ABBA – das unerwünschte Comeback? – Ein Gastbeitrag von RENÉ DEUTSCHER 7

ABBA Voyage

ABBA: Nicht alle feiern das „Comeback“

Auf seiner Facebookseite hat RENÉ DEUTSCHER sehr – wie wir finden – fundiert und kenntnisreich seine Gedanken zum ABBA-„Comeback“ aufgeschrieben. Er hat uns die Abdruckgenehmigung erteilt – hier also RENÉ DEUTSCHERs Überlegungen zur Rückkehr der legendären Gruppe:


Ich bin absoluter ABBA-Fan! Ich habe ABBA von der ersten Stunde an gehört und war fast schon süchtig nach den Songs. ‚Dancing Queen‘, ‚Super Trouper‘, ‚Does your mother know‘ und unzählige weitere Songs, da werden Erinnerungen meiner Jugendzeit wach! Manches darf ich hier gar nicht schreiben, wobei mich die ABBA-Songs begleiteten – und ich bin mir sicher, da bin ich nicht allein

Ich kann die Arrangements von Abba aus dem Kopf nachspielen. Ob Streicherarrangements aus ‚Dancing Queen‘, die legendären Moog-Sounds aus Super-Trouper bis hin zum Bass-Sequencer, der sogar eine kleine ‚Gemeinheit‘ beinhaltet … alles im Kopf abgespeichert und nach 40 Jahren sofort abrufbereit.

Fast jeder Musiker und Künstler, der die 80s ‚live‘ erlebt hat, hat mindestens ein ABBA-Album im Schrank stehen (Vinyl) und darüber hinaus (weil Pflicht!) auch die gefühlt 84 „Best Of …“ und „ABBA-Gold“-Silberlinge.
Und wer sich mit (Achtung, wird kurz mal technisch) der Correlation in der Studiotechnik auskennt, der hat es sich eh zum Hobby gemacht, die Songs von ABBA in der „Phasendrehung“ anzuhören. Warum? Ihr werdet euch wundern, was ihr da alles hört, insbesondere in den Chorspuren

ABBA ist Kult – und sie standen bis heute auf dem Olymp der Pop-Musik. Sie taten etwas, was ihnen anfangs übel genommen wurde: Sie kündigten eine ‚Pause‘ an und verließen die Bühne … und kamen nie mehr zurück! Zur Betonung: ABBA wurde offiziell nie aufgelöst! Es war eine Pause – und die wurde nun nach 40 Jahren beendet.

Ja, ich habe mich sehr gefreut, als es schon vor einigen Jahren hieß, dass ABBA zwei neue Songs bringen wird. Allerdings dauerte es nicht lange und ich machte mir wirklich Sorgen! Schnell wurde mir bewusst, dass Benny, Björn, Anni-Frid und Agnetha natürlich auch keine jungen Hüpfer mehr sind. Und die Musiklandschaft hat einen gewaltigen Wechsel durchzogen!

Meine Befürchtung war nun, dass ABBA seine ‚Probleme‘ bekommen könnte, in dieser Zeit erneut zu bestehen. Natürlich ist das ‚alte‘ Publikum von ABBA noch vorhanden – aber eben auch ein weiteres Publikum, welches ABBA nie wirklich erlebt hat. Und da rede ich von Konsumenten, denen es reicht, wenn selbsternannte Produzenten in der DAW (PC-Tonstudio) nicht eine einzige Note am Keyboard einspielen können und stattdessen den Akkord-Modus nutzen und permanent auf „Akkordspur folgen“ drücken.

Das ist der Grund, warum man heute keine Bindungen mehr zwischen den Harmonien hört. Keine bindenden Bassläufe und Fills, keine Vorhalte in den Harmonien, geschweige denn „Sänger“ oder „Sängerinnen“, die ad hoc eine zweite Stimme singen könnten. Und genau diesem Publikum setzt man nun ABBA vor, die mit ausgefeilten Chören und hochgradig sauberen Arrangements brillieren.

Hier stellt sich sofort die Frage, ob viele das überhaupt noch ‚verstehen‘? Alleine schon der Umstand, dass der Gesang bei ABBA nicht nach spätestens 8 Sekunden einsetzt, könnte bei Spotify sogar einen ‚Abschaltimpuls‘ hervorrufen.

