Buch Trotz alledem

HANNES WADER veröffentlicht seine Autobiografie „Trotz alledem“

Schon vor Jahrzehnten begann Hannes Wader mit dem Autor Bernd Schroeder, seine Memoiren zu schreiben. Da Wader sich nach dem Gegenlesen für seine Aussagen „schämte“, wie er rückblickend schreibt, wurde das Projekt verworfen.  So brauchte es viele eigene Versuche und Angebote anderer Autoren, bis in über zweijährigem Schreibprozess die kürzlich veröffentlichte Autobiografie „Trotz alledem“ entstand. Hauptmotivation, das Buch selbst zu verfassen, war laut Wader, dass nur er selbst sein Leben mit den nötigen ausführlichen Erläuterungen und den ihm ebenso wichtigen bewusst flüchtigen Erwähnungen gewisser Stationen seines Lebens erzählen könne.

In einem Dokumentarfilm über eine Tournee mit seinem Kollegen Konstantin Wecker resümierte Wader über sich selbst: „Ich bin immer grandios gescheitert!“ Diese Selbsteinschätzung zieht sich durch große Teile des Buches. So geht der Liedermacher – außer mit seinen Eltern (besonders seinem Vater) und seinem ersten Tourneemanager – mit niemandem ins Gericht, außer mit sich selbst. Erstaunlich offen beschreibt Hannes Wader sich als verängstigen, heimatlosen Menschen, der sich häufig selbst im Weg steht und weitgehend planungs- und organisationsunfähig ist. Seine Frau, die Psychologin Cordula, geht sogar noch weiter und beschreibt ihren Mann als stets in einer Krise steckend.

Kindheit: Realistischer Blick auf Nachkriegsdeutschland

„Trotz alledem“ – benannt nach einem seiner bekanntesten Titel – erzählt chronologisch und gliedert sich in vier große Kapitel mit zahlreichen Unterkapiteln, die jedoch nicht im Inhaltsverzeichnis aufgeführt werden. Die nahe Bielefeld auf dem Lande verbrachte Kindheit, in dessen Elternhaus Bildung und Herzensbildung kaum eine Rolle spielen, wird fast schon zu ausführlich und plastisch beschrieben, was dem Leser jedoch einen realistischen Blick auf Nachkriegsdeutschland bietet. So charakterisiert der Autor nicht nur sich selbst und seine engsten Familienmitglieder, sondern auch in seinem Leben auftauchende Randfiguren ausführlich.

In der Kindheit wird – typisch für die damalige Zeit – dank des Schlagers seine Liebe zur Musik geweckt. So hat Hans, wie er eigentlich heißt, schon mit drei Jahren bei einem Familienfest seinen ersten Aufritt, bei dem er den Hans-Albers-Klassiker „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ zum Besten gibt. Als Schlager bei seinen Freunden als uncool gilt, entdeckt er den Jazz für sich und wird mit 20 Jahren Klarinettist in einer Jazzband.

Anfänge als Schaufensterdekorateur und musikalisch auf Burg Waldeck

Das zweite Kapitel, „Lernen“, befasst sich intensiv mit seiner Lehrzeit als Schaufensterdekorateur in einem Schuhgeschäft und seiner Zeit als Grafikstudent. 1964 stellt er sich erstmals aus einem spontanen Impuls heraus als Straßenmusiker einem Publikum, dem er Folksongs und später auch eigene Lieder vorsingt. Bereits zwei Jahre später hat Wader seinen ersten Aufritt beim legendären Festival „Chanson Folklore International“ auf Burg Waldeck, dem sich viele Aufritte mit seinem Freund und Kollegen Reinhard Mey anschließen. Hier setzt das dritte Kapitel, „Singen“, an. Erst drei Jahre nach dem ersten Waldeck-Aufritt erscheint Waders erste Langspielplatte. Die meisten seiner bekannten Kollegen haben da schon längst einen Plattenvertrag – doch Wader genießt sein Leben und lebt in den Tag hinein, wie er schreibt, weshalb er sich nicht um einen Plattenvertrag bemüht. Nun geht es Schlag auf Schlag: Wader wird bekannt, seine Platten und Konzertkarten verkaufen sich immer besser – Wader ist etabliert. Doch der Erfolg steigt ihm zu Kopf.

