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MATTHIAS REIM: Sein langjähriger Schlagzeuger „ELUTE“ RAINER KIND im Interview

MATTHIAS REIM: Nanu, große Teile der Band wurden ausgetauscht?

Eingefleischte Fans von MATTHIAS REIM staunten bei seinem ersten „Nach-Corona“-Konzert nicht schlecht, als sie bemerkten, dass große Teile der Band nicht mehr dabei sind. Der letzte musikalische Direktor, ALEX OLIVARI, ist nicht mehr dabei – dafür scheint es gute Gründe zu geben. Bei anderen Musikern ist es weniger nachvollziehbar, warum sie nicht mehr mit dabei sind. Wir haben an verschiedenen Stellen nachgefragt – immerhin einer hat geantwortet: RAINER KIND.

Lieber Rainer, mittlerweile ist dein Künstlername „Elute“ vielen Musikfans ein Begriff. Mit ein Grund ist deine langjährige Zusammenarbeit mit Matthias Reim. Stimmen die Gerüchte dass Du die Band nach fast zwei Jahrzehnten verlassen hast?

Wie sich jetzt zeigt, sind es ja keine Gerüchte mehr, sondern Tatsachen ;-). Ja, ich habe schon letztes Jahr im September bei REIM gekündigt. Es gab im Frühjahr 2020 die Order einer musikalischen Erneuerung, die dann auch aufgrund der langen Coronapause (die zur Denkpause wurde) irgendwie aus dem Ruder gelaufen ist.

Ich verschließe mich ja nicht grundsätzlich vor Erneuerungen, aber immer mehr unvorhersehbare unfreiwillige Musikerwechsel haben dann das Ende des alten Spirits eingeläutet und ich musste einsehen, dass ich da nicht mehr der richtige Mann bin, mit all meiner Leidenschaft und Energie… weder als Drummer noch als Musical Director.

Natürlich find ich es schade und es gibt auch die ein oder andere Enttäuschung über das Warum… klar, nach 20 Jahren und unzähligen euphorischen Konzerten, aber sowas kommt vor in dem Business. Ich bin aber nicht im Groll raus, sondern habe allen viel Glück gewünscht.

Ist die Tür deinerseits für ein Comeback offen?

Das liegt nicht in meinem Ermessen. Zwei Sprüche fallen mir dazu ein, aber ich denke sie hier nur laut…;-) Ich sag mal so: „Sag niemals nie“ und „Never change a winning team“… sind aber nur so Gedanken…….. 🙂

Aber man kennt dich ja nicht nur von Matthias Reim. Guildo Horn, Michael Holm, Torben Klein und ganz aktuell Mickie Krause vertrauen auf dein Talent. Stehst du auf die Musik all dieser Künstler oder machst du dir deren Songs zu eigen?

Meistens war es so, dass ich zufällig und unvorhergesehen in ein Projekt hereingerutscht bin und musste mich erstmal in die Materie reinhören. Ich habe mir die Songs aber immer zu eigen gemacht und sie so gespielt „dass die Hütte brennt“ und dadurch eine emotionale Dramatik entsteht. Das fand ich besonders bei Reim wichtig, seine emotionalen Texte entsprechend zu unterstützen.

Das ist meine Art zu trommeln: Blut, Schweiß und Tränen. Das habe ich mir schon von Klein auf bei großen amerikanischen und englischen Drummern abgeguckt und verinnerlicht. Natürlich gibt es Projekte, bei denen das zuviel ist, da würde ich das auch so nicht machen. Aber die oben genannten Künstler fanden das immer geil so. Ich finde, wenn der Begriff „Rock’nRoll“ fällt, dann muss auch Rock’nRoll drin sein und dann geht’s nicht gerade zimperlich zur Sache.

Den Einwurf „das ist doch Schlager“ habe ich für mich nie gelten lassen. Ab wann ist etwas Schlager und ab wann nicht mehr?! Schlager darf auch gerockt werden, oder wo steht geschrieben, dass das nicht so sein darf?! 

Wie hat sich denn der Schlager in deiner bisherigen aktiven Zeit verändert?

