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ULRIK REMY: 50 Jahre nach seinem großen Hit “Die Kneipe” verstorben
Seit etwa Ende der 1960er Jahre wurde die Szene der Liedermacher in Deutschland immer populärer. Barden, die ihre eigenen Lieder singen, gab es in Deutschland zuvor eher selten, die großen Heroes der damaligen Zeit sangen die Lieder, die ihnen Schlagerkomponisten und -textdichter schrieben. Leute wie REINHARD MEY waren Steigbügelhalter für viele Liedermacher, die folgten. Zu ihnen zählte der Liedermacher ULRIK REMY, der gleich mit seiner ersten Single “Die Kneipe” einen bemerkenswerten Charterfolg landen konnte. REMY selbst nannte seinen Hit augenzwinkernd “Säufer-Hymne”.
Wie die BRAVO zu berichten wusste, bekam ULRIK REMY bereits im zarten Alter von elf Jahren im Internat klassischen Klavierunterricht und brachte sich anschließend selbst das Spielen der Gitarre bei, so dass er auch begann, Lieder zu schreiben. 1972 betann ULRIK, regelmäßig in Clubs und Kneipen aufzutreten. Beruflich schlug er sich nach BRAVO-Angaben als Journalist, Jurastudent, Lagerarbeiter, Möbelverkäufer und sogar Banklehrling durch. Der BRAVO-Platten-DJ SANDRO befand damals:
Was ich an seinen Songs durfte finde: ULRIK beschäftigt sich mit alltäglichen Themen, die jeder kennt, er benutzt eine ehrliche Sprache und spielt nebenbei noch sehr gut Gitarre!
“Die Kneipe” auch in Hörerhitparade ein Erfolg
Kurios: Den Kontakt zur Plattenfirma wurde 1973 von niemand Geringerem als KARL DALL eingefädelt – mit Erfolg. – Die 1974 erstmals auf Sendung gegangene WDR-Schlagerrallye präsentierte REMYs Song – das kam so gut an, dass damit damals sogar Werbung gemacht worden ist:
Nach dem Erfolg des Debutalbums und der Single hat ULRIK noch 1974 ein zweites Album mit “mehr nachdenklichen und weniger vordrgründigen” Songs veröffentlicht: “Wieder unterwegs”. Anno 1975 wechselte er dann zu “DER” damals angesagten Liedermacher-Plattenfirma, bei der auch REINHARD MEY unter Vertrag stand. Das Album “Freiheit ist kein bunter Vogel” erschien im September 1975. Damals war er nicht nur als Songautor seiner eigenen Lieder tätig, sondern arrangierte und produzierte seine Songs auch selber.
Ein besonders berührender Titel dieses zweiten Albums war der Titel “Mein kleiner Sohn”. Der Song hat autobiografische Züge: ULRIK REMY verlor seinen einzigen Sohn – allerdings bescherte ihm das Schicksal später eine Tochter, der er übrigens auch ein eigenes Lied widmete. Mit seinem Lied “Mein kleiner Sohn” beschreibt er Erinnerungen und Visionen, wie es hätte sein können, wenn der Sohn zur Welt gekommen wäre – ohne peinliche Rührung, ohne Melancholie, in diesem Fall überzeugte ULRIK REMY mit Nüchternheit.
Ein kleiner Hit war damals seine “Apfelsaftballade”, in der er die augenzwinkernd die Vorzüge und Nachteile dieses nicht alkoholischen Getränks gegenüber berauschenden alkoholischen Getränken herausstellte.
Auch bei Intercord blieb ULRIK REMY nicht lange und wechselte zur Berliner HANSA, die damals sehr erfolgreich das Lebel “d. a. s. (der andere Song)” auf den Weg brachte. Auch wenn der Song “So viele fremde Städte” kein großer Hit geworden ist, erinnerte die Plattenfirma 1991 zu ihrem 25-jährigen Bestehen auf einer Compilation an diesen Titel.
Nachdem er den “ständigen Ärger mit seinen diversen Plattenfirmen leid war”, wie es eine Musikzeitschrift zu berichten wusste, machte ULRIK 1978 Nägel mit Köpfen und gründete sein eigenes Label REMY Music – Motto: “Ich mach mein’n Dreck alleene”. Koproduzent und Arrangeur der damaligen Zeit war INGFRIED HOFFMANN.
Wie es mit dem turbulenten Lebenswerk ULRIK REMYs nach seinem Bühnenabschied 1981 weiterging, kann HIER nachgelesen werden – fürwahr ein bewegtes Leben!