Die „Avatar-Tour“ dazu ist eine andere Geschichte und die Machart selbstverständlich auch dem drohendem Stress geschuldet. Alle ABBAs sind mittlerweile immerhin über 70!

Ich habe wirklich Befürchtungen, dass das Comeback einem Publikum vorgesetzt wird, die es nicht zu schätzen wissen, weil sie z. B. umgehend „Don’t Shut Me Down“ mit ihrer aktuellen Playlist vergleichen. Und „… irgendwie ist ‚Bad Habits’“ von Ed Sheeran dann doch geiler – weil nicht so old school…“

Leider muss ich gestehen, dass ich gerade nach der ersten (heutigen) Anhörung der neuen Songs Schwächen bemerkte, die vor 40 Jahren undenkbar waren: die Chöre sitzen nicht! Sie ‚bröseln‘ tatsächlich. Mit ‚bröseln‘ meine ich, dass sie nicht synchron sind – sie ‚bröseln‘ also auseinander. Bemerkenswert dabei ist, dass es vor 40 Jahren noch kein Melodyne etc. gab, mit dem man Gesangsspuren „auf den Punkt“ bringen konnte, da wurde alles so lange eingesungen, bis es saß!

Wenn dann aber heute die Chöre von ABBA eben nicht sitzen, obwohl sogar Melodyne zur Verfügung steht, dann sinkt das Begeisterungshormon leider schlagartig. Insbesondere, weil ABBA auf den neuen Songs durchaus Melodyne eingesetzt hat, das kann man an einigen Stellen (leider) doch hören. Nun gut, die Damen sind eben keine 20 mehr, das muss man auch ganz klar sagen.

Aber leider ist auch genau das (Alter) ein weiteres Problem. Die Stimmlippen (im Kehlkopf) erleiden das typische Problem, dass die Aktivität der Fibrolasten (Hauptzellen der Haut) schlicht abnimmt. Dazu kommt die Muskelatrophie (Schwächung der Muskelzellen) … Das führt zwangsläufig zum Verlust der Elastizität der Stimmlippen, die Stimme verliert „Glanz“ und Klarheit – leider jedoch das Hauptmerkmal von ‚Frida‘ und Agnetha!

Man kennt es von vielen Sängern, die in jungen Jahren glasklar sangen und 40 Jahre später wie eine im Keller vergessene und bereits geöffnete Flasche Whiskey klingen – und das ist leider nicht positiv gemeint
ABBA hatte den Olymp fest erklommen und die Fans von damals haben sich mit der „Pause bis zum Ableben“ arrangiert. Man hatte die unzähligen Songs griffbereit und konnte lauthals jeden Song seinem Nachbarn ungefragt durch die Badezimmerwand darbieten. Abba blieb somit Kult und war unerreicht!

Das allein schon deshalb, weil man die heutige Musik natürlich nur mit der Kongenialität von der damaligen ABBA-Qualität vergleichen konnte.

Nun aber macht ABBA den ‚Fehler‘ und liefert aktuelles Material – ein Vergleich in den Köpfen der Zuhörer wird zwangsweise und umgehend stattfinden. Und nach dem, was ich heute gehört habe, wünsche ich mir einmal mehr, ABBA hätte KEIN Comeback gestartet, denn damit haben sie sich selbst vom Olymp geschossen.

Das Comeback führt zwangsläufig wieder in die Reihen des Publikums – herunter vom Olymp. Und so wie es aussieht, wird sich der Rückweg zu diesem nun verschließen.
»Jeder Traum endet mal …«

Quelle: RENÉ DEUTSCHER – vielen Dank!
Foto: Universal / Industrial Light & Magic

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7 Kommentare

  1. Auch wenn ich kein Fachmann bin finde ich die Ausführungen zu dem Gesang, den Harmonien und dem PC-Tonstudio interessant. Verstehe ich es richtig, das Rene Deutscher wieder mehr echte Instrumente fordert? Weg vom sterilen Sound, auch weg von den immer gleichen Rhythmiken, hin zu mehr Melodien? Das sind leider Dinge über die in der Schlagerbranche/Musikbranche nicht gesprochen wird. Man hat auch den Eindruck das viele Schlagerkünstler sich in der Musik immer ähnlicher werden. Es klingt alles vollkommen austauschbar.

    Martin

  2. Gut und kompetent geschrieben, aber mein Argument ist stärker und ganz einfach formuliert: Ich liebe ABBA und schätze ihre Musik, die alt wie die neue … Punkt!

