#FreeESC Nachlese

#FreeESC 2020: Die große TV-Kritik einer rundum gelungenen Show

Opening

#FreeESC – Die Alternative zum echten ESC – und damit quasi den “wahren ESC” (angesichts des Konzepts, teilweise in Landessprache zu singen, ein “Orchester” dabei zu haben und mit musikalisch guten landestypischen Beiträgen zu punkten) wurde von CONCHITA WURST eröffnet, die gleich drei ehemalige ESC-Siegersongs vortrug, begleitet von den genialen “HEAVYTONES“.

Fehlte da was?

#FreeESC Stefan Raab/Nicole
(Vergrößern)

Im Anschluss betrat Moderator STEVEN GÄTJEN die Bühne – mit einer rollbaren Plexiglaswand, um die Moderation mit CONCHITA WURST ‘Corona-konform’ zu bewerkstelligen. STEVEN GÄTJEN erwähnte, dass beim #FreeESC-Opening-Vortrag von CONCHITA ein Lied gefehlt habe – richtig: NICOLEs “Ein bisschen Frieden”. In einem Einspielfilm wurde des ersten deutschen Grand-Prix-Siegs anno 1982 gedacht. Im Stil der deutschen Vorentscheidung war niemand geringerer als STEFAN RAAB zu sehen – verkleidet als NICOLE. ESC-Fans werden kritisieren, dass die Gitarre nicht weiß war und das Kleid nicht schwarz mit Pailletten – Nicole 1982aber dieser Clip sorgte für einen Sturm im Blätterwald: STEFAN RAAB war tatsächlich erstmals seit weit über vier Jahren im Deutschen Fernsehen mit einem neuen Clip zu sehen.

ILSE DE LANGE (NL)

Der erste Song im Wettbewerb wurde von ILSE DE LANGE gesungen, die übrigens auch im “Ersten” präsentiert wurde. LIVE trat die holländische Vertreterin beim #FreeESC auf, die ARD zeigte standesgemäß eine “Konserve”, die allerdings recht schön war, aber nun einmal ein Video – ILSE sang im Ersten mit MICHAEL SCHULTE ebenfalls “Ein bisschen Frieden”: Und diese Version fand auch den Gefallen des Altmeisters und Komponisten des Liedes – RALPH SIEGEL schreib bei Facebook: “So macht auch mir der ESC noch eine Freude”.

Heitere Einspieler

Bevor ILSE DE LANGE nun beim #FreeESC loslegen konnte, gab es einen Einspielfilm – anders als beim staatstragenden ESC wurden hier “lustige” Bilder mit Informationen zum Land verknüpft. Kommentiert wurden die Filme von einem Sprecher, der RAAB-Fans vertraut ist (bekannt ist vor allem sein Name MANFRED WINKENS, der tunlichst darauf bedacht ist, keine Fotos von sich im Netz zu finden – wobei wir es recht schnell gefunden haben, auf den Abdruck aber aus Rücksichtnahme verzichten). Jedem Land wurde so ein Einspielfilm “spendiert” – teilweise wirkten die darin eingebauten Witze auf manche Zuschauer doch schon sehr plump – aber wir fanden es witzig.

Eine ‘echte’ ESC-Künstlerin

Der Vortrag von ILSE war hoch professionell, ihr Song ist sehr gefällig und kommerziell, erinnert aber auch etwas an ihren damaligen ESC-Beitrag (Ilse ist eine von zwei Teilnehmern, die schon einmal beim echten ESC dabei waren, damals mit den “Common Linnets”). Der Titel “Changes” fetzte und war ein guter Einstand.

EKO FRESH/UMUT TIMOR (TUR)

EKO FRESH trat mit UMUT TIMOR an und präsentierte den Titel “Gunaydin” einen Titel, der landestypische Klangelemente erhielt und damit recht viele Zuhörer ansprach. Rapmusik ist jetzt nicht unbedingt unser Steckenpferd, allerdings erkennen wir an, dass EKO FRESH seit vielen Jahren erfolgreich im Geschäft ist und immer wieder für Überraschungen gut ist.

SIAN HILL (IRL)

Für Irland ging SIAN HILL an den Start, der ein sehr typisch irisches Lied vortrug und damit zu punkten wusste. Sein Vortrag war sauber, und insbesondere der Damenwelt war SIAN von Anfang an sympathisch. Und dass es eben mal NICHT MAITE, JOEY, ANGELO, PATRICK oder sonst ein Kelly war, der für Irland an den Start ging, hat den einen oder anderen Musikfreund erfreut. Zumal ANGELO ja später als Punkteverkünder seinen Auftritt hatte, so dass alle zufrieden waren.

Vanessa Mai (CRO)

Die Startnummer Vier gab mit VANESSA MAI eine dem Schlagergenre zugehörige Sängerin. Dass sie nicht wirklich jeden Ton sauber traf – geschenkt. Auch eine MADONNA – das wissen wir doch als ESC-Fans – trifft nicht immer jeden Ton. Immerhin hat sie (anders als bei anderen großen TV-Shows) live gesungen. Ihr Auftritt war professionell und wurde mit tollen Tanzeinlagen veredelt. Besonders toll fanden wir, dass sie eine Strophe auf kroatisch vorgetragen hat – das war durchaus ein “Highlight” – so auch der Name ihres Titels. Was Performance und Optik angeht – da macht VANESSA so schnell niemand etwas vor.

