Weil Ethikrat beim Pop-Echo versagt hat, wird Jazz-Echo kurzfristig abgesagt
Über viele Jahre hinweg hat sich der Echo als DAS Aushängeschild der deutschen Musikbranche etabliert. Schon seit einigen Jahren lief einiges schief. Nachdem sich Bands wie die Böhsen Onkelz und Frei.Wild kommerziell durchsetzten, wurde ein Ethikrat einberufen. Auslöser war der Ausschluss der Gruppe Frei.Wild vom Echo im Jahr 2013, der vom Veranstalter vorgenommen wurde.
Ethikrat wurde installiert und schritt NIE ein
Seitdem gab es einen Ethikrat beim Echo, der seitdem nie eingeschritten ist. Schon 2014 akzeptierte der Ethikrat die Band Frei.Wild, die damals allerdings von sich aus die Nominierung ablehnte. – Das heißt: OHNE Ethikrat konnte man sich zu einer Disqualifikation durchringen, MIT Ethikrat nicht. Damit nicht genug: Neben dem Ethikrat wurde kurz darauf auch eine Jury eingeführt, damit die Ergebnisse nicht so vorhersehbar sind (Spötter nennen das „Lex Helene“, um zu vermeiden, dass der Schlagerstar noch mehr Echos bekommt als quasi unbedingt sein muss. In diesem Jahr ist das gelungen: Helenes sonnenklar kommerziell erfolgreichstes „Album des Jahres“ wurde nicht als solches gekürt, weil die Jury da etwas gegen hatte).
Nur die Vertreterin der katholischen Kirche erhob ihre Stimme
Im Fall von Kollegah und Fahrid Bang griffen weder Ethikrat noch Jury ein. Spannend ist, dass nicht wirklich herauszufinden ist, wer die Personen sind, die in diesem Ethikrat kläglich versagt haben. Lediglich die Vertreterin der katholischen Kirche, Uta Losem, soll sich gegen Kollegah gestellt haben – bei aller Kritik muss man die katholische Kirche für ihr Rückgrat deutlich loben – klasse! Interessant ist, dass die evangelische Kirche diesen „Arsch in der Hose“ nicht hatte – leider ist nicht bekannt, wer für die evangelische Kirche im Gremium saß. Alle anderen 6 Vertreter, z. B. der CDU-Politiker Wolfgang Börnsen, finden Zeilen wie „Körper definierter als von Ausschwitz-Insassen“ offensichtlich nicht problematisch und stand Medienberichten zufolge auch später zu seiner Einschätzung. Christian Höppner, Präsident des Deutschen Kulturrates und Martin Maria Krüger, Präsident des Deutschen Musikrates, stimmten auch FÜR Kollegah, waren aber immerhin Manns genug, die Konsequenzen zu ziehen und sich zeitnah aus dem Gremium zurückzuziehen.
ARD-Vertreter kritisiert Kollegah, obwohl der 2015 im Ersten gleich 2 Echos abräumte
Spannend ist, wer sich so alles in die Diskussion eingemischt hat. Ausgerechnet der ARD-Koordinator für Unterhaltung Dr. Thomas Schreiber, der seit Jahren für die Total-Blamagen beim ESC zuständig ist, hat einen Artikel in der Welt mit der Überschrift „Das feige Schweigen der Musikindustrie“ verfasst. Statt endlich mal in seinem eigenen Laden aufzuräumen, zeigt er auf andere. In dem Zusammenhang ist die Echo-Verleihung 2015, die noch im Ersten ausgestrahlt wurde. Damals wurde Kollegah mit zwei Echos ausgezeichnet. Nominiert waren in dem Jahr die Böhsen Onkelz und Frei.Wild. Wo war der Aufschrei Dr. Schreibers 2015? Der hat stattdessen erfolglos versucht, Xavier Naidoo beim ESC zu etablieren – eine umstrittene Überlegung, mit der er nicht durchkam. – Auch Barbara Schöneberger, die seinerzeit den Echo nominierte, hatte 2015 noch kein Problem mit Kollegah – erst jetzt, da die Bildzeitung die dubiosen Vorfälle zum Thema gemacht haben, äußert sich die ansonsten sehr geschätzte Barbara zu Kollegah und Konsorten.
Worin sich wohl so ziemlich alle einig sind, ist, dass die Ethikkomission beim Echo im Jahr 2018 total versagt hat. Und auch die Jury sollte sich hinterfragen. Was ist nun die Konsequenz? Der Echo wird abgeschafft, und das Urteil der Jury – ja, genau der Jury, die Kollegah und Fahrid Bang ausgezeichnet hat, wird aufgewertet.
In Israel lebender Jazzmusiker bekommt nun keinen Echo
Damit nicht genug: Klassik- und Jazzecho müssen ebenfalls unter dem Versagen von Jury und Ethikrat leiden. Auch der längst geplante Jazzecho wird so nicht mehr stattfinden. Das führt zu der unglaublichen Situation, dass Kollegah und Fahrid Bang für teils antisemitische Texte mit einem Echo dekoriert wurden, während der in Israel lebende Omer Klein seinen Echo NICHT bekommt – es wird immer schizophrener.
Nur Sophia Thomalla legt den Finger in die Wunde…
Nur eine Stimme hat diesen Wahnsinn aufgedeckt – ausgerechnet Sophia Thomalla, die genau das ausspricht, was nun zu befürchten steht: Kommerziell erfolgreiche Interpreten wie Rammstein und Helene Fischer finden bei Kritikern meist keine Anerkennung – stattdessen zählt nun die Willkür von so genannten „Experten“. Auf Instagram fand Sophia folgende Worte:
“Ja genau lieber BVMI, Lasst uns unseren einzigen Publikumspreis, den wir haben in einen Award verwandeln, der genauso funktioniert wie die meisten Filmfestivals. Jury entscheidet, welcher Film der Beste ist. Nämlich der, den noch keine Sau gesehen hat.”
Und das alles nur, weil eine Ethikkommission kläglich und feige versagt hat. Allerdings auch, weil die seit Jahren bekannten Verfehlungen des Echos leider medial oft nicht wirklich diskutiert wurden – leider musste einmal mehr die Bildzeitung den Finger in die Wunde legen. Und vielleicht sollten auch andere mal darüber nachdenken, kritikfähig zu sein, bevor ganze Veranstaltungen, Shows und dergleichen direkt abgeschafft werden müssen – auch, weil sie in vermeintlichen Glanzzeiten Kritik nicht zuließen…