Er ist durch Leute wie Reim und Petry rockiger geworden. Eigentlich war Maffay ja der Vorreiter und hat sich da durchgekämpft.
Bei Guildo Horn haben die 70er Schlager auch ordentlich gerockt, weil es einfach gepasst hat. Aber es muss nicht alles rocken und das ist auch gut so. Immer da, wo es passt, – ok. Andrea Berg zum Beispiel ist live rockiger geworden durch ihre tolle Band. Semino Rossi oder Fantasy müssen nicht rocken, weil das dann aufgesetzt wäre.
Reim war für mich nie ein reiner Schlagersänger, nur weil er in der CD-Abteilung unter ‚Schlager‘ stand. Seine Songs hatten ja schon immer Rock-Gitarren und Drums. Die Grenzen zum Rock-Pop sind da mittlerweile fließend. Allerdings gibt es gerade in den oberen Entscheidungsgremien im Musik-Biz noch oft diese alten Denkmuster des Einsortierens bzw. gibt es noch getrennte Abteilungen. Die Trennung sah man noch deutlich bei der ECHO-Verleihung 😉 
Und wie sieht es in der aktuellen Konzertlandschaft aus?
Es gibt ja immer mehr Schlageracts, die live mit Band spielen. Allerdings gibt es ja auch die großen Playback-Shows mit mehreren Künstlern an einem Tag. Warum macht das keiner wie bei Rock-am-Ring mit verschiedenen Künstlern live mit Band?! Schneller Umbau ist da ja auch möglich. Wir haben sowas mit Reim schon im kleinen Rahmen gespielt, aber so ein Mega-2-Tage-Festival würde mit Sicherheit richtig Publikum ziehen. 
Konzerte werden aber häufiger zu „Wohlfühl-Events“ (unabhängig von Corona-Regeln): also gemütlich im Sitzen mit was zu knabbern und besser nicht zu laut. Wie im Kino. Dass damit immer mehr Emotionen ausgebremst werden, wird leider einkalkuliert. Ich mag es lieber, wenn die Fans vorne an der Bühnenkante stehen und es ein ‚Geben und Nehmen‘ gibt: ich gebe Gas und sehe wie die Fans reagieren.
Und gebe dann noch mehr Gas :-)) Michael Holm hat mal spöttisch gesagt: „Die Musik darf die Hausfrau nicht beim Bügeln stören“  und dann hat er angefügt: „Das Bessere ist der Feind des Guten… und es muss geil sein!“ Das ist auch mein Credo. Professionelle Perfektion ist schön und gut, aber manchmal langweilig und da muss man auch mal eine Schippe drauflegen.
Wenn man ins Fußballstadion geht, will man auch lieber attraktiven Angriffsfussball als Standfußball sehen. Bei Bruce Springsteen gibt es seit 50 Jahren den gleichen Bühnenaufbau und kein Drumherum-Brimborium, weil es nur um die Songs geht. Und das reicht dem Publikum voll und ganz. Okay, er ist ein Mega-Künstler mit Mega-Songs.
Gute Songs brauchen keine Tänzer… hat man diese Songs nicht, braucht es halt etwas Ablenkung drumrum 🙂 Ich glaube, jetzt muss ich einige Euros ins Phrasenschwein werfen. :-)))

Du bist ja nicht nur Berufsmusiker, du bist auch Dozent. Ist das dein Ausgleich zu der lauten Bühne?

Auch als Dozent ist man Berufsmusiker;-)  Ich hatte immer dieses Fifty-Fifty-Ding laufen: 50% Bühne und 50% Unterrichten. Auch rein aus finanziellen Gründen, da ich nie komplett vom Live-Geschäft mit allen Unwägbarkeiten abhängig sein wollte, was sich in der Coronazeit als goldene Entscheidung erwiesen hat. Außerdem wollte ich mich auch nie in 5 verschiedenen Projekten aufreiben, um zu überleben, sondern mich auf ein Projekt voll konzentrieren können.

Deshalb hatte REIM 20 Jahre lang für mich absolute Priorität. Wenn ich mal selten gefehlt habe, hatte das private familliäre Gründe oder einen unausweichlichen Termin in meinem Dozentenjob am Konservatorium Luxemburg. Klar, derjenige, der dir ein Monatsgehalt für eine Festanstellung zahlt, steht in der Prioritätenliste nunmal ganz oben.

Ja, und in diesem Job als Jazzdrum-Dozent (seit 30 Jahren) kann ich zum Ausgleich auch ganz leise spielen ;-). Das habe ich sogar studiert, mit Hochschuldiplom.

Ich fand dieses Switchen zwischen unterschiedlichen Musikstilen auch immer spannend und herausfordernd. Da gibt es für mich auch keine Berührungsängste. Ich habe in der Jazz-Sparte auch einige Konzerte mit Jazzgrößen wie Paquito D’Rivera, Victoria Tolstoi, Nils Landgren, George Duke oder auch Ute Lemper gespielt (falls jemand die Namen googeln möchte ;-).