Nachruf von ULRIK REMYs Freund MIKE MUCKENHAUPT
Freundschaftlich verbunden mit ULRIK war MIKE MUCKENHAUPT, der einen persönlichen Nachruf auf den Verstorbenen geschrieben hat:
ULRIK REMY war der toleranteste Mensch, den ich kannte. Er hat alle Facetten des Lebens durchgemacht, vom Aufstieg bis zum Fall, von der schonungslosen Realität, falschen Freunden und allem, was dazu gehört.
Obwohl ich in manchen Dingen anderer Ansicht war, hätte ich mir nie erlaubt, seine Meinung zu kritisieren oder anzuzweifeln, denn seine Großherzigkeit war endlos. Als ich ihn am 2. Januar 2024 anrief, war ich am Boden und komischerweise dachte ich, dass ich ihm von meinen Problemen erzählen muss. Als hätte ich so etwas gespürt oder geahnt. Ich fragte wie es ihm ginge, es ging ihm gut. Ich erzählte von meinen Plänen auszusteigen, weil ich von vielen Menschen enttäuscht worden war. Er, der Weltenbummler, ich der Stubenhocker – zwei Kontraste, die sich trotz dieses Unterschieds auf seltsame Weise ergänzten.
Wir hatten uns leider nie persönlich getroffen, aber ich war schon lange ein Fan seiner Lieder. Als in den 70er Jahren seine große Zeit als deutscher Liedermacher war, war ich noch ein Kind. Das erste Lied, mit dem ich in Kontakt kam, war seine “Apfelsaftballade”. Dieser Song wurde einmal bei einer Servicenummer der Verbraucherzentrale NRW zur Untermalung gespielt.
Ich war zehn und fand das interessant. Der Song blieb mir auch Jahre danach im Gedächtnis, irgendwann hörte ich ihn wieder im Radio, ebenso sein Westerwaldlied. Wer der Sänger war, wusste ich da noch nicht. Einige Zeit später fiel mir auf einem Flohmarkt eine LP in die Hände, nun war mir ULRIK REMY ein Begriff.
Ich hatte noch kein Internet und fragte eine Bekannte, ob sie mal nach ULRIK REMY schauen könnte. Sie verwechselte ihn allerdings mit ULRICH ROSKI, der zu dieser Zeit schon verstorben war. Kurz darauf bekam ich Internet und fand heraus, dass ULRIK in Florida auf einem Hausboot lebte. Ich nahm sofort Kontakt mit ihm auf und es entstand eine tolle Freundschaft.
Als ULRIK 2015 wegen einer Frau nach 21 Jahren in den USA nach Deutschland zurückkehrte, habe ich mich sehr gefreut. Leider stellte sich heraus, dass diese Dame darauf angesetzt wurde, ihn zu dem Umzug zu überreden. So scheiterte die Beziehung kurz nach ULRIKs Rückkehr.
Nachdem er am 9. Januar 2024 seinen letzten täglichen Aphorismus auf seiner Seite veröffentlichte und Freunde ihn am nächsten Tag telefonisch nicht erreichten, merkten sie sofort, dass etwas nicht stimmt. Am Abend des 11. Januar 2024 erreichte sie dann der schockierende Anruf der Polizei in Aachen, wo er zuletzt wohnte. Genaueres werden sie als Nichtangehörige nicht erfahren. Er hinterlässt seine Hündin Honey, die in ein Aachener Tierheim gebracht wurde und nun auf neue liebevolle Besitzer wartet, die sich um sie kümmern.
Besonders tragisch für mich persönlich ist, dass ich nur ein paar Tage vor seinem Tod ein sehr ertragreiches Gespräch mit ihm führte. Er wollte mich im Sommer abholen zu einer Lesung bei Freunden in Ostfriesland. Hätte ich ihn doch öfter angerufen! Er war nicht nur ein guter Zuhörer, er gab wirklich Rat und keine leeren Worte.
Vielleicht holt er mich irgendwann wie vereinbart ab wenn auch ich diese Erde verlasse. Dann kann er mir den Himmel zeigen.
“Die du für deine Freunde hieltest blieben nicht lang
Sie gaben dir nur Worte keinen Rat
Und alles was danach in deinen Ohren klang
Das bedeutete, dass man hier keinen Platz mehr für dich hat”
Ulrik Remy
Textzeile aus dem Song “Steine in den Rhein”
Quelle Nachruf: MIKE MUCKENHAUPT