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CHRISTIAN ANDERS: Die Schlagerprofis-Biografie

Heute gratulieren wir einer Schlagerlegende, die bis heute erfolgreich im Geschäft ist. Alles Gute zum runden Geburtstag, CHRISTIAN ANDERS! Hier unsere sehr ausführliche Biografie:

Der am 15. Januar 1945 in Bruck an der Mur (Österreich) geborene Antonio Augusto („Gustl“) Tinicolo (später erhielt er den Namen seines Stiefvaters Schinzel) zog kriegsbedingt gleich nach seiner Geburt mit seiner Familie nach Sardinien, wo er einen großen Teil seiner Kindheit (u. a. in einer italienischen Klosterschule) verbrachte. Er war das dritte Kind seiner Mutter Annemarie Lucas und wurde nach seinem leiblichen Vater benannt.

Mit 9 Jahren zog die Familie aus beruflichen Gründen zurück nach Deutschland (Offenbach, Dortmund und Garmisch), allerdings musste der spätere Schlagerstar aufgrund wechselnder Jobs des Stiefvaters Helmut, eines Ingenieurs, auch in Deutschland öfter die Schule wechseln. Er fühlte sich nicht sehr wohl als Kind, wurde in der Grundschule gehänselt und gab in der Eichendoff-Realschule Offenbach den Rebellen.

Geschenk der Mutter: Eine Gitarre

Seine Mutter hatte eine Idee, die sein Leben veränderte: Sie schenkte ihm eine Gitarre, auf der er nach Gehör seine Lieblingslieder (u. a. die von Freddy) sich selbst beibrachte zu spielen. Diese Erfahrungen ermutigten ihn, mit 13 Jahren an einem Gesangswettbewerb teilzunehmen – aber aller Anfang ist schwer: Mit dem Lied „Fährt ein weißes Schiff nach Hongkong“ landete er auf dem letzten Platz.

Nach der Schule (Abschluss mittlere Reife beim Werdenfelser Gymnasium) begann er 1959 eine Lehre als Elektroinstallateur bei AEG, die er abschloss.  

In Garmisch begann er sein Praktikum – bei einem Meister namens Anders(!). –Dort begann er mit mehr Erfolg, sich an Gesangswettbewerben zu beteiligen, z. B. im Hotel „Alpenhof“.

Berufswunsch: Elektroingenieur

Da er wie sein (Stief)Vater Elektroingenieur werden wollte, begann der junge Mann in Nürnberg am Polytechnikum zu studieren. Allerdings interessierte er sich in dieser Zeit weit mehr für seine Aktivitäten als Musiker (u. a. als Sänger und Gitarrist der „Flat Band“) als für sein Studium. Folglich holte ihn seine Mutter wieder zurück nach Garmisch, wo er sein Abitur nachmachen sollte. Auch hier blieb er musikalisch am Ball und organisierte ein Konzert am 29. April 1966 im Partenkirchner Gymnasium – als der Beifall sich in Grenzen hielt, war sein Ehrgeiz geweckt, es allen zu zeigen.

Erste LP: Beatgitarrenschule

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Bevor es aber so weit war, erschien bereits ein Jahr zuvor eine kuriose LP – ein Tonträger-Start, der für einen angehenden Schlagersänger sicher auch extrem ungewöhnlich, eben „anders“ ist: Christian brachte  eine „Beatgitarrenschule“ heraus, auf der er über 40 Minuten Hinweise zum korrekten Spiel der Gitarre gibt, so dass die Hörer am Ende der LP (hoffentlich) „Green Green Grass Of Home“ und „Memphis Tennessee“ zu spielen in der Lage sind. Die auf dem Label „Joker Schallplatten“ erschienene Scheibe war kein kommerzieller Erfolg, allerdings wurden durchaus seriös dort in einer dem Zeitgeist entsprechenden Sprache dem jungen Gitarristen Hinweise für das Gitarrenspiel gegeben.

Erste Verlgerin Ann Busse

In jener Zeit lernte Anders die Agentin Ann Busse, Ehefrau des Verlegers Dr. Karl-Heinz Busse kennen. Man war sich sofort sympathisch, und die Agentin vermittelte dem jungen Sänger einen Plattenvertrag. Sie stellte fest, dass Gustl Schinzel „anders“ sei – eben „Christian Anders“. Ein Kriegsdienstverweigerer, der Fanclubs und politische Parteien ablehnt – das war in der Tat nicht der typische Schlager-Start.

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So kam es zur Zusammenarbeit mit Produzent Henry Meyer – allerdings wurde die erste Single, „Als wir uns trafen“, ein Flop. Die mit dem Orchester Gert Wilden, der die Nummer auch arrangiert hatte,  aufgenommene Eigenkomposition war bei einem kleinen Label („International“, das Label von Karl-Heinz Busse) veröffentlicht worden – zunächst 1966 mit der B-Seite „Ich ziehe einsam über Land“, das wohl von seinem damaligen Vorbild Freddy Quinn inspiriert war, und einige Jahre später, nachdem Anders seinen Durchbruch geschaffen hatte, noch mal mit der B-Seite „Suranaika“.

Erste Komposition 1966: „Ich hatte einst ein Eselchen“

Auf gleichem Label erschien 1966 noch eine zweite Single namens „Martine“ (B-Seite „Suranaika (Ich hatte einst ein Eselchen)“. „Wo führt mein Weg mich hin, wenn ich nicht bei Dir bin, Cherie Martine“ – das war die erste Komposition Christians überhaupt – einer realen ersten unerfüllten Liebe, einer Französin eben dieses Namens,  gewidmet.

Karateschule

Nachdem die ersten musikalischen Veröffentlichungen noch nicht richtig einschlugen, gründete Christian Anders in Fürstenfeldbruck  eine Karateschule, die er selber auch geleitet hat und die so erfolgreich wurde, dass ein Umzug der Schule nach München erforderlich wurde.

Vertrag mit EMI

Christian Anders‘ damalige Verlegerin und Mentorin Ann Busse gelang der Coup, den damaligen Chef der Abteilung Tanz und Unterhaltungsmusik der EMI Electrola, Erich Offierowski, davon zu überzeugen, ihren Künstler bei dessen Plattenfirma unter Vertrag zu nehmen. Die 1968 erschienene erste Veröffentlichung dort beim Label Columbia (EMI) war der von Henry Mayer produzierte Song „Spanischer Wein“, erneut von Anders komponiert und getextet. Noch im gleichen Jahr wurde die Coverversion des Luis-Mariano-Klassikers „Mexico“ produziert. Schlagerfreunden ist die deutsche Version dieses Hits eher in der späteren Version von Dschinghis Khan ein Begriff. Der deutsche Text von „Mexiko“ stammt übrigens von Ralph Maria Siegel, dem „Senior“.