“Lebensrettender” Eintritt in die DKP – aber dadurch Karriereknick

Hinzu kommt eine im letzten Kapitel „Handeln“ thematisierte Verhaftung, da er einer RAF-Terroristin, die sich ihm unter falschem Namen vorgestellt hatte, seine Wohnung während einer Tournee überließ. Danach wurde er jahrelang permanent observiert, was ihn massiv belastete. Den Eintritt in die DKP (Deutsche Kommunistische Partei) beschreibt Wader daher als lebensrettend. Doch diese Illusion bricht spätestens mit dem Fall der Mauer zusammen – nicht nur das: seine Plattenumsätze und die Besucherzahlen seiner Konzerte gehen massiv zurück, er hat hohe Schulden angehäuft und muss nun wieder in Kneipen und kleinen Clubs auftreten, wie zu seinen Anfangszeiten.

Meilenstein: Album “Zehn Lieder”

Doch spätestens mit dem 1995 veröffentlichten Album „Zehn Lieder“ geht es langsam wieder bergauf. Einer der Höhepunkte seiner Karriere ist sicher das Konzert anlässlich seines 60. Geburtstages gemeinsam mit Reinhard Mey, Konstantin Wecker und dessen musikalischem Leiter Johannes Barnikel. 2017 beendete Wader seine Karriere als Tourneekünstler, obwohl eine letzte Tournee in großen Hallen für das kommende Jahr bereits gebucht war. Wader setzte sich, wie er schreibt, so unter Druck, dass er die Tournee kurzerhand absagte. Allerdings schließt er nicht aus, auch künftig Lieder schreiben und einzelne Konzerte zu absolvieren.

Für uns als Schlagerprofis besonders interessant ist Waders Selbstbezeichnung als „Volkssänger“ und sein Einsatz für deutsche Volkslieder – beides verbindet ihn mit Heino, von dem er sich jedoch durch die alternative Produktion deutlich abgrenzen wolle.

Bundesrepublikanische Zeitgeschichte

Hannes Waders Autobiografie spiegelt ein Stück bundesrepublikanische Zeitgeschichte wider. Besonders berührend sind die Beschreibungen seiner Mitmenschen und der Umgebung, in der er lebt. Seine Schonungslosigkeit sich selbst gegenüber beeindruckt, und es beruhigt schon fast, wenn er sich ab und zu augenzwinkernd für besonders gelungene Alben lobt. Angereichert und umrahmt werden die einzelnen Kapitel durch zahlreiche fremde und eigene Liedtexte, die ihm besonders wichtig zu sein scheinen, und Schwarzweißfotos aus seinem Leben. Hier findet sich jedoch ein Fehler, da das auf Seite 547 abgebildete Foto eines Auftrittes mit Konstantin Wecker aus den 1980er Jahren stammen muss und nicht, wie angegeben, bei der 2001 gemeinsam absolvierten Tournee entstanden sein kann.

Viele Erkenntnisse über den Menschen, weniger über den Musiker und Texter

So viel man über den Menschen Hannes Wader erfährt, so wenig erfährt man jedoch über den Musiker und Texter Hannes Wader. Beschreibt er zunächst noch, wie ihn das Schreiben neuer Lieder als Anfänger quält, beschränkt er sich später auf das Eingehen auf seine Mitmusiker und Erlebnisse aus seiner Laufbahn als Livemusiker. Gerne hätte man erfahren, wie genau er beim Liederschreiben vorgeht, wie gerade zu den großen Zeiten der Friedensbewegung der Austausch unter den Musikerkollegen war und welche Bedeutung das Publikum für ihn hat.

„Trotz alledem“ sind Hannes Waders Lebenserinnerungen nicht nur für seine Fans oder Liebhaber seines Genres lesenswert, sondern für jeden politisch und musikalisch interessierten Menschen, der sich über die Nachkriegszeit, den RAF-Terrorismus und seine Folgen sowie die politische Sozialisierung eines „Jungen vom Lande“, der zu einem der berühmtesten Liedermacher seines Landes wird, informieren möchte.

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