Die Anforderung und Fallhöhe für solche, teils einmaligen Konzerte ist allerdings weitaus höher. Bei einem Konzert mit vielleicht 2 Proben hat man quasi „ein Schuss, ein Treffer“ und der muss sitzen. Hat auch immer gesessen! 😉

Wie hast du die letzten 1 1/2 Jahre Corona „überstanden“ und wann glaubst du, wieder live auf der Bühne zu stehen?
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Das habe ich ja quasi in der vorherigen Frage beantwortet. Ansonsten harre ich der Dinge, die da kommen und mache mir keinen Stress. Ich war jetzt an die 28 Jahre auf Dauertournee, erst mit Horn dann mit Reim, habe mich da reichlich ausgetobt und empfand die Pause erstmal als wohltuend. So langsam könnte es natürlich wieder losgehen, aber leider sind die aktuellen August/September-Termine mit Torben Klein und Mickie Krause auch wieder abgesagt oder verschoben.

Ich hoffe mal, dass der 11.11. in Köln stattfindet und wir mit Torben Klein da am Start sein werden.

Aktuell gibt es große Diskussion um die Art und Weise wie Konzerte während der Pandemie stattfinden können. Helge Schneider bricht ab, Nena ruft zu allen Freiheiten auf und Howard Carpendale erinnert daran, dass die Shows ja auch für all diejenigen sind, die in den letzten Monaten arbeitslos waren. Techniker, Bühnencrew, Musiker usw. Wie ist deine Meinung zu dem Thema?

Damit das große Business überleben kann, braucht es volle Hallen. Tourneen sind nicht durchführbar, wenn in jedem Bundesland eine andere Regel gilt, d.h. dass Du z. B. in NRW die Hallen füllen kannst und in Hessen nicht (nur mal beispielsweise angenommen). Das wär so, als würde Künstler XY in normalen Zeiten hier eine Halle füllen und da kommt keine Sau.

Also sagt der Veranstalter: wirtschaftlich unrentabel, also besser sein lassen. Die Kosten für die Produktion sind ja in jeder Stadt dieselben bei unterschiedlicher Hallenauslastung. Geschieht dies, weil Künstler XY nunmal nicht überall Leute zieht, ist das als Berufsrisiko einzukalkulieren. Jetzt in der Pandemie mit völlig unberechenbaren Verläufen und Regeln ist das finanzieller Harakiri.

Also braucht es langsam mal eine klare Linie. Wenn das auf 2G hinausläuft, habe ich kein Problem damit, denn wir haben jetzt alle lange genug gewartet und können keine Rücksicht mehr auf die nehmen, die für sich 2G ausschließen wollen. Die müssen leider vorerst auf ihren Spaß verzichten. während die Branche nicht auf’s Überleben verzichten kann… sonst gibt es halt irgendwann garnix mehr und das wollen wir alle nicht.

Im Großen und Ganzen glaube ich erst an eine Normalisierung in vielleicht zwei Jahren… was immer man dann auch als normal betrachten wird. Es gibt allerdings auch kleinere Projekte, die sowieso immer schon mit geringen Zuschauerzahlen gelebt haben. Für die wird es früher mit einer normaleren Situation weitergehen können, weil der finanzielle Grundbedarf an Personal und Material einfach nicht so groß ist.

Zu guter Letzt kommen wir nochmal zu Matthias Reim, bzw. deren Fans die dich jahrelang supportet haben. Gibt es ein paar Worte, die du an die vielen tollen Menschen richten möchtest? 

Da haben sich über zwei Jahrzehnte richtige Bekanntschaften bis hin zu Freundschaften entwickelt, da wir als Band auch immer nah an den Fans waren. Wir haben jahrelang, besonders im Osten, jede grüne Wiese bespielt und haben nach den Konzerten noch mit Fans zusammen gesessen, gequatscht und getrunken. Das war schon alles sehr familiär.

Für mich war das auch weit mehr als nur ein Musikerjob, mit Matze durch die Gegend zu tingeln und die Leute mit echten und euphorischen Konzerten zu begeistern. Und das alles völlig allürenfrei. Ich danke den Fans für die ungebremste und echte Begeisterung, die uns getragen hat und die unbezahlbar ist. Wir sehn uns wieder… verdammt…

Lieber Rainer. Vielen Dank für die offenen Worte und bis bald auf der Live Bühnen dieses Landes.

Foto: CLAUDIA SACHER (Facebookseite RAINER KIND)

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