1969 Durchbruch mit „Geh nicht vorbei“ – Joachim Heiders erste Soloproduktion schlug ein

1969 kam dann nach langer Wartezeit doch noch der große Durchbruch – seine Single-Schallplatte „Geh nicht vorbei“, geschrieben und produziert von Joachim Heider mit dem Text von Joachim Relin (bürgerlich Hans Joachim Balke), wurde ein Millionenhit. Die Platte wurde mit der Goldenen Schallplatte ausgezeichnet, erreichte Platz 2 der Musikmarkt-Verkaufscharts und war auch mehrfach in Hecks damals noch junger ZDF-Hitparade vertreten. Der junge Berliner Produzent Joachim Heider hatte mit seiner ersten Solo-Produktion gewagt und gewonnen, denn der Titel war fast 6 Minuten lang und damit „eigentlich“ viel zu lang für Rundfunk-Einsätze – somit war kein Hit zu erwarten. Dennoch ging Joachim Heider volles Risiko, weil es auch für ihn um etwas ging – er wollte sich als „Allein-Produzent“ einen Namen machen. Außerdem stellte der frühere Udo-Jürgens-Manager Hans R. Beierlein in dem Zusammenhang nüchtern fest: „Die Länge ist bei einem Lied genauso wenig entscheidend wie bei einem Penis“. 

Der Mut, in Sachen Sound und Länge neue Wege zu gehen, wurde belohnt. Der Song wurde sogar in Italien in italienischer Sprache gecovert (Caterina Caselli – Morire due volte). Auf Französisch hat Christian ihn einfach gleich selber aufgenommen („Ne detourné pas ton regard“) – und das, obwohl er eigentlich selbst gar nicht von dem Song überzeugt war und erst von seiner Verlegerin Ann Busse überredet werden musste.

B-Seite getextet von Dieter Thomas Heck…

Bemerkenswert an diesem ersten Mega-Erfolg ist übrigens die B-Seite der Single („Silvia“). Die wurde nämlich von keinem andern als Dieter Thomas Heck getextet – einen nicht unerheblichen Anteil am Erfolg könnte also haben, dass der Hitparaden-Moderator auch ein eigenes Interesse am Erfolg der Single hatte und entsprechend das Lied in seiner Radio-Sendung bei der Europawelle Saar öfter mal spielte. Den Einsatz in der ZDF-Hitparade lassen wir mal außen vor, denn damit hatte Heck sicher redaktionell nix zu tun (wer würde das auch nur ansatzweise bezweifeln wollen?). – Heutzutage sind Interessenkonflikte dieser Art natürlich völlig undenkbar – man stelle sich vor, der TV-Produzent einer Sendung wäre zugleich Inhaber der Plattenfirma des singenden Moderators und hätte seinen im TV agierenden Schützling sogar noch im eigenen Management – absolut undenkbar. Aber Hecks „Silvia“ wurde damals nicht groß medial diskutiert. Heutzutage würde so etwas medial bestimmt aufgegriffen…..

Erste Goldene Europa

Der Erfolg war so groß, dass Christian der „Goldene Hund“ seiner Plattenfirma für insgesamt über 1 Mio. verkaufter Schallplatten überreicht wurde. Auch die „Goldene Europa“ der Europawelle Saar (, die damals noch einfach „Europa“ hieß), wurde ihm (damals noch im Kurhaus Wiesbaden) verliehen. Durch den Schlagererfolg wurde auch der Film auf Christian aufmerksam, er spielte in einigen der damals typischen Schlagerfilme mit, bei denen Franz Joseph Gottlieb Regie führte – so sang er „Geh nicht vorbei“ im Film „Wenn die tollen Tanten kommen“ (1970, im Sommer 1971 kam der Film in die deutschen Kinos).

Auch Folgehits zündeten.

Fortan war Anders Spezialist des traurigen, wehmütigen Liebeslieds, was er in zahlreichen TV-Shows in den 70er Jahren mehrfach unter Beweis stellte. Er verstand es, seinem Publikum nichtssagende Plattitüden mit Pathos aufzutischen. Die mit gleichem Team wie die Vorgängersingle aufgenommene Nummern „Nie mehr allein“ (1969; dafür erhielt er den „Silbernen Löwen“ von RTL) und „Du gehörst zu mir“ (1970), beide Songs beinahe noch mal ein Top-10-Hit, sind dafür ein gutes Beispiele.

Internattionale Erfolge

1970 war Anders Vertreter Deutschlands bei der Weltausstellung Expo in Osaka, 1971 beim Songfestival in Zoppot.

Extravagante Auftritte und Gründung des eigenen Verlags

In diesem Jahr (1971) veröffentlichte Anders auch seine ersten Romane „Gobbo und der Teufel singt sein Lied“ und „Blutschrei“, denen zahlreiche weitere Buch-Veröffentlichungen folgen sollten. Gleichzeitig gründete Christian Anders seinen eigenen Musikverlag „Chranders“, um (Zitat) folgendes zu tun: „Ich mache nur noch das, was mir Spaß macht. Was die anderen sagen, kümmert mich nicht“. Den Worten lässt der Sänger Taten folgen, indem er z. B. „Musik aus Studio B.“-Moderator Henning Venske im Studio stehen lässt, als dieser ihn darauf ansprach, dass sein Song „In den Augen er ander’n“ dem Paul-Anka-Klassiker „Lonely Boy“ sehr ähnlich sei oder Auftritte wie den beim Presseball am Starnberger See einfach platzen lässt.

Zwei weitere Heider/Relin-Songs brachte Christian Anders in der ersten Jahreshälfte des Jahres 1971 heraus, die beide zwar in der ZDF-Hitparade präsentiert wurden, sich dort aber nicht platzieren konnten, aber kommerziell dennoch recht erfolgreich waren: „Dich will ich lieben“ und „Ich lass‘ Dich nicht gehen“. Ebenfalls kein berauschender Erfolg war Christians damalige Aktivität als Filmschauspieler. Zusammen mit u. a. Uschi Glas spielte er im Streifen „Wir hau’n den Hauswirt in die Pfanne“ mit überschaubarem Erfolg mit. Dennoch war es ein für Christian spannendes Projekt, weil er damals auch für die Filmmusik zuständig war.

