Marie Reim Rezension

MARIE REIM – „Weil das Mädels so machen“: Unsere exklusive Rezension

MARIE REIM „Weil das Mädels so machen“

Der Ablauf

Der Song kommt (vom Ablauf her) recht schnell ‚zur Sache‘ (und hat auch tatsächlich 130 BPM!). Der Gesang von MARIE REIM steigt bereits nach 3 Sekunden ein. Kurze Intros sind geschickt, denn eine Untersuchung aus Ohio-State hat ergeben, dass die Hörer im Streaming nicht lange auf den Gesang warten wollen – lange Intros werden meist übersprungen. Der Vorreiter von „Mach hinne!“ diesbezüglich war Pharrell Williams mit „Happy“, hier ging es bereits schon nach 2 Sekunden los.

Nun kann man sagen, hier wurde das Intro vernachlässigt, um Spotify und Co. zu bedienen. Wir sagen ganz klar: NEIN! Der Song braucht kein Vorgeplänkel – das haben MADIZIN (Silverjam) und TIM PETERS als Produzenten hervorragend erkannt. Im Übrigen wurde der Song auch wieder im „Hit-Trio“ gefertigt: Tim Peters, Alexander Scholz und Werner Petersburg haben hier zusammen ganze Arbeit geleistet und MARIE REIM den Song punktgenau auf den Leib geschrieben.

Eine sorgsam ausgefeilte Melodie

Bleibt der Vers in der Melodie noch recht ruhig auf der Tonika (mit leichten Bögen) mit tatsächlich nur 3 verschiedenen Tönen liegen, baut der Pre-Chorus dann die erste Spannung auf: Die Melodieführung verlagert sich weiter nach oben und die Range (Tonumfang) erhöht sich.
Wenn dann der Refrain einsetzt, kracht es aber gewaltig! MARIE REIM leitet schön präsent auf der liegenden ‚Dominanten‘ (5 Halbtöne von der Grundtonart nach oben) ein, während ein kräftiger und 3-stimmiger Chor in der Breite für einen schon fast unerhörten Schub sorgt!

Die Stimmensetzung im Chor ist oberstes Regal! Die zweiten und dritten Stimmen sauber gedoppelt – und zur Krönung dann die entsprechenden Oktaven obendrauf gelegt – da geht richtig die Sonne auf. Im Refrain sorgt die Melodie für schöne ‚Spitzen‘, da sie immer wieder auf die Sub-Dominante stößt, das erzeugt einen sehr harmonischen und runden Ablauf – da passt alles.

Die Produktion

Absolut top arrangiert und sehr sorgsam ausgewählte Sounds. Angefangen vom Drumsound, der seinen Fokus deutlich auf die „fette Kick“ legt. Für den unbändigen Schub sorgt von Anfang an ein 16-tel Bass, der permanent schiebt. Clap-Effekte und akzentuierende Snaps (Fingerschnippen) bilden die Highlights. Der Drive kommt aber auch durch einen kleinen kaum aufdringlichen „klickenden“ Offbeat-Sound (immer auf die „Und“-Zählweise), der verdächtig nach einem Roland-Percussion-Sound (Conga-Slap, stark ‚entschärft‘?) klingt – klasse.

In der zweiten Vershälfte wurde Maries Gesang mit einer Vocoder-Spur gedoppelt. Der Sound erinnert stark an den guten alten Vocoder, der bereits bei ABBAs ‚Souper-Trouper‘ zum Einsatz kam – lange nicht mehr gehört, aber ein absolutes tolles Topping!Marie Reim
Die „Ohoohooooo“-Einwürfe in der Tiefe eingepackt in eine schönes 8-tel Delay, welches sorgsam ‚geduckt‘ (eng. Ducking= Begriff für ein rhythmisch getriggerten Kompressor, oder mit LFO-Tools bearbeitet) wurde, öffnen dann hervorragend die Räumlichkeit.
Im Pre-Chorus verleiht dann ‚das Brett‘ (gezerrte E-Gitarre) dem Song eine rockige Komponente. Auch hier wurde sehr dezidiert gearbeitet, da die Akkorde allesamt mit Slides gebunden wurden. Das sind die liebevollen Feinheiten, die die Sache abrunden.

‚Rock da house‘

Spätestens jetzt, wenn dann der Refrain einsetzt, brennt die Hütte. Der Bassbereich bekommt einen Sub-Bass für „das Pfund“ – zusätzlich schiebt ein (kaum hörbarer) Arpeggio noch mit an (obere Lage) und rundet das Frequenzbild ab. Vom Sound erinnert dieser Arpeggio an die gute alte analoge TWENTY-FOUR SEVEN-Ära („Take me away“, ab 00:18)!

Die „typischen“ Crashbecken wurden mit Noise-Effekten gedoppelt. Sehr schön, denn so gleitet der erste Refrainteil musikalisch in die Chorus-Wiederholung. Sehr schön dann die Bridge. Hier wird wunderbar der Drive reduziert – man ist wirklich überrascht, dass plötzlich eine klassische, gute ‚alte‘ und cleane Tremolo-Gitarre im 70er Sound aufspielt… TOP!
Im dann folgenden Refrain steigert man sich zum Finale, in dem MARIE REIM nun auch noch kleine ‚Ravings‘ dazu gibt.

Der Mix

Im Mix hat man viel Wert auf die Tiefen und Räumlichkeiten gelegt. Bleibt der Gesang von MARIE REIM schön vorne stehen, hat man die Clap-Effekte (wie schon im Vers) in einen weiten Hall verpackt – das expandiert ‚die Bühne‘ nach hinten. Insgesamt wurde sehr fein in den Transienten gearbeitet und auch die Kompressoren verdichten hier sehr kompakt, ohne zu pumpen (hören wir da den Elysia Alpha-Kompressor?) – hervorragend abgestimmt. Das Frequenzbild wurde sauber aufgeräumt – keine Resonanzen und akribisch alles eliminiert, was Harsh und unangenehm in den Höhen stören könnte.

Gekonnte Trennung

Das ist auch wichtig, da so Maries Gesang zu keinem Zeitpunkt ‚Konkurrenz‘ aus irgendwelchen Frequenzen vom Playback bekommt (oft passiert das bei S-Lauten zwischen Gesang >> Hihat, Crash-Becken und/oder Snare). Der Einsatz der LFO-Tools (ein Gimmick: Der Gitarrenslide vor dem zweiten Pre-Chorus läuft recht zackig in ein LFO-Tool, dadurch ‚peitscht‘ es schon förmlich) ist eine wahre Bereicherung. In verschiedenen Varianten eingesetzt, sorgt diese Mix-Technik für ständige Bewegung und erzeugt eine absolute Kurzweiligkeit. Auch die Voice-Samples, die geschickt im Pre-Chorus (ebenfalls) im Offbeat hinzukommen, sind das I-Tüpfelchen.

Fazit: Saubere Produktion in allen Belangen! Abgesehen vom Radio-mainstream könnte der Song auch durchaus in den Clubs ein ‚Floorfiller‘ werden.
Sehr schön, wenn man hört, wie eine deutsche Produktion absolut am Puls der Zeit agiert und durch saubere und durchdachte Handgriffe zu einem solchen Ergebnis kommt.

Wir denken, dass mit MARIE REIM frischer Wind in die deutschsprachige Musik-Landschaft kommt. Es gibt also doch noch Perlen unter den Newcomern!

Fotos: Sony Music/Anelia Janeva

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