  3. Die Einschätzung des Profis hat einen entscheidenden Makel: Er argumentiert ausschließlich technologistisch.
    Die Stimmen sind natürlich älter, schön gereift. Aber der vielschichtige emotionale Ausdruck der Lyngstad und Fältskog ist mit der Erfahrung eines ganzen Lebens bereichert, was man hört und spürt und die Songs damit durchtränken. Kurzum, die Lieder gewinnen an Seele. Die ganz großen Energie-Spitzen weichen einer größeren Gelassenheit beim vokalen Ausdruck.
    Andersson betont, dass ABBA gar nicht erst versuchen, mit aktueller Popmusik zu konkurrieren.
    ABBA machen sich und den zahllosen Fans eine unglaubliche Freude mit neuer Musik. Ein bisschen Zeit braucht es aber, dieses Neue nach 39 Jahren Paus retrospektiv einzuordnen. Mein ABBA-Weltbild muss neu justiert werden.

  4. Auch ich wiederspreche dem. Es liegt in der Natur das wir Altern und auch die Stimme sich verändert. Das tut dem aber keinen Abbruch. Viele Musiker in in einem gehobenen Alter sind trotzdem sehr Erfolgreich. Den Abba Sound hört man sofort herraus halt etwas moderner. Ich denke nicht das die Vier vom Olmyp stürzen. Ich bin sogar davon überzeugt das die CD auf Platz 1 landen wird und es werden nicht nur die eingefleischten Fans diese CD kaufen. Benny und Björn sind brilliante Komponisten und man kann sich nur tief verbeugen vor den Beiden.

  5. Im Grunde ist es ein ganz einfaches Erfolgsrezept. Sie nennen es „klingt wie vor 40 Jahren“.

    Ich will das gerne anders ausdrücken. ABBA verzichtet auf „…es ist unser persönlichstes Album…“, „…wir haben uns musikalisch weiterentwickelt…“ und ähnliche Floskeln. Was sie gemacht haben ist ABBA-Sound, mit den personell altermäßig vorhandenen Änderungen, die Sie oben sehr technisch beschrieben haben.

    Mir gefällt das sehr gut (aber ich bin ein alter Sack)…

  6. Komischerweise ist der oben abgedruckte Text auf René Deutschers Facebook-Seite gar nicht mehr zu finden. Hat er ihn wieder gelöscht, weil inzwischen sichtbar wird, dass die Songs entgegen seiner Einschätzung bei alten und neuen Fans sehr gut ankommen? Ich finde, wenn man den Experten gibt, sollte man zu seinen Aussagen auch stehen …

    1. Da scheinen Sie aber nicht richtig geguckt zu haben.

      Den Beitrag finden Sie nach wie vor hier: https://www.facebook.com/rene.deutscher/posts/10221957266464214
      Man muss natürlich schon genauer gucken 😉

      Und wenn man René Deutscher kennt, dann weiß man, dass er einer der wenigen ist, der „Ar*** in der Hose hat“ und zu seinen Worten steht – das hat er zweifelsohne von seinem Vater. Und wenn er sich geirrt hätte, würde er das ebenfalls schreiben. Im Übrigen steht der Beitrag nicht auf seiner „Seite“, sondern auf seinem Personenprofil …

IKKE HÜFTGOLD: „Darf dieser Mann für Deutschland singen?“ – Exakt 25 Jahre nach GUILDO tritt er an! 2

Bild von Schlagerprofis.de

IKKE HÜFTGOLD hat es tatsächlich als TikTok-Sieger zum ESC-Vorentscheid geschafft

Nachdem der NDR auch in diesem Jahr wieder sehr merkwürdige Kriterien angelegt hat, wer Deutschland beim ESC vertreten darf (oberste Maxime: Kein Schlager, ebenfalls von größter Wichtigkeit: Kein deutscher Text – und Transparenz, warum der eine Titel es geschafft hat und der andere nicht ist auch wie immer unerwünscht), haben wir überlegt, diese zur Witzveranstaltung verkommene Veranstaltung gar nicht mehr zum Thema zu machen.

Welcher Song Deutschland in diesem Jahr wieder bis auf die Knochen blamiert, erschien uns egal, wobei der eine oder andere Titel nicht ganz so schlimm ist wie das, was wir von den Vorjahren kennen (mit LORD OF THE LOST wäre zumindest ein erneuter letzter Platz wohl nicht zu erwarten). 