Oonagh (BUL)

Für Bulgarien ging nicht etwa LUCY von den NO ANGELS an den Start, wie viele annahmen, sondern OONAGH, die einen Titel ihres aktuellen Albums “Eine neue Zeit” vortrug – ein nachdenklicher Song, den sie stimmlich stark vortrug: “Du bist genug”. Ein tiefsinniger Beitrag, der auch in einer Strophe auf Bulgarisch gesungen wurde.

JOSH. (AUT)

Für Österreich trat JOSH. an, der mit “Cordula Grün” vor knapp zwei Jahren einen Riesenhit gelandet hat. Mit “Wo bist du?” wusste er beim #FreeESC offensichtlich nicht wirklich zu überzeugen, obwohl auch er professionell seinen Beitrag präsentierte.

Glasperlenspiel (POL)

Polen war mit einer Elektropop-Nummer dabei – GLASPERLENSPIEL präsentierte den neuen Song “Immer da”: Richtig gut angenommen wurde der Song nicht, obwohl der eine oder andere Voter Gerüchten zufolge “einen Punkt für die Schulter” gegeben haben soll (kleiner Insider) – Sängerin Carolin Niemczyk weiß eben, wie sie ihre Reize einzusetzen hat. Genutzt hat es im Endergebnis allerdings leider nur wenig.

Kevin Jones (UK)

Das Mutterland des Fußballs ist auch in Sachen Musik weit vorne: England bzw. besser gesagt das “VEREINIGTE KÖNIGREICH”. Die Unterschiede zwischen diesen beiden Begriffen wurden von den Moderatoren im Vorfeld erklärt – und genau wie beim echten ESC ist es auch beim #FreeESC. Im “wahren Leben” bieten uns die Briten großartige Popmusik – im Wettbewerb werden aber Beiträge ins Rennen geschickt, die nicht zu überzeugen wissen. KEVIN JONES wusste mit seinem Song “Friends” nicht wirklich zu überzeugen.

Mike Singer (KAZ)

Als “Wuschel” wusste MIKE SINGER (trat für Kasachstan an) bei “The Masked Singer” zu überzeugen – sein Song “Paranoid” kam beim #FreeESC aber nicht an. Auch sein Livegesang war gewöhnungsbedürftig, der Song leider auch nicht wirklich voller Qualität – das Ergebnis ist inzwischen bekannt.

Kate Hall (DEN)

Noch ernüchternder lief es für KATE HALL, deren Teilnahme noch länger geheimgehalten wurde als die anderer Künstler. “Reset” kam noch schlechter beim Publikum an als ihr Versuch, beim “echten” ESC zu punkten (schon 2013 bewarb sich KATE HALL als Sängerin des dänischen Beitrags für den ESC).

Nico Santos (ESP)

Ähnlich wie beim Vorbild ist es auch beim #FreeESC. Wenn das vorhergehende Lied eher enttäuscht hat, punktet der Folgesong um so mehr. Ähnlich funktionierte es mit NICO SANTOS, dem Sohn EGON WELLENBRINKS. Der trat mit “Like I Love You” für Spanien an, obwohl ihn in Spanien wohl kaum jemand kennt. Immerhin sang auch er eine Strophe in seiner “Landessprache”; wenn man so will. Der beliebte Songautor hat offensichtlich zumindest viele weibliche Fans auf seine Seite gezogen – sein souveräner Auftritt hat unter dem Strich am meisten gezogen, wobei wir gleich noch einmal auf das Wertungssystem des Wettbewerbs eingehen müssen.

Sarah Lombardi (ITA)

Es folgte Italien – für dieses Land trat SARAH LOMBARDI an, die neu bei der Schlager(!)-Plattenfirma Ariola ist. Sarah hat super gesungen und eine tolle Performance hingelegt – aber sie hat ein Problem: Singen und Tanzen gleichzeitig ist schwierig. Beides beherrscht die schöne Sängerin, aber Multitasking beherrscht nicht jede Frau. Und die “Hebefigur” am Schluss sorgte gleich mehrfach für Irritationen: War da nicht was mit Abstandsregeln wegen Corona? Und – ist die Hebefigur nicht etwas danebengegangen? Den Fans kann’s egal sein.

Kommerzieller Erfolg erwartet

Der Song dürfte einer der kommerziell erfolgreichsten Lieder des Wettbewerbs sein. Sarahs Auftritt war gewohnt souverän, auch wenn es nicht zu einer wirklich guten Platzierung gereicht hat, was uns schon etwas wundert. “Te amo mi amor”, in einer Strophe auf Italienisch gesungen, wurde übrigens vom gleichen Songautor (Philippe Heithier) geschrieben, der auch für Ex-Ehemann PIETRO LOMBARDI aktiv ist.