Danach erhielt er die Chance, mal wieder eine Eigenkomposition aufzunehmen, was recht gut gelang: Joachim Heider produzierte den von Fred Jay getexteten Song „Das schönste Mädchen, das es gibt“ – und zeigte damit, dass Schlagertexte manchmal zum Nachdenken anregen können: „Manchmal trifft man ein Mädchen, das schüchtern und etwas naiv ist – sie schaut in den Spiegel und glaub, dass sie nicht attraktiv ist – aber dann findet man(n) – auf das Engelsgesicht kommt es gar nicht an – und es zählt auch nicht nur ihre Traumfigur“. Wie genau das zu verstehen ist, da bleibt sicher Interpretationsspielraum. Nehmen wir Christian Anders einfach mal das Plädoyer für weniger Oberflächlichkeit und mehr charakterliche Tiefe ab. Kritiker werfen Anders allerdings vor, mit diesem Lied etwas das Tony Marshall / Chris Roberts-Terrain betreten zu haben (den Eindruck hatte ich übrigens auch bei seiner „Mexiko“-Single) und kurz von seinem eher rebellischen Ansatz abgewichen zu sein. – Interessant ist übrigens auch die B-Seite der Single: Der Heider/Relin Song „Maria Lorena“ ist erneut ein episches Lied der Marke „Geh nicht vorbei“ – diesmal wurde die 6-Minuten-Marke sogar geknackt – vielleicht war der Song deshalb auch nicht die A-Seite der Single.

Nummer-1-Hit

Auch die nächste Single komponierte Christian Anders selber, den Text schrieb Fred Jay – es wurde DER Hit seines Lebens: „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ – bis heute ist das nicht nur ein absoluter Evergreen, sondern auch inzwischen ein geflügeltes Wort geworden, wenn die Bahn mal wieder streikt. Worin es in dem Song eigentlich geht – da ist die Fantasie des Zuhörers gefragt: „Und wenn die Tür sich schließt – was dann?“. Mit der ersten von ihm selber auch produzierten Single hatte Christian Anders also gleich einen Riesen-Hit gelandet, sehr zum Verdruss seines bisherigen Produzenten Joachim Heider. Die BRAVO freute sich in Ausgabe 9/1972, dass Christian den Song bei der Musikmesse Cannes in elf Länder verkaufen konnte. Kurz darauf gab es eine mittelprächtige Kurzkritik mit zwei von drei Sternen in Deutschlands Jugendmagazin Nummer Eins:

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In einem Forum äußert sich User „Goodold70s“ zum Text wie folgt: „Die intellektuellen Qualitäten des Werks kommen in der Textanalyse deutlich zu Tage: Die metaphorische Feststellung, dass sich die Eisenbahn, welche am Vortag noch gar nicht existent war, mit einem exklusiven Passagier an Bord ins Nirgendwo verabschiedet, öffnet Raum für Interpretationen. Ergreift der Bahnkunde die Flucht? Weshalb, wenn der Abschied von Maria offenbar so hart war? Wieso fährt Maria nicht mit? Im Songverlauf wird deutlich, dass Maria – trotz einer Träne in ihrem Blick – die Initiantin der Zugfahrt war. Die Ernsthaftigkeit in der Christian Anders seine bizarren Songs performte, verdienen definitiv den Status „Kult“.“

 

Der Erfolg war so groß (Nummer 1 der deutschen Verkaufs-Charts, Nummer 1 der ZDF-Hitparade), dass Christian den Song auch in anderen Sprachen aufnahm („Train To Nowhere Land“, „El Tren de Ninguna Parte“). Jahre später lieferte Guildo Horn eine sehr eigenwillige Version des Hits: „There Goes A Train“ – eine „Schwarzfahrerballade“. Der Song bietet wirklich sehr viel Möglichkeiten für eigene Interpretationsspielräume, wie man den Text auffasst. Für den Titel wurde Christian der Bronzene Löwe von Radio Luxemburg überreicht.

Leben in Saus und Braus

Spätestens nach diesem Riesen-Hit konnte Christian Anders seine Eigenarten ausleben, zu denen neben der Auswahl seiner Autos (er fuhr einen Rolls Royce und leistete sich einen Chauffeur) und seiner Kleidung (er trug gerne Pelzmäntel) auch seine ganz eigene Methode gehörte, seine Finger-Muskulatur zu stärken: Er trug stets eine massiv goldene Kugel im Wert von damals ca. 40.000 DM bei sich. „Passend zu dieser Kugel“ gönnte sich der unorthodoxe Star einen goldenen Rolls Roye als Auto.

Folgesingle auf eigenem Label holt Silbernen RTL-Löwen

Auch die Nachfolgesingle des „Zuges“ wurde ein veritabler Hit – erneut getextet von Fred Jay schrieb Anders sich den Song „Sechs Uhr früh in den Straßen“-  die überdurchschnittlich gute Produktion mit mystischem Text und einem schön arrangierten Intro schaffte es in die Top 15 der Verkaufscharts, erhielt den Silbernen Löwen von RTL und war drei mal in der ZDF-Hitparade vertreten. Die Single war übrigens die erste Scheibe, die unter dem eigenen Plattenlabel, „Chranders Records“ (im Vertrieb der EMI), veröffentlicht wurde.

Auch hier liefert „GoodOld70s“ eine knackige Zusammenfassung des Werkes: „Die depressive Aura des im Morgengrauen in den Straßen herumirrenden Mannes, dem in der vorangehenden Nacht von der Geliebten die auf keinerlei Verständnis stoßende Beziehungskündigung ausgehändigt wurde, zeichnet sich durch kultige Choräle, engagierte Glockenschläge und georgelte Übergänge zwischen den unterschiedlich tempierten Songteilen aus. Ein dramatisches Werk, welches beispielhaft die tendenziell bizarre Sonderstellung von Christian Anders in der deutschen Schlagerszene der Siebzigerjahre illustriert.“

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Wenngleich Christian Anders im „TOP-Schlagertextheft“ angab, keine Hobbys zu haben, war die Musik schon seine Passion – auch als Musik-Theoretiker hat er Talent, so ist er in der Lage, seine Lieder in Arrangements auch zu notieren. Wohl auch deshalb hat er 1972 das Bedürfnis gehabt, eine Instrumental-LP zu produzieren („Einsamer Sonntag“ – Christian Anders spielt Christian Anders).

Zeitgeschichte im Schlager

Knapp an einem Top-10-Hit vorbei schrammte Anders 1973 mit seinem nächsten Hit, den er erneut gemeinsam mit Fred Jay schrieb. In „in den Augen der ander’n“ geht es um das in den 70er Jahren noch aktuelle Thema „Beziehung ohne Trauschein“, das ja immer mal wieder gerne genommen war in jener Zeit („Weil wir als Paar zusammen leben und noch immer ohne Trauschein sind, Udo Jürgens in „Ein ehrenwertes Haus“). Auch in diesem Song (erneut 3-mal in der ZDF-Hitparade dabei) spielte Anders seinen großen Trumpf aus, mit großem Pathos solche Texte zu interpretieren. Auch diesen Schlager hat Anders in englischer Version veröffentlicht („It’s Out Of My Hands“).

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Interessanterweise konstatiert Anders „So viele haben Küsse bei heißer Musik mit Liebe verwechselt – solche „Verwechslungen“ sind Christian Anders lt. eigener Aussage wohl mindestens 2.000 mal passiert – hä ähem..

