Ein Hauch von Udo Jürgens wehte am vergangenen Samstag im Essener Grugapark. Am 19. Juni 1992 gab der Meister ein bei vielen Fans unvergessenes Konzert, die legendäre „Open Air Symphony“. Am 19. Juni 1992 gab es zum Konzertende hin starke Regenfälle, was der Stimmung keinen Abbruch tat. Das großartige Konzert ist bei nicht wenigen Fans bis heute – viele Jahre, Jahrzehnte später – bis heute unvergessen – großartige Weltklassemusiker begleiteten den wohl bedeutendsten deutschsprachigen Künstler des letzten Jahrhunderts.
Leider verstarb der große Udo Jürgens am 21. Dezember 2014 – seine Musik lebt aber weiter. Nicht wenige Konzepte ehren den großen unvergessenen Musiker – sicher nicht zur Freude aller Fans, die der Meinung sind, dass nur Udo „himself“ seine großen Melodien singen konnte und durfte.
Diese Einstellung kann und muss man sicher akzeptieren, aber wir sehen es etwas anders. Gerade jetzt, wo seine Musik durch Rechtsstreitigkeiten nicht weitergetragen werden kann, ist es wichtig, dass seine wunderschönen Lieder nicht in Vergessenheit geraten. Die Gruppe Sahnemixx hat hier (neben Alex Parker) eine Ausnahmestellung, weil sie schon lange zu Lebzeiten begeistert und begeisternd Udos Lebenswerk sehr schön auf die Bühne gebracht hat. Und so war es schon mit viel Gänsehaut und Melancholie verbunden, als das Sahnemixx-Orchester die ersten Takte mit Udos Melodien im Stil des „Einfach ich“-Openings spielte.
Passend zum Konzertbeginn präsentierte Sänger Hubby Scherhag den lebensbejahenden Hammersong „Jetzt oder nie“ dem begeisterten Essener Publikum. Der Saxofonist Thilo Willach spielte darin eines seiner diversen mitreißenden Soli. Die Begrüßung fiel herzlich aus, und Hubby sagte gleich, worauf es ankommt: Udos Musik wird live(!) mit Orchester gewürdigt.
Das emotionale Liebeslied mit dem Hammertext von Fred Jay „Ich weiß, was ich will“ folgte auf dem Fuß. Die Hintergrund-Sopran-Stimme wurde von der tollen Sängerin Jutta Cappallo gegeben – hier einer der ganz wenigen Kritikpunkte – zuletzt erlebten wir Sahnemixx mit ZWEI hinreißenden Sängerinnen, also Jutta und ihre Kollegin, die diesmal leider nicht mit dabei war. Udo hatte (von einer Ausnahme abgesehen) bei seinen Konzerten in der Regel immer mehrere Sängerinnen mit dabei und diese auch gefordert…
Danach ging es in die Stadt der Liebe: „Paris – einfach so nur zum Spaß„. Sahnemixx entschieden sich für die „neue“ (auch textlich leicht abgeänderte) Version, die Udo gegen Ende der 1990er Jahre veröffentlichte – nicht wenige Fans lieben aber die geniale Produktion Joachim Heiders. Sahnemixx gaben dem Titel einen eigenen Anstrich, indem sie zwischenzeitlich langsamer wurden und nachher wieder Vollgas gaben – ein Stilmettel, dessen sich auch Udo immer gerne bedient hatte.
Mit dem nächsten Lied wurde die „Textsicherheit des Publikums“ überprüft – Essen ließ sich nicht lumpen und sang lauthals mit: „Im Tante-Emma-Laden…“. Danach kam ein Lied, das von Udo in seinen letzten Konzerten gefühlt immer gespielt wurde und das viele Menschen bewegt. Ein Lied, in dem Udo sich gefragt hat, ob er immer die richtigen Prioritäten gesetzt hat. „Der gekaufte Drachen“ rührt viele Eltern zu Tränen, die sich fragen, ob man nicht manchmal die falschen Akzente gesetzt hat. Der Text stammt übrigens von der kürzlich verstorbenen Irma Holder, die ihre schönsten Texte für Udo Jürgens schrieb – das behaupten wir einfach mal.
Mit dem nächsten Lied kam dann wieder mehr „gute Laune“ auf, obwohl – wie Hubby Scherhag erzählte – Udo bedauerte, dass das Lied als Trinklied verkannt wurde, obwohl es ein ernstes Thema hatte, nämlich die Gastgeber. Und so gab es dann auch die zunächst bewusst langsam gehaltene Version des „Griechischen Weins“ auf die Ohren.
Nun war Drummer Sebastian Schmitz gefragt – das anspruchsvolle Lied „Hautnah“ meisterte er ebenso meisterhaft wie die anderen Udo-Lieder. Nicht wenige Fans waren vermutlich in Versuchung, nach vorne zu stürmen – in Erinnerung an großartige mitreißende Konzerte Udo Jürgens‘, bei denen „Hautnah“ der Startschuss für den berühmten Bühnensturm war….
