternd raus, klopft sich auf die klingenden Knie, die er gerade repariert hat, und sagt: „15 Prozent sind neu!“ So ein Lied muss er dann singen. Dann habe ich so ein Jackett in lila an und singe ganz traurige Lieder. Das finde ich toll, mit 80! Aznavour ist ähnlich gewesen: Der hat zum 4000. Mal „La bohème“ gesungen, aber so, dass Du dachtest: Der singt das zum ersten Mal.

Schlagerprofis.de: Das kennst Du ja auch. Wie schaffst Du es, ein Lied, das Du schon oft gesungen hast, so klingen zu lassen als hätten es die Leute noch nie gehört? 

Indem Du es so singst als wäre es nur der Augenblick, der Dich betrifft. Dazu gehören ganz große Sänger wie Nana Mouskouri, Melina Mercouri oder der griechische Sänger Dalares. Ein sehr großer Sänger ist Elton John oder Van Morrison. Van Morrison heilt Dich richtig, der ist vielleicht der Sänger schlechthin in der Popwelt. Die Frage ist natürlich immer, ob der Sänger Dich trifft. Die haben ja auch alle ‘nen Knall! Diese Sänger sind ja alle schräg! Wenn ich das mit 20 mache, kann ich das ja verstehen. Wenn Du dann noch Millionär wirst, meinen Glückwunsch! Aber doch nicht mit 70! Das ist ja schon harter Tobak! Da fliegt Dir irgendwann die Perücke runter. 

Vielen Dank für das Interview!

Maximilian Lemli

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Schlagerprofis – Der Podcast Folge 031

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