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Jan Böhmermanns politischer Lieder- und Partyabend in München
Nein, Jan Böhmermann ist nicht schuld, auch wenn die Aufschrift auf dem Bühnenvorhang das suggeriert. Dass das Konzert mit fast zwanzigminütiger Verspätung beginnt, liegt an großen Teilen des Publikums, die erst gegen 20:15 Uhr in die ausverkaufte Münchner Olympiahalle strömen – übrigens zu den Klängen von Jacques Brels Klassiker „Le chanson de Jacky“, die aus der Konserve kommen.
Bevor sich der Vorhang hebt, spricht der Liebe Gott zum Auditorium – in Form von Böhmermanns langjährigem, 2022 verstorbenen Weggefährten William Cohn. Kurz erklingt „Geh‘ voran, Pionier“, dann wird der Star des Abends als „heiligster Hassprediger“ und „propagandistischer Einpeitscher“ vorgestellt. Mit den Worten „Na, ihr verweichlichten, wehrlosen „Demokrat*innen?“(Gender-Zitat) betritt er die Bühne.
Politische Songs mit erschreckender Aktualität
Der Eröffnungssong „Faschismus is back“ hat angesichts der jüngsten Ereignisse erschreckend an Brisanz geworden. Ja, die Brandmauer wackelt … Der Satiriker bezeichnet München als „geliebte Hauptstadt der Bewegung“ und freut sich darüber, dass 4.000 Menschen mehr im Publikum sind, als die AfD Mitglieder in Bayern hat. Für jeden soll an diesem Abend etwas dabei sein, und er macht von Anfang an sein Credo klar: Gegen den Faschismus, gegen die AfD!
Der 42-Jährige präsentiert durchweg textintensive Lieder zum Zuhören. Mal rappend als POL1Z1STENSOHN („Ich hab‘ Polizei“, „herz und faust und zwinker zwinker“), dann wieder großartig singend. Aufgelockert wird das Konzert vom exzellent aufspielenden Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld, die Böhmermann immer wieder Pausen und dem Publikum Zeit für Party ermöglichen.
Absturz von der Bühne
Bei seinem Plädoyer „Das ist die Kunst“ schwebt der Entertainer über dem Publikum und stürzt auf der Bühne ab. Er hadert mit Gott („Ich bin doch gerade erst Anfang 20!“) und weist darauf hin, dass auch Trump, Merz und der Faschismus in Deutschland eine zweite Chance verdient hätten. Genervt hext Gott (erneut in Gestalt von William Cohn) ihn wieder lebendig. Natürlich ist das nur inszeniert.
Neben der großen Politik übt Böhmermann auch Kritik an mangelhafter Infrastruktur („Warum hört der Fahrradweg einfach hier auf?“) und bezieht sich dabei konkret auf die Verhältnisse in der bayerischen Landeshauptstadt: München sei „eine Stadt für Leute mit großen Autos und viel Geld, nicht für E-Scooter und Fahrräder“. Dafür erhält er zurecht viel Applaus.
Überraschungsgast Bosse und Anti-Nazi-Songs
Bevor sich der Abend langsam dem Ende zuneigt, tritt Überraschungsgast Bosse auf und singt seinen Hit „Schönste Zeit“. Seinen Anti-Nazi-Song „Licht an! Licht an!“ aus dem Jahre 2019 hat Satiriker Böhmermann auf die jüngsten Ereignisse auf dem Münchner Oktoberfest rund um den Rechtsextremen Maximilian Krah umgedichtet und bedankt sich bei einigen Anwesenden, die ihm bei der Enthüllung dieses Skandals geholfen haben. Zu „Wirf ein Ei“, einer Ode an den zivilen Ungehorsam, kommt Grundi, das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland, auf die Bühne.
Mit den Zugaben „Allemagne zero points“ (über das schlechte Abschneiden Deutschlands beim „Eurovision Song Contest“), „Böhmermann ist schuld“ und der Hommage an seinen Böhmermanns Bremer Heimatstadtteil Vegesack endet ein großes Konzert, das eine Mischung aus politischem Liederabend und Party im Geiste von Demokratie und Mitmenschlichkeit darstellt.
Dabei begeistern vor allem Böhmermanns Qualitäten als Sänger und Rapper. Dank der Stücke des Rundfunk Tanzorchesters Ehrenfeld wirkt das durch und durch politische Programm trotz fehlender Pause nie langatmig oder gar zu „anstrengend“. Im Gegenteil: Der Abend hätte gerne länger als gut zwei Stunden dauern dürfen.
Den einzigen Wehrmutstropfen erleben die wenigen Besucher, die nach dem Konzert am Backstageeingang auf Fotos oder Autogramme des Stars hoffen: Von einer Gruppe von Security eskortiert, verlässt ein Mann mit Kapuzenjacke und gesenktem Blick die Halle.,
Setlist
Faschismus is back
Right time to Thiel
Overtaken (aus „One piece anime“) (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)
herz und faust und zwinker zwinker
Down the street (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)
Wir sind eins (Die Jadebuben)
Das ist die Kunst (mit den Quietschboys)
Warum hört der Fahrradweg einfach nie auf?
Claus Weselsky
Vogue (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)
Open your mind (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)
Recht kommt (K.O… in KA)/Ich hab‘ Polizei
Bürgermeister
Schönste Zeit (Bosse)
Let it happen (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)
Licht an! Licht an!
Licht an! Licht an!-Reprise (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)
Wirf ein Ei (mit den Jadebuben)
Generator (Rundfunk Tanzorchester Ehrenfeld)
Allemagne zero points
Böhmermann ist schuld
Vegesack