 

Am 14. April 1973 präsentierte Anders seinen Schlager übrigens letztmals in der ZDF-Hitparade. An genau dem Tag trat dort auch Stephan Bergen auf, der dort seinen Song „Boutique für schöne Mädchen“ vorstellte, der von Christian Anders komponiert wurde (Text: Fred Jay). Überhaupt komponierte der Sänger manchmal auch für andere Interpreten (z. B. für Peter Graf. Nein, damit ist nicht Steffis Papa gemeint, sondern „Peter Kent“, der bürgerlich Peter Hedrich heißt (Song „Am Anfang war die Liebe“) – diese Titel waren aber nicht von größerem Erfolg gekrönt.

Mit Fred Jay wurde das bestehende Erfolgsrezept weiterverfolgt: „Das Schiff der großen Illusionen“ stach in See, über fünf Minuten geht es erneut um Illusionen, Gefühle, Einsamkeit und alle Vokabeln, die Anders-Fans in jenen Jahren liebten. Die Belohnung war ein weiterer solider Top-15-Hit.

Legendär: Taro Torsay

In dieser Zeit veröffentlichte Anders eine viel beachtete, später sogar zum Kult erhobene, LP namens „Der Untergang von Taro Torsay“. Mit dieser 24 Songs enthaltenden Doppel-LP erfüllte er sich den Wunsch, ein Album mit durchlaufender Handlung herauszubringen. Eingespielt wurde das 110.000-DM-Projekt in Berlin mit 100 Musikern der Berliner Philharmoniker und der Streichergruppe Hans-Georg Arlt.

Der von Friedrich Schütter gesprochene Prolog umschreibt die Handlung dieser Konzept-LP: „Er wuchs auf in den Elendsvierteln von Chicago und wurde reich und berühmt – ein Star. Aber sein Leben blieb leer und sinnlos, denn es war ohne Liebe“ – LP-Held Taro Torsay war ein vom Automatenknacker zum Boss einer Gang „aufgestiegene“ Star, der dem Gangstermädchen Jane zum Start in eine Sängerinnen-Karriere verhalf. – Das Konzept dieser LP überzeugte RTL-Programmdirektor Frank Elstner so sehr, dass er ihr zu einer einstündigen Sondersendung in seinem Programm verhalf. Beworben wurde die LP wie folgt: „Erleben Sie die harte, unerbittliche Welt des Showbusiness‘. In diesem Hexenkessel der Intrigen, der Supertalente und der Nichtskönner, im Inferno der Leidenschaften steht ein Mann. Taro Torsay. Er kämpft sich nach oben, wird ein Star und doch sucht er nur eines, die Liebe. Wird er sie je finden?“ – Das klingt fast, als hätte es autobiografische Züge…

Textzeilen wie „Oh Baby tu es doch, mir ist danach zumut‘“ inspirierten niemand geringeren als Quatsch-Comedy-Club-Moderator und ESC-Experten Thomas Hermanns dazu, aus diesem Konzept ein „Trashical“ 1993 das Album im Vollplayback recht erfolgreich auf die Bühne zu bringen. 2006 wurde das Trashical erneut in Berlin aufgeführt.

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Mit bewährtem Team ging es auch 1974 weiter – auch die Strickart der Produktionen blieb bestehen – Texte mit viel Pathos zu einem ausgefeilten Arrangement – das findet man erneut in dem Schlager „Einsamkeit hat viele Namen“. Besonders hervorhebenswert ist, dass Anders das Wort „Lichtreklamen“ im Schlager salonfähig gemacht hat (selbst Udo Jürgens‘ „neonhelles Treppenhaus“ war später) – erneut ein Top-15-Hit, für den Christian erneut den Silbernen Löwen von RTL in Empfang nehmen durfte.

Irre Interpretation des Liedes „Einsamkeit hat viele Namen“

An dieser Stelle sei ein kleiner Exkurs gestattet, weil Schlagerexperte Rainer Moritz eine gewagte, aber interessante These aufstellte: „Anders‘ große Hits fallen genau in die fünf Jahre Brandtscher Kanzlerschaft: 1969 der erste Erfolg mit Geh nicht vorbei, 1974 der letzte mit Einsamkeit hat viele Namen – allein die Titel lassen sich als Symbole des sozialliberalen Auf- und Abstiegs deuten“.

Schade, dass man Fred Jay nicht mehr fragen kann, aber Moritz‘ Interpretation des „Einsamkeit“-Liedes ist schon zu herrlich, als dass man sie hier nicht zitieren sollte: „Die Einsamkeit, die viele Namen trägt, ist sie nicht die Einsamkeit des Willy Brandt, der – was der Schlager natürlich zu verhüllen hat –von einem sehr konkreten Namen, Günter Guillaume, in die Einsamkeit der Nicht-Kanzlerschaft gestoßen wurde? .. Unverkennbar legt der Schlager, verkleidet als tragisches Liebeslied, den Finger in die Wunde des Kanzlerabgangs“.

Einmal in Wallung, erklärt uns Rainer Moritz auch, was hinter dem „Zug nach Nirgendwo“ steckt, nämlich Folgendes: „Und wer denkt beim Hören von Christian Anders‘ Es fährt ein Zug nach Nirgendwo nicht an Rainer Barzel und sein kläglich gescheitertes Misstrauensvotum von 1972? Der Zug ohne Ziel, „Mit mir allein als Passagier“ – man sieht den einsamen Kandidaten Barzel durch die kalten Hallen des Bundestags irren… Man denkt an Filmszenen: die rasende Schussfahrt ins Nichts, die zurückbleibenden verzweifelten Menschen (hier: die CDU-Bundestagsabgeordneten, die sich schon auf der Ministerbank sahen), die keine Möglichkeit haben, eine Weiche umzulegen („niemand stellt von rot auf grün das Licht“)“ – endlich habe ich diesen hoch politischen Titel verstanden – wow!

Der Verkaufserfolg der nächsten Single, „Ich leb nur für Dich allein“, war nicht mehr ganz so groß wie der seiner Vorgänger – vielleicht ist das auch dem Umstand geschuldet, dass der Song nicht in der ZDF-Hitparade vorgestellt wurde – dennoch kam auch „Ich leb‘ nur für Dich allein“ 1974 in die Top-30 der Verkaufscharts. Das Lied war übrigens die letzte Single-A-Seite, die Fred Jay für Christian textete.

Gefloppte Konzert-Tour

In jenem Jahr startete Christian Anders eine Tournée, die mangels Erfolgs vorzeitig abgebrochen werden musste. Der Veranstalter, die Konzertdirektion Weht, ging an dieser 60-Tage-Tour Pleite, weil sie die Hallen nicht voll bekam. Obwohl er schon nach 30 Konzerttagen seinen Konkurs anmeldete, bestand Anders zum Leidwesen des Veranstalters Wehts, der deshalb angeblich sogar ein Reihenhaus verkaufen musste, darauf, bis zum 51. Konzerttermin durchzuspielen.