In Udos allerletztem Konzertprogramm war ein Titel, der – Udo-typisch – Grenzen sprengte. Mit vier Minuten Länge war es eigentlich kein typischer Radio-Song – der Titel wurde dennoch im Radio gespielt. Mit seinen Geschlechtsgenossen ging Udo nicht gerade zimperlich um – das führte teilweise sogar zu Protesten – dennoch (oder deshalb?) hatte Udo auch in seinem Todesjahr einen echten Hit: „Der Mann ist das Problem„. Einmal mehr begeisterte Thilo Willach mit seinem Saxofon.
Ebenfalls bei seiner letzten Tour spielte Udo seinen Klassiker „Ich bin dafür“ – ein Titel, der aktueller denn je ist. Auch hier entschied man sich für den leicht abgeänderten Text. Ungewöhnlich: Sahnemixx bauten ein Posaunen-Solo ein, das großartig von Daniel Seemann gespielt wurde.
Natürlich wurde auch an das „einschneidende Jahr“ 1966 erinnert – mit „Merci Cherie“ schuf Udo Jürgens einen Welthit. Wer in diesem Jahr oder im letzten Jahr des ESC gewonnen hat? Das weiß wohl kaum jemand. Die deutschen Teilnehmer? Waren das nicht irgendwelche „S!sters“? Schon nach Wochen vergessen. Udos Chanson hingegen ist 53 Jahre alt und wird immer noch von Millionen Menschen geschätzt. Wobei Hubbys Ansage „es wird romantisch“ nur bedingt zutrifft, wenn man bedenkt, dass es ja um das Ende einer Liebe in dem Titel geht…
Die Pause wurde mit einem „Gestern“-Medley eingeläutet mit Liedern, die Udo nur noch selten bei seinen späten Tourneen spielte. Vermutlich gefielen sie seiner Lebensgefährtin nicht. Los ging’s mit „Matador„. Bemerkenswert: Auch „Rot blüht der Mohn“ fand Eingang ins Repertoire – eigentlich ein recht erfolgreicher Titel, der in der Tat nur selten live von Udo zu hören war. Zu „Buenos Dias Argentina“ hatte Udo bekanntlich ein ambivalentes Verhältnis: Die LP war seine erfolgreichste LP überhaupt, die übrigens NIE auf CD erschienen ist – auch hier kann man den Verantwortlichen dazu nur „gratulieren“. Sehr schön haben Hubby und sein Sahnemixx-Orchester diesen TItel interpretiert. Auch Udos erster Eurovisions-Titel „Sag ihr, ich lass sie grüßen“ durfte nicht fehlen – in der „Gestern-Heute-Morgen“-Version – auch hier hätte Sängerin Jutta Capallo etwas Unterstützung verdient gehabt. Auch „Gefeuert“ wurde in der „Gestern-Heute-Morgen“-Version mit neuem Text präsentiert, wobei der Originaltext eigentlich auch nicht schlecht war. „Gaby wartet im Park“ war ein Titel, den Udo allerdings schon in seinen späten Lebensjahren im Programm hatte – bei einem Solokonzert hat er sich sehr ausführlich über die Protagonisten des Liedes geäußert und das Lied in voller Länge gespielt. In der schönen Orchesterversion mit einem schönen von Rolf Mayer am Bass gespielten „Orgelpunkt“ wirkt das Lied natürlich toll. Rolf Meyer hat übrigens auch Udo Jürgens bereits am Bass begleitet – er ist Mitglied des Weltklasse-Orchesters Pepe Lienhard.
Die zweite Hälfte des Konzerts begann mit dem Knaller „Heute beginnt der Rest deines Lebens„. Auch „Immer wieder geht die Sonne auf“ wurde im Stil des letzten Konzertes 2014 gespielt – Hubby Scherhag sang den Udo-Klassiker, seinen ersten Ariola-Hit, mit Jutta Cappallo im Duett.
Nun wurde es Zeit für einen Chor. „Rein zufällig“ war in Essen der Kinderchor des Gymnasiums Essen-Werden an Bord – gemeinsam wurde der Klassiker „Aber bitte mit Sahne“ geschmettert.
Und wenn man schon dabei war, machte es Sinn, ein „SahneMixx Hit-Medley“ abzufeuern. Los ging es mit „Zeig mir den Platz an der Sonne„. Das war 1971 das Lied der ARD-Fernsehlotterie, bei dem Trompeter Uwe Schmidt ganze Arbeit leistete. Das Lied ist übrigens besonders bei den Fans von Schalke 04 beliebt, die den Song als „Zeig mir den Platz an der Kurve“ im Stadion schmettern. Dass „wer zu viel säuft, nur noch ein halber Mann“ ist, wusste Udo schon in den frühen 1970er Jahren – mit seiner Produktion „Der Teufel hat den Schnaps gemacht“ holte ihn Ralph Siegel aus einem kleinen Karrieretief. Nicht fehlen darf in dem Medley nicht der Reggae-angehauchte Titel „Die Sonne und du“ – genau so wenig wie das frivole „Es wird Nacht, Senorita„. Russisch angehaucht wurde es mit „Anuschka„, dem Lied, das Udo nach langen Jahren bei seinen letzten Konzerten auch noch einmal auspackte. Bei „Siebzehn Jahr, blondes Haar“ entschied man sich nicht für das Original-Arrangement, das Udo im Motown-Sound hielt – leider… – aber auch in der späteren (leider weit verbreiteten) Version kam der Song natürlich sehr gut an.