Stefanie Heinzmann (SUI)

Eine weitere Masked-Singer-Interpretin trat für die Schweiz an. Und an dieser Stelle muss man mal darauf hinweisen, wie treu STEFAN RAAB den von ihm geförderten Sängern ist. Einen tollen Beitrag leistete mit STEFANIE HEINZMANN ein Raab-Urgestein. “All We Need Is Love” wurde gewohnt perfekt von der Schweizerin vorgetragen, die extra für diesen Anlass eine Strophe auf Schweizer-Deutsch vorgetragen hat. STEVEN GÄTJEN wies zurecht darauf hin, dass STEFANIE die einzige Casting-Teilnehmerin eines STEFAN-RAAB-Wettbewerbs ist, die nicht speziell für den ESC gesucht wurde.

Max Mutzke (Der Astronaut für den ‘Mond’)
(wir suchen immer noch das ‘Landeskürzel’)

Die Startnummer 14 hat einigen Zuschauern Rätsel aufgegeben, weil der “Mond” eigentlich kein ESC-Land ist. Das ist einfach eine “künstlerische Freiheit”, die sich STEFAN RAAB nahm, um einen seiner Protagonisten Bühnenpräsenz zu geben. MAX MUTZKE trat für den “Mond” an – aber nicht unter seinem Namen, sondern unter seinem Masked-Singer-Alter-Ego “Der Astronaut”. “Back To The Moon” kam bei den TED-Mitspielern unisono als klarer Sieger an. Deutschland, Österreich und die Schweiz wählten allesamt klar diesen Titel auf Platz 1. Zum Sieg reichte es wegen des Wertungssystems nicht.

Gil Ofarim (ISR)

Wie beim ESC ist auch beim #FreeESC ein Land am Start, das nicht zu Europa gehört: Israel. GIL OFARIM war sichtlich stolz, für Israel antreten zu können und präsentierte souverän seinen Song “Alles auf Hoffnung”.

Helge Schneider (GER)

Als letzter Song des Wettbewerbs wurde der deutsche Beitrag präsentiert. Bis zum Schluss wurde geheim gehalten, wer für unser Heimatland antritt. Nicht wenige Menschen nahmen angesichts der opulenten Vorankündigungen an, es könne sich um STEFAN RAAB “himself” handeln. Spätestens seit dem “Faultier” bei The Masked Singer wissen wir aber, dass das nur ein verwirrendes Spiel ist. Den Titel “Forever At Home” präsentierte niemand geringerer als HELGE SCHNEIDER – ein tolles Lied, das man der “singenden Herrentorte” nicht unbedingt zugetraut hätte. Immerhin: Er ließ sich live von den Heavytones begleiten.

Das Wertesystem

Danach wurde es Zeit für die Punktevergabe – und da sind wir bei einem von zwei dicken Minuspunkten dieser ansonsten großartigen TV-Show. Es ist wirklich nicht vermittelbar, warum einzelne Punkteverkünder beim Endergebnis genau so viel Mitspracherecht beim Endergebnis haben wie die vielen Tausend TED-Mitspieler Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Man kann das sicher als augenzwinkerndes Merkmal eines nicht ganz ernst gemeinten Wertungsergebnisses sehen (der “Wahre Grand Prix” in den späten 90er Jahren verfolgte ja ein ähnliches Konzept), das ist aber dennoch ein Punkt, der uns verbesserungswürdig erscheint.

Mit Orchester und doch nicht Live

Zweiter Minuspunkt ist, dass das “Orchester”, also die Heavy Tones, die meisten Beiträge dann doch nicht live begleitet hat. Wir finden: Wer “Back To the Roots” gehen will, sollte auch zur konsequenten Liveperformance aufrufen.

TV-Geschichte

Nachdem am Schluss mit NICO SANTOS der Sieger feststand, war dennoch klar: Hier wurde TV-Geschichte geschrieben, und wir freuen uns auch schon sehr auf Ausgabe zwei dieser RAAB-Idee im Jahr 2021. Vermutlich wird diese dann nicht parallel zum ESC stattfinden – “und das ist auch gut so”. Fazit ist dennoch: Der #FreeESC war die viel bessere Alternative als das, was von der ARD verzweifelt als Grand-Prix-Alternavie präsentiert wurde – das ist zumindest das Schlagerprofis-Fazit.

 

 

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Schlagerprofis – Der Podcast Folge 031

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2 Antworten

  1. Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt. Besonders haben mich Sarah Lombardi und Vanessa Mai überzeugt, deren Song übrigens von Nico Santos mitkomponiert wurde.

    Der Raab Einspieler war übrigens nicht neu, sondern aus einer alten TV Total Folge.

    1. Ich habe die Sendung nicht gesehen. Dank an die Schlagerprofis für diesen ausführlichen Bericht. Daran können sich andere Schlagerportale mehr als nur eine Scheibe von abschneiden. Die Performance und Optik von Vanessa Mai ist Geschmackssache. Ich höre Sie nicht. Ich finde Sie einfach zu unbedeutend für das Business. Aber das hängt sowieso alles vom persönlichen Standpunkt ab.

      Martin

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