Zu dieser Zeit begann eine Liaison mit Dunja Rajter, die einherging mit dem Suizid seiner langjährigen Verlegerin und Mentorin Ann Busse – gerüchteweise wurden seinerzeit sogar kausale Zusammenhänge vermutet.

Goldene Distel und Goldene Schnecke

Zu allem Überfluss bekam Christian Anders 1974 von einer Fachjury die „Goldene Distel“ für „Arroganz, Widerspenstigkeit, Starallüren und Sich-selber-zu-wichtig-nehmen“ am 28.11.74 überreicht. Augenzeugen hatten den Eindruck, dass Anders den Preis nicht ohne Stolz in Berlin entgegennahm – sicher auch wegen seiner Äußerung: „Ich werde Sie auch im kommenden Jahr nicht enttäuschen“. – Es zeugt von Mut, so einen Preis überhaupt anzunehmen und durchaus von selbstironischem Humor, das so zu kommentieren – Respekt, Herr Anders!

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Umgekehrt verlieh Anders in dem Jahr seinen Studiomusikern „Goldene Chranders-Schnecken“(Markenzeichen seines Verlages) für deren Verdienste um seine Produktionen und für zwei Millionen verkaufte Anders-Schallplatten zwischen Mai 1972 und Mai 1974. ER wusste damals, wie wichtig es ist, ein gutes Team um sich zu haben. Heutzutage sollen ja Awards für die verliehen werden, die irgendeinen Namen haben und die, die kompetent arbeiten, aber medial im Hintergrund agieren, gehen leer aus – diese zum heutigen Zeitgeist passende Vorgehensweise hat Anders zum Glück damals nicht so gehandhabt und verdiente Mitarbeiter ausgezeichnet. Auch hier war und ist er eben „anders“.

All diese Umstände sind nicht gerade die besten Voraussetzungen für einen Hit – dennoch gelang es Christian Anders auch 1975 erneut, seinen Song „Wer liebt, hat keine Wahl“ für insgesamt fünf Wochen in die Verkaufshitparaden zu katapultieren. Nach dem Chart-Entry am 30.12.1974 brauchte es allerdings eine gewisse „Anlauf-Zeit“, bis am 05.02.1975 der Song erneut als Re-Entry die damaligen Verkaufshitparaden stürmen konnte. Bemerkenswert ist, dass dieser Song von Christian auch selber getextet wurde. Das Lied kam übrigens auch in Spanien sehr gut an – Pablo Amor erzielte 1976 mit seiner spanischen Version „Amor, abrazame“ einen großen Hit.

Mike Krüger persifliert Christian Anders

Die Straße der Sehnsucht ist endlos und weit – und manchmal, da führt sie ins Glück“ – an Christian Anders, der diese Zeilen in seinem Lied „Wenn die Liebe Dich vergisst“ untergebracht hat, ist schon ein Lyriker verlorengegangen. Ein Gradmesser für Erfolg ist bekanntlich, ob man parodiert wird – offensichtlich war Anders 1975 auf dem Zenit seines Erfolgs, denn dieser Song wurde von Mike Krüger in dessen unnachahmlicher Art persifliert – da muss man erst mal drauf kommen: „Wenn Du Klopapier vergisst“. – Schade, damit ist der schöne Pathos des Liedes buchstäblich im A…llerwertesten.

Mit der letzten Single des Jahres 1975 – wieder von Anders produziert und selbst geschrieben, gelang ihm ein Top-20-Hit. „Der letzte Tanz“ war wieder sehr pathetisch – in dem Lied ging es darum, dass ein junger Mann seine gerade erst eroberte neue „Flamme“ tragisch dadurch verliert, dass diese bei einem Autounfall stirbt. So viel Pathos musste belohnt werden – wieder mal fand sich Christian Anders in der Top-20-Betsellerliste wieder.

Der Hit zum Roman: Der Brief

Anfang 1976 schrieb Anders sich nicht nur den Text zu seiner Single selber, sondern brachte zum gleichen Thema einen Roman heraus, der auch als Fortsetzungsroman im Teenie-Blatt „BRAVO“ veröffentlicht wurde: „Der Brief“. Lied und Roman handeln von einem jungen Mädchen, das von zu Hause durchbrennt nach Italien, weil die Mutter es nicht versteht. Bereits vor seinem Ruhm als Schlagersänger hatte Christian übrigens bereits Fortsetzungsromane für Zeitschriften verfasst, z. B. einen über „Jugendrichterin Eva“. – Das Marketing-Konzept ging voll auf – 3 mal ZDF Hitparade und haarscharf an einem Top-10-Hit vorbei, das war die Verkaufsbilanz dieses Titels. Das Buch stellte der Sänger 1976 sogar bei der Frankfurter Buchmesse vor.

Im Herbst erschien dann eine LP, deren Titelsong auch auf Single ausgekoppelt wurde: „Nur mit Dir will ich leben“. Spannend an der LP ist, dass das Titelfoto von niemand geringerem als Sean Connery geschossen wurde, der damals im spanischen Marbella nachbarschaftlich-freundschaftliche Beziehungen mit Christian Anders pflegte. Präsentiert wurde die LP bei einer Veranstaltung des Süddeutschen Rundfunks namens „Musikmarkt“, moderiert von Susanne Eick und Rainer Nitschke – man fuhr also schon einen großen Bahnhof auf. Genutzt hat es wenig – weder Single noch LP kamen in die Charts.

Thema Suizid im Schlager

In „Tu’s nicht, Jenny“ aus dem Jahr 1977 schildert Christian Anders die Suizid-Absicht eines Mädchens, die von ihrem Freund betrogen wurde und nicht mehr leben wollte. Selbstlos hat er ihr das Leben gerettet – im Happy End kommt Jenny wieder mit ihrem Freund zusammen, der künftige Treue gelobt. Kommerziell genutzt hat’s allerdings nix…

Mit der nächsten Single wurde wieder großes Kino aufgefahren: In „Denn ich liebe Dich so sehr“ geht es um die auf Dauer unerfüllte Liebe eines Mannes zu einer verheirateten Frau. Es reichte für eine Top-40-Platzierung.

Großes Kino: Malibu-Sinfonie

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Kurze Zeit später erschien eine gleichnamige LP mit dem Untertitel „7 Songs und eine Sinfonie“. Die „Sinfonie“ nahm Anders am 21. April 1977 im Rhenus-Tonstudio in Godorf bei Köln auf – er nannte sie „Malibu“, benannt nach Sean Connerys Haus an der spanischen Sonnenküste,  und verpflichtete 50 Studiomusiker zur Realisierung des Projekts. Die Komposition erlebte am Pfingstmontag 1977 ihre Rundfunkpremiere im „Showfenster“ der Europawelle Saar.