Richtig bluesig wurde es dann mit „Ein ehrenwertes Haus„. Hier zeigte der musikalische Leiter des Sahnemixx-Orchesters, seines Zeichens auch Keyboarder, Achim Brochhausen, was er so drauf hat – ein Hauch von Blues lag über Essen. Die Fans waren kaum noch zu halten.
Einer der absoluten Klassiker von Udo Jürgens ist zweifelsohne „Ich war noch niemals in New York“ – ein Titel, der bei seinem Erscheinen 1982 nicht sonderlich Beachtung fand – die „Experten“ der Plattenfirmen haben einmal mehr nicht erkannt, was für ein Potenzial in dem Titel lag. Ausgerechnet bei diesem Titel gab es ein gewaltiges Unwetter in Essen – zum Glück war der Grugapark geschützt, so dass das Wetter nicht viel Probleme machte – im Gegenteil – ein Hauch von 1992 (Udos Konzert im Grugapark) kam auf. Damals regnete es bei „Singing In the Rain“ – diesmal eben bei „New York“. Natürlich durfte auch Jutta Cappallos Gesang des „New York New York“-Klassikers nicht fehlen. Zur Freude des Publikums sang auch der Kinderchor des Gymnasiums Essen-Werden noch einmal mit.
An dieser Stelle ein großes Lob an die Veranstalter: Das Konzert von Casper und Materia – ebenfalls in Essen stattfindend – musste wegen des Unwetteres abgebrochen werden, hier waren sogar Verletzte zu beklagen. Im Grugapark konnte das Konzert ohne Unterbrechung weitergeführt werden.
Beim nächsten Lied ging es nochmal um innige Elternliebe – Udo sang mit seiner Tochter Jenny im Jahr 1984 den Titel „Liebe ohne Leiden„. Hubby Scherhag holte Nina aus Münster auf die Bühne – und die gab mehr als stimmsicher (stilecht mit AC/DC-T-Shirt :)) die Jenny – ein weiterer Gänsehaut-Moment des Konzerts. Nina traf jeden Ton und gab sich selbstbewusst – klasse!
Und damit war man auch schon „fast am Ende des Programms“ angelengt. Hubby gab noch mal der Freude Ausdruck, Udos Lieder im Grugapark aufleben zu lassen. Er wies darauf hin – und das tun wir auch gerne – dass „World Of Dinner“ Sahnemixx auch in kleinem Rahmen präsentiert. Ein Dank ging auch an den genialen Techniker Lars Hoss: „Danke für den Abend!„.
Ohne Zugabe ging es natürlich nicht. Okay, es gibt Fans, die das Bademantel-Ritual Udo Jürgens‘ nur dem Meister selbst zugestehen. Wir meinen – das gehört einfach zu einem Udo-Konzert. Insofern sei es Hubby gestattet, im Bademantel seine Zugabe mit Sahnemixx zu geben, zumal er nicht den „Original“-Udo-Bademantel (mit eingesticktem Autogramm) trug. Das Publikum war jedenfalls begeistert genug, nach vorne zu stürmen und „Mit 66 Jahren“ abzufeiern – einschließlich des tollen Gitarrensolos von Johannes André.
Alleine am Klavier präsentierte Hubby dann die Songs „Cottonfields“ und „Mathilda“ – und einen weniger bekannten Udo-Titel, den viele Udofans aber lieben: „Frauen„. Als es noch mal „Vielen Dank für die Blumen“ zu hören gab, schaltete sich noch einmal das großartige Sahnemixx-Orchester mit ein.
Beendet wurde das tolle Sahnemixx-Konzert mit einem Lied, das Udo besonders am Herzen lag: „Was wichtig ist„. Zuvor gab es noch einen Gruß in den Himmel an den einmaligen, unvergesslichen und großartigen Udo Jürgens, dessen Lebenswerk zum Glück bis heute unvergessen ist.
Einen ganz herzlichen Dank sprechen wir Sigrid Rosen von World of Dinner aus, mit der wir sehr gut zusammengearbeitet haben. Wir können nur jedem empfehlen, sich eine „World Of Dinner“-Show anzusehen – hier sind wirklich engagierte und begeisterte Menschen am Werk, die das Lebenswerk großartiger Musiker (wie Udo Jürgens) ehren. – Fazit: „Danke für den Abend!“.