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Marc Marshall: Bigband-Sound und besinnliche Töne in Vaterstetten
Intro: Als Stargast des „Jazz Lights“ der Bigband Vaterstetten überzeugt Marc Marshall mit seiner musikalischen Vielseitigkeit. Filmmusiklegende Harold Faltermeyer erzählt über seine Anfänge.
Zum diesjährigen „Jazz Lights“ der Bigband der Musikschule Vaterstetten bei München hatte sich Leiter Bernd Kölmel einen besonderen Stargast eingeladen: Sein alter Studienfreund Marc Marshall bereichert das Konzert mit einer Mischung aus Jazz, Swing, Popsongs und eigenen Liedern. Doch bis es so weit ist, müssen die circa 400 Besucher an diesem kalten Novemberabend erstmal den richtigen Eingang zum tristen Atrium des hiesigen Humboldt-Gymnasiums finden. Wer früh genug da ist, kann als Entschädigung das Ende des Soundchecks miterleben, bei dem Marshall sehr locker mit dem hereinströmenden Publikum umgeht.
Zu Beginn intoniert die Bigband Vaterstetten „Feel“, ein Stück des amerikanischen Jazzsaxophonisten und Bandleaders Charlie Barnet aus den 1930er Jahren. Die Musikschüler überzeugen durch ihr musikalisches Können; es fällt kaum auf, dass hier Laien musizieren. Die meisten Zuschauer sind wohl Eltern und Freunde der Musiker oder kommen aus Vaterstetten.
Manch einer fragt vor Konzertbeginn gar: „Wer tritt hier heute Abend mit der Bigband auf?“ Diese Frage wird nach nicht enden wollenden Begrüßungen lokaler Amtsträger von Moderator Kölmel beantwortet: Marc Marshall ist von seiner laufenden Tournee extra aus Schwerin gekommen und intoniert „A foggy day in London town“ und bekennt, angesichts der Anwesenheit von Ex-Plattenboss Thomas Stein und Produzentenlegende Harold Faltermeyer nervös zu sein, da beide für seine Karriere entscheidend gewesen seien. Außerdem sei es das erste Mal in seiner Karriere, dass er sich in einem Stuhllager umgezogen habe, wie er launig erzählt.
Programm vom Bigbandchef zusammengestellt
„Once in my life“, „Can’t buy me love” und „Bad, bad Leroy Brown” zeigen die Bandbreite sowohl der Bigband als auch Marc Marshall, der die Zusammenstellung des Programms Dirigent Kölmel überlassen hat. Ehrlich bekennt er, dass er „Bad, bad Leory Brown“ beim ersten Hören gar nicht mochte, interpretiert es aber trotzdem glaubwürdig.
Nach einem weiteren Solostück der Bigband setzen sich Marc Marshall und Harold Faltermeyer eine Viertelstunde lang zu einem Talk zusammen. 1997 wurde Faltermeyer dank Vermittlung Thomas Steins Produzent von Marshall und Alexander. Marshall bezeichnet Faltermeyer als „Weltstar, der Lieder geschrieben hat, die jeder Mensch, der Ohren hat, mindestens einmal gehört hat“. Vor so einem Menschen könne man sich nur verneigen, zumal er sich nicht wie ein Weltstar verhalte.
Das zuletzt gehörte Stück, „Tuxedo Junction“, erinnert Faltermeyer an seine Anfänge in einem Münchner Tonstudio der Deutschen Grammophongesellschaft, als er Max Greger bei der Aufnahme einer Glenn-Miller-Platte zuhören durfte.
Damals sei er einfach „Bua“ genannt worden und habe Greger „am helllichten Tag“ einen Gin Tonic holen dürfen, als dieser gerade „Tuxedo Junction“ aufgenommen habe. Faltermeyer erzählt, wie er vor ein paar Jahren durch ein Fernsehinterview von Tom Cruise erfuhr, dass er die Filmmusik zu „Top Gun 2“ komponieren wird und er deshalb bei der Aushandlung der Gage in einer sehr komfortablen Position gewesen sei. Auch seine Anfänge als Filmmusikkomponist kommen zur Sprache.
In diesem Gespräch und den eingestreuten Anekdoten wird deutlich, wie sehr sich Produzent und Sänger schätzen. In der Pause, die von Joe Zawinuls „Mercy, mercy, mercy“ eingeleitet wird (am Klavier: Marshalls Pianist René Krömer), kommt Faltermeyer bereitwillig mit dem Publikum ins Gespräch, gibt Autogramme und posiert für Fotos, während Marshall sich gleich in seine Garderobe zurückzieht.
Immer wieder launige Anekdoten
Mit „Children of Sanchez“ eröffnet die Bigband die zweite Hälfte, bevor Marshall mit „Du hast mir gerade noch gefehlt“ einen eigenen Song singt. Immer wieder streut Kölmel Erinnerungen an gemeinsame Erlebnisse mit seinem Stargast ein: Bei einer Aufführung der „Carmina Burana“ am Baden Airpark hätten alle Chorsängerinnen Autogramme von Marshall haben wollen. „Erinnere mich nicht an diesen Abend!“, erwidert dieser und erzählt offen, dass ihm bei der Aufführung die Stimme versagt habe. Seitdem habe er die „Carmina Burana“ nicht mehr gesungen.
Als Kontrastprogramm zum Bigbandsound singt Marshall die nächsten vier Lieder nur von seinem Pianisten René Krömer begleitet. Hierbei sticht vor allem seine Coverversion des Udo-Jürgens-Liedes „Was wichtig ist“ hervor. Über den vor zehn Jahren verstorbenen Komponisten, Musiker und Entertainer sagt er: „Jeder, der Lust hat auf mehr als ,Unter‘, nämlich auf ,Haltung‘ in der Musik, muss sich einfach mit Udo Jürgens beschäftigen.“ Bewusst singt er das Lied nicht als Beziehungslied, sondern als Plädoyer für Selbstliebe.
Nach einem Solostück der Bigband moderiert Kölmel Marshalls Lied „Die perfekte Affäre“ an. Als er dieses unter „Schlager“ einordnet, ist der Sänger sichtlich genervt, fängt dies jedoch gelassen auf und erklärt, dass es nicht um eine Affäre mit einer anderen, sondern mit der eigenen Frau gehe. Zur Irritation von Sänger und Publikum erzählt Kölmel, eine Musikerin der Bigband habe sich geweigert, bei dem Konzert mitzuspielen, weil die Zeile „Lass die High Heels an“ sich nicht mit ihrer Wertvorstellung decke. Den berührenden Abschluss des Abends bildet nach fast drei Stunden „My way“.
Beim „Jazz Lights“ Vatersteten beweist Marc Marshall, dass er gleichermaßen die leisen wie die lauten Töne beherrscht, und präsentiert sich obendrein als sympathischer, reflektierter Mensch. Marshalls Stimme geht in den Tuttistellen der auf hohem Niveau spielenden Bigband Vaterstetten unter, was jedoch an den Tontechnikern liegt. Mitunter enervierend die Moderationen ihres Leiters, dessen überbordender badnerischer Akzent dazu führt, dass die mancher Songtitel kaum zu verstehen ist. Doch darüber sollte hinwegsehen, wer sich für Jazz begeistert.
Setlist
Feel
A foggy day in London town
Once in my life – Can’t buy me love
Take it to the limit
Bad, bad Leory Brown
Tuxedo Junction
Mercy, mercy, mercy
PAUSE
Children of Sanchez
Du hast mir gerade noch gefehlt
Caruso
Du hast’n Freund in mir
Was wichtig ist
How do you play the music?
Die perfekte Affäre
My way