Zeit-Kritiker Heinz-Josef Herbort schrieb zu der Aufnahme: „Und so bleibt nur die Frage, was denn eigentlich erschreckender sei: die Selbstverleugnung von Musikern, die (wenn auch feixend, wie das Plattencover zeigt) für ein Honorar sogar dies zu spielen bereit sind – oder der Masochismus einer Firma, die ihr Label dafür bereitstellen mag.“. Dem ist wohl nichts hinzuzufügen…

Gemeinsam mit Peter Power und dem Bläck-Fööss-Produzenten Werner Dies schrieb Christian Anders den Song „Love Dreamer“, der nur knapp die Top-20 der Verkaufscharts verpasste. Melancholisch blickt Anders auf seine Jugendliebe zurück, eine kurze Liebe mit der Tochter eines Zirkusclowns, die er „Love Dreamer“ nannte, weil er ihren Namen nicht kannte.

Im März 1978 ging es dann auf eine Kurztournee – gemeinsam mit „Anita und Wendy and her friends“. Im Gepäck hatte Christian Anders seinen gemeinsam mit seinem Kumpel Michael Holm geschriebenen Sommer-Schlager „Am Strand von Las Chapas“ – in die Charts ging es damit allerdings nicht, obwohl auf der B-Seite der Song in englischer Sprache zu hören ist.

Letzer Charts-Hit: „Verliebt in den Lehrer“

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Zum Jahresausklang erzählte Christian Anders die Geschichte von Mary-Lorraine (, die vielleicht von ihrem Lehrer schwanger wurde und ein paar Jahre später zu „Mama Lorraine“ mutierte – aber das ist nur meine persönliche Vermutung…), deren schulische Leistungen sich auf einen Schlag verbesserten. Die Erklärung dafür ist einfach: Sie war eben „Verliebt in den Lehrer“. Allein für das Cover der Single sollte dem Sänger ein Preis verliehen werden – mit stolz geschwellter nackter(!) Brust ist er da zu sehen – in der einen Hand „Bello“, einen Hund – in der anderen Hand die Gitarre – Respekt!… – Das sehr kommerzielle, für Christian Anders eher untypische Arrangement setzte sich durch – mit dem Lied kam Christian bis heute letztmals in die Verkaufs-Charts. Es war sein 19. Und bislang letzter Charts-Erfolg, der viele Jahre später von Dieter Thomas Kuhn noch einmal neu aufgenommen wurde.

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Laut eigener Aussage hat er den Satz mindestens zu 2.000 verschiedenen Frauen gesagt: „Lass es uns tun!“ – und oft genug haben die Damen ihn erhört. Die damaligen Konsumenten sagten eher „no“ – der Titel konnte sich nicht durchsetzen.

Ehemalige Förderin Ann Busse begeht Selbstmord

Am 14.09.1978 erreichte Christian Anders eine nachhaltige Hiobsbotschaft: Seine langjährige Mentorin, Verlegerin und Förderin Ann Busse hatte sich das Leben genommen. Angeblich hatte ihr Christians Liaison mit Dunja Rajter sehr zugesetzt – den Rest hat ihr eine Talkshow gegeben, in der Dunja und Christian über ihre Liebe sprachen. Das ganze ist um so tragischer, als auch Ann Busses früherer Ehemann, Christians erster Verleger, 1968 ebenfalls durch Suizid ums Leben kam.

Film „Die Brut des Bösen“

1979 tat Christian Anders dann wieder etwas anderes – er drehte einen Film namens „Die Brut des Bösen“. Wenngleich das Epos beim Filmfestival in Cannes von kritischen Fachjournalisten hervorragend besprochen wurde, so entpuppte er sich eher als Flop. Christian Anders als zorniger, aber gerechter Kung-Fu-Fighter – das nahm man ihm dann wohl doch nicht wirklich ab, obwohl er Träger des schwarzen Gürtels ist und im Film keine Stuntmänner benötigte. Der Musikmarkt orakelte: „Mit Sicherheit wird sich dieser Film auch auf seine Plattenumsätze auswirken“ und sollte Recht behalten – aber nicht in dem Sinne, wie es wohl eigentlich gemeint war…

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Musikalisch ging Anders damals keine neuen Wege, allerdings begann sich anzudeuten, dass er einige Jahre später der Esoterik zugeneigt sein würde: „Love – das ist die Antwort“, so nannte er seine 1979er Schallplatte, auf der auch der Soundtrack zu seinem „Brut des Bösen“-Film zu hören war. Der Titelsong wurde auf Single ausgekoppelt.

Parallel erschien – quasi als Soundtrack zum Film „Die Brut des Bösen“ eine englischsprachige Single: „Dead End“. Auch wenn in der Zeitschrift „Film-Sonderdienst“ damals stand: „Die Besucherzahlen des seit zwei Monaten laufenden Films können sich sehen lassen – trotz stärkster Konkurrenz, und obwohl es sich bei diesem Film um Christians Einstieg handelt“, findet das Lexikon des internationalen Films harsche Worte: „Dilettantischer Versuch einer europäischen Kopie fernöstlicher Kinomuster“. —

Kurz darauf ging der Künstler mit der Begleitband „Nightfever“ auf Deutschland-Tournee und gastierte dabei in großen Arenen wie dem „Festzelt des Schützenvereins“ Waldbröl und der „Jahnhalle“ in Gaggenau. Manager Dieter Behlinda legte wohl großen Wert darauf, dass diesmal nicht zu große Hallen gebucht werden würden, was gelang – Anders sang vor gut gefüllten Häusern und erhielt positive Kritiken.

Dauerbrenner „Ruby“

Anfang der 80er Jahre trat Anders mit seinem romantischen Schmachtfetzer  „Ruby“ in der ZDF-Hitparade auf, konnte sich mit dem Titel zwar nicht platzieren, brachte sich in Berlin aber wieder in Erinnerung. Der Titel wurde übrigens von niemand geringerem als Peter Wagner, der später langjähriger Udo-Jürgens-Produzent wurde, coproduziert. Als weiterer Produzent dieser Scheibe fungierte Christian Bensch, der auch selber als Sänger in Erscheinung trat, u. a.  unter dem Namen Tom Forster.

Nächster Film: „Love Camp“

1980 drehte Christian Anders erneut einen Film – „Love Camp“ wurde in englischer Sprache gedreht, Anders war wieder Hauptdarsteller (in der deutschen Version des Films wurde er allerdings von Heiner Lauterbach synchronisiert), Drehbuchautor und Soundtrack-Komponist in Personalunion. Seine in Eigenregie produzierte Single „Will ich zu viel (, wenn ich Dich will)“ war die deutsche Originalversion der englischen Titelmelodie („Love Love Love“) des Films. Bemerkenswert ist auch der deutsche Titel, unter dem der Film ins Kino kam: „Die Todesgöttin des Liebescamps“. Anerkennend stellt das Lexikon des internationalen Films dazu fest: „ein unfreiwillig komischer Film mit peinlichen Elementen“.