Nach wie vor nebulöse Kriterien für die Auswahl

WARUM z. B. eine SENTA oder ein THOMAS GODOJ keine Berücksichtigung fanden – schwer zu sagen. Transparent wird das ja nicht kommuniziert. Und warum es eine TikTok-Vorauswahl gab, bei der man sich als Fan nur dann beteiligen konnte, wenn man sich dort angemeldet hatte, um ältere Voter vom Verfahren auszuschließen, ist für einen öffentlich-rechtlichen Sender auch eine merkwürdige Vorgehensweise. Dass die Quittung dafür nun der Sieg von IKKE HÜFTGOLD ist, ist natürlich endlich mal ein positiver Aspekt, der wieder Lust auf den ESC macht. 

Vor 25 Jahren: „Darf dieser Mann für Deutschland singen?“

Schlager wird ansonsten ja ohnehin ausgeklammert, obwohl noch immer die allermeisten ganz großen ESC-Hits aus dem Schlagersektor stammen. Vor 25 Jahren war die Situation ähnlich. Damals hat sich GUILDO HORN dem Wettbewerb gestellt. Und damals gab es noch NDR-Entscheidungsträger, die sich nicht NUR am eigenen Geschmack orientiert hatten. Die BILD fragte damals – auf den Tag genau(!) am Tag der Nominierung von IKKE – exakt am 4. Februar 1998 titelte die BILD: 

Bild von Schlagerprofis.de

Das Wort „Krieg“ ist natürlich aus aktuellem Anlass völlig unpassend, das Thema an sich aber interessant. Mit IKKE HÜFTGOLD stellt sich ein ähnlich polarisierender Interpret, dessen Song mitnichten ein „Ballermann-Song“ ist. Augenzwinkernd, selbstironisch und für IKKEs Verhältnisse fast tiefsinnig – dem NDR wäre zu wünschen, wenn IKKE nun eine ähnliche Lawine wie im Vorjahr ESKIMO CALLBOY lostreten könnte, als auch der Frust über selbstgerechte Alleinentscheider, die diesen unglaublich erfolgversprechenden Titel einfach mal so aussortiert hatten.

Schon im November hatten wir die Hoffnung, dass IKKE es schafft. Immerhin: Die erste Hürde ist genommen. 

Wir finden: Der Zweck heiligt die Mittel – wir drücken die Daumen, dass IKKE HÜFTGOLD mit seinem geschickten Medienumgang vielleicht sogar mehr erreicht als einen TikTok-Sieg. Aktuell gratulieren wir sehr herzlich dazu, dass nach Jahren mal wieder ein Schlager zur Wahl steht, was NUR mittels eines Publikumsvotings möglich wurde und NICHT von einer weitsichtigen Jury möglich gemacht worden ist…

 

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CHRISTIN STARK: Quote „Schlager des Monats“ in etwa auf „BRINK“-Niveau 11

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CHRISTIN STARK: Quote im „grünen Bereich“

Wenn BERNHARD BRINK zu den Schlagern des Monats lud, hat er nach unserer Erinnerung oft 2-stellige Marktanteile geholt und 300.000 Zuschauer geholt. Bei „ihrer“ ersten Ausgabe konnte CHRISTIN STARK diese Werte spielend ebenfalls erreichen. 330.000 Zuschauer im MDR-Sendegebiet und 10,7 Prozent Marktanteil (ebenfalls bezogen auf das MDR-Sendegebiet) sind ordentliche Werte. 

Ob die Umstellung von Albumcharts auf Radiocharts geschickt war und dann der Hinweis (mit Ansprache an das Publikum) auf „IHRE“ Charts, obwohl wohl die wenigsten Zuschauer Radioredakteure sind. Andrerseits lässt sich nicht abstreiten, dass durch die Umstellung des Wertungsverfahrens mehr Abwechslung drin ist und auch Namen dabei sind, die sonst nicht in den einschlägigen Schlagersendungen dabei sind. 

Hinweis: Hinsichtlich der Quotenbeurteilung können wir nur auf das MDR-Sendegebiet abheben, weil die bundesweiten Quoten nach unserer Kenntnis nicht offiziell nicht abrufbar sind. 

Quelle: MDR / Gfk, AGF
Foto: Daniela Jäntsch

 

 

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