Spannend: Mit der B-Seite der letzten deutschsprachigen Chranders-Single („Sag ihr, dass ich sie liebe“) trat Christian Anders auch letztmals in der ZDF-Hitparade auf, so dass er in Berlin nur mit seinen EMI-Electrola-Singles zu Gast war.

Wechsel zu Intercord

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Ende 1980 war die Zeit bei EMI Electrola nach ca. 12 Jahren beendet, auch das Thema des eigenen Plattenlabels „Chranders Records“ war damit Geschichte – Christian wechselte zur Stuttgarter Plattenfirma Intercord, bei der er einen Drei-Jahres-Vertrag unterzeichnete. Nach wie vor schrieb Anders seine Songs selber, Premiere-Song der ersten Single bei Intercord war „Gebrochenes Juwel“.

Die nächsten Singles liefen eher unter „ferner liefen“ – die Neue deutsche Welle hat auch Christian Anders kalt erwischt. Produziert wurden die Singles „Was wird nach dieser Nacht?“ (1981), „Jenny, komm heim“ (1982), das rockige „Zusammen  sind wir stark“ (1982) und „Wie leb‘ ich ohne Dich“ (1982).

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Die nächste 1983 erschienene Single war zum Zeitpunkt des Erscheinens auch eher uninteressant für das Publikum, etablierte sich aber in jüngster Zeit durchaus wieder als so etwas wie ein Dauerbrenner, der von Discotheken-Besuchern gerne gehört wird: „Gespensterstadt“. Mit „Ciao Amore Ciao“ endete die Intercord-Zeit 1984 unspektakulär.

Eine für 1983 angesetzte Deutschland-Tournee – finanziert von Steueranwalt Günther Koch aus Saarlouis – entwickelte sich leider auch als Reinfall.

1985 war Anders für ein Jahr bei der Metronome. Gleich die erste dort erschienene Single ist ein weiter „heimlicher Evergreen“, der ebenfalls jüngst neu aufgelegt wurde: „Hinter verschlossenen Türen“. In dem Song greift Anders den beliebten Gedankengang von Heino im „blauen Enzian auf“: „In der vierten Hütte hab ich sie geküsst – keiner weiß, was dann geschehen ist“. Außer dem Kabarettisten Wolfgang Trepper weiß das bis heute niemand. Allerdings machte Anders mit seinem Song zunächst eine kleine Andeutung („was uns beide verbindet, das ist schön und geheim“), um zum Lied-Ende in die Vollen zu gehen: „..und ich vergess mich mit Dir – hinter verschlossener Tür“ – diese Zeile spricht für Treppers Hypothese, was Heino denn in der vierten Hütte mit dem Schweizer Madl „hinter verschlossenen Türen“ so trieb…

Der von Norbert Hammerschmidt getextete Song „Wie vom Winde verweht“ markierte dann schon wieder das Ende der Metronome-Ära.

Musical-Autor

Mit ausbleibendem Erfolg besann sich Christian Anders auf ein Musical, das er einst auf Marbella geschrieben hatte, mit dem er seiner Zeit wohl etwas voraus war – das Musical um eine Ost-West-Liebesgeschichte hieß „Die Mauer“. Anders lernte den Berliner Unternehmer Jürgen Pristat kennen und konnte ihn 1986 überzeugen, den Titelsong über seinen Verlag mit dem sinnigen Namen Paymaster zu veröffentlichen. Nachdem die zweite dort veröffentlichte Single, „Liebe fragt nicht“, nicht einschlug, wurde diese Kooperation wieder eingestellt.

Übersiedlung in die USA

Nach ausbleibendem Erfolg verkaufte Christian Anders 1987 seinen Musikverlag und siedelte für sechs Jahre in die USA über, wo er sich hauptsächlich der Esoterik widmete und auch zwischenzeitlich einen neuen Namen annahm („Lanoo“). Der Musik blieb er aber auch in jener Zeit treu, so veröffentlichte er 1991 den Tonträger „Lanoo – Alive In America“.

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1993 kehrte er nach Deutschland zurück, was von einigen TV-Auftritten wie z. B. der Heino-Show und insbesondere der Heck-Sendung „Musik wird in der Luft“ begleitet wurde. Gemeinsam mit Peter Orloff produzierte er 1994 die in dessen Studio in Overrath bei Köln produzierte CD „Eine Legende kehrt zurück“ mit Songs wie „Triff mich in der ander’n Welt“, der deutschen Version eines seiner Esoterik-Lieder,  und Neuaufnahmen seiner alten Titel, deren Original-Rechte ja bei EMI-Electrola lagen. Parallel wurde die erste Deutschland-Tournee seit über 10 Jahren organisiert, inclusive zweier Auftritte auf Mallorca.

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Weiterhin USA-Aufenthalt

Während der nächsten Jahre bis zur Jahrtausendwende lebte Christian hauptsächlich wieder in den USA, in regelmäßigen Abständen trat er aber auch in Deutschland in kleinem Rahmen auf – meist versäumte er dabei nicht, stets zu betonen, dass er ja künftig nur noch im esoterischen Bereich als „Lanoo“ unterwegs sein wolle und er nur noch Abschiedsvorstellungen als Christian Anders geben wolle. Beispielsweise absolvierte er im Frühjahr 1997 eine kleine Discotheken-Tour und im August 1997 eine kleine Bädertour gemeinsam mit anderen Schlagerkollegen, die recht gut verlaufen war.

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Wieder auf Tour

Auch 1998 ging Anders auf Tour mit Kollegen. Gemeinsam u. a. mit Vicky Leandros und Karel Gott lautete das Motto: „Die große Schlagernacht“. Im gleichen Jahr trat Anders in der Kölner Discothek „Gloria“ auf. Wenngleich nur recht wenige Zuschauer da waren, wurde es doch ein wichtiger Auftritt für den Künstler, weil Hitparadenmoderator Uwe Hübner vor Ort war, der schon für die 2000er-Hitparaden-Tour erste Pläne schmiedete. Tatsächlich gelang es Anders‘ Umfeld, ihn bei der großen Tour als Künstler zu lancieren, obwohl er nach 1981 nie in der Schlager-Show mit einem aktuellen Lied vertreten war.

Zur Vorbereitung der Tour nahm Anders einen Song auf, der ihm am Herzen lag, den er bereits 1991 geschrieben hatte: „Deva“. Tatsächlich wurde das Lied 2000 (Untertitel: „Die Botschaft eines Engles) veröffentlicht. Der Song floppte nicht nur total – er kam auch bei der Hitparaden-Tour zunächst gar nicht an. Anders hatte die „originelle“ Idee, als Engel beim Vortrag des Liedes zu schweben – diese Idee passte nicht zur Zielgruppe des Publikums, die vermutlich lieber die alten Evergreens Christian Anders‘ hören wollten. Bei der Premiere wurde Anders noch ausgebuht, im weiteren Verlauf der Tour wurden die Reaktionen dann freundlicher – der Song wurde aber eher als eigenironischer Lach-Song aufgefasst, obwohl er ursprünglich ganz anders (eher im esoterischen Sinne) gemeint war.

Kooperation mit Christian Bruhn

Parallel wurde für die Tour eine Komposition von Christian Bruhn („Kapitän Kapitän“) produziert, die schon eher an Anders‘ alte Schlagererfolge erinnerte. Eine geplante gemeinsame CD-Veröffentlichung mit Bruhn wurde allerdings nicht realisiert.

Stattdessen schloss sich Christian Anders einer kleinen Plattenfirma an (P&P im Vertrieb von Koch Records). Die 2001 produzierte CD „Ich lebe gern“ wurde insgesamt 500 mal verkauft – war also ein „Reinfall“. Geplant war seinerzeit, eine deutsche Version des Welthits „Join Me“ von HIM einzuspielen – das Projekt scheiterte allerdings daran, dass die Produzenten Peter Becker und Paul Lorenz die neuen Stücke selber schreiben wollten – wohl eine verpasste Chance.

Als Reaktion auf den 11. September 2001 – das Unglück hat Anders lt. eigener Aussage in einem Buch prophezeit – schrieb er den Song „Der Tag, an dem die Erde stillstand“. Diese 2002 veröffentlichte Single hatte letztlich aber nicht die politischen Geschehnisse zum Inhalt, es ging darin vielmehr um den Verlust einer Liebe. In einer Version sang er den Song mit seiner damaligen Freundin Jenna Kartes, die er (so stand es allen Ernstes in den Zeitungen) „verkaufen“ wollte.

2003 veröffentlichte der Künstler eine CD mit neuen Liedern, die recht billig produziert waren. Die ausgekoppelte Single „Melissa“ blieb weithin unbeachtet, allerdings wurde ihm im dem Jahr der Award „NDS Hitgold“ für sein Lebenswerk überreicht. Für „Melissa“ stand ihm das Top-Produzententeam „K.C. and Cobra“ (Kai Scharapenko und Christoph Seipel), die ansonsten mit Frank Farian zusammen arbeiteten, zur Seite.

Schon 2004 gab es das Thema „deutschsprachige Musik im Radio“. Schon damals gab es dazu ein interessantes Statement des Künstlers: „Wir müssen mehr deutsche Songs und vor allem mehr Christian Anders spielen“. – Ja, er war schon immer die Bescheidenheit in Person.

2005 „Burgkönig“

2005 wurde Christian Anders wieder einem größeren Publikum präsent, er nahm an der Pro 7-Show „Die Burg“ teil und wurde prompt „Burgkönig“. In diesem Jahr ging es medial für den Sänger bergauf, so erschien auch eine neue CD bei White Records. Auf Jack Whites Plattenlabel erschien die von den angesagten Schlagerproduzenten Peter Power und Ully Jonas produzierte CD „Explosive Leidenschaft“, die erste dort produzierte Single war „Liebe hat viele Namen“, später wurde auch der bezeichnende Titel „Heiliger und Sünder“ ausgekoppelt.

Im gleichen Jahr widmete er sich wieder der Esoterik. Seine CD „Mantra“ erschien auf Deutschlands größtem Esoterik Label „Neptun“. In dem Zusammenhang erschien auch das Lied „Ich hab mein Jesus so lieb“ (das ist jetzt KEIN Scherz!) :-).

2007 konnte auch Jesus nicht verhindern, dass Anders mit der Finanzbranche hart ins Gericht ging. „Erstaunlicherweise“ wurde sein damaliges Lied „Der Hai“ im Radio quasi gar nicht gespielt. Der Song wurde zwei Jahre später auf CD veröffentlicht – mit einer Länge von über 6 Minuten in der Kategorie Deutscher HipHop – vielseitig war Her Anders ja immer schon…

2008 veröffentlichte er die deutsche Version des 1997er Eurovisions-Sieger-Liedes von Katharina & the Waves: Aus „Love Shine A Light“ wurde „Liebe und Licht“, ein beliebtes Motto des Sängers, der ja zwischenzeitlich als Esoterik-Guru mit seinem „Buch des Lichts“ unterwegs war.

Seit dem gleichen Jahr – 2008 – veröffentlichte der Künstler zunehmend Neuaufnahmen seiner alten Hits, zu nennen sind: „Gespensterstadt 2008 (3Select-Mix)„, „Ruby 2010„, „Hinter verschlossenen Türen 2011„, „Es fährt ein Zug 2011“ (wurde abgelöst von „Es fährt ein Zug 3000“), „Jenny komm heim 3000„, „Verliebt in den Lehrer 3000“, „Sag ihr, dass ich sie liebe 2013„, „Gespensterstadt 3000“ und „Geh nicht vorbei – Retake“ 

Anders veröffentlichte im Jahr 2009 die CD „Birgit Balladen“ mit Liedern, die seiner zweiten Frau Birgit gewidmet waren – die auf der CD eingespielten Lieder sind Unplugged-Songs, bei denen sich Christian selbst live auf der Gitarre begleitete. Mit Band hingegen gab er im gleichen Jahr zwei große Konzerte in „seiner“ Stadt Berlin.

2014 veröffentlichte Anders wieder eigene neue Singles, nämlich „Stille Helden“ – das ist die deutsche von Michael Holm getextete Version seines 1980 geschriebenen Songs „Unknown Heroes“,  –  „Venedig seh’n und sterben“  und der im Original von Matthias Carras aufgenommene Titel „Das war ’ne harte Zeit“  auf seinem eigenen (mit seiner Frau gegründeten Label Süßmatz Records. Außerdem veröffentlichte er ein Duett der besonderen Art – erstmals sang er gemeinsam auf einem Tonträger mit Michael Holm den meines Erachtens starken Song „Frieden fängt im Herzen an“.

Auf seinem Label „Suessmatz“ erschien kürzlich eine Longplay-Produktion mit neuem Material namens „Sredna“ – „Anders“ rückwärts gelesen.

Nach langen Jahren gab Christian im vergangenen Jahr ein Konzert in Kamen, um sein aktuelles Album „Zeitlos“ vorzustellen. Der Bericht dazu kann HIER nachgelesen werden.

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Und heute erschien seine top-aktuelle neue Single „Reunion“ – pünktlich zum 75. Geburtstag. Wir Schlagerprofis gratulieren sehr herzlich.

Ausnahmsweise und standesgemäß soll dieser Artikel mal mit hoher Lyrik abgeschlossen werden, mit einem Gedicht Robert Gernhardts namens „Finger weg“:

Ich bin das gänzlich Andere,
das wortentrückt Besandere, …
so durch und durch besonders:
Noch anders bin ich onders“.

Stephan Imming

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Schlagerprofis – Der Podcast Folge 058

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