ANDRÉ HELLER liefert mit „SpĂ€tes Leuchten“ die richtigen Töne fĂŒr die stillen Tage Kommentare deaktiviert fĂŒr ANDRÉ HELLER liefert mit „SpĂ€tes Leuchten“ die richtigen Töne fĂŒr die stillen Tage

CD Cover SpÀtes leuchten

Unser Rezensent Georg Fuchs versprach uns ein “Album, an dem es absolut nichts zu meckern gibt”. Sein Befund: “Großartige Texte – aber man muss das Album in Ruhe hören, sonst wird man davon ĂŒberrollt.” – Auch wenn das Album schon fast zwei Monate auf dem Markt ist – gut Ding will Weile haben – veröffentlichen wir nun die Rezension zum aktuellen Album von ANDRÉ HELLER:

36 Jahre nach seinem letzten originĂ€ren Studioalbum veröffentlichte der vielfĂ€ltig kĂŒnstlerisch aktive Österreicher ANDRÉ HELLER am 15. November das Album „SpĂ€tes Leuchten“ und damit genau die richtigen Töne fĂŒr die stillen Tage.

Er wollte „diejenigen, die sich fĂŒr meine Arbeitsergebnisse interessieren, nicht im Glauben lassen, das mit den, bis Anfang der 80er Jahre veröffentlichten Liedern, fĂŒr mein ganzes Leben alles in diesem Genre gesagt wĂ€re.“ Gleichwohl wollte er Themen behandeln, die ihn heute mehr beschĂ€ftigen als damals, und Erfahrungen musikalisch verarbeiten, die er inzwischen gemacht hat, wie den Tod seiner Mutter. Einen Anstoß fĂŒr das Album gaben Besuche der Konzerte von Hellers Sohn Ferdinand, der als Rapper „Left Boy“ große BerĂŒhmtheit genießt. Dabei sei ihm bewusst geworden, dass der den Energieaustausch mit dem Publikum und Studiomusikern vermisse. Eine weitere Ermutigung war die Zusammenarbeit mit Robert Rotifer, einem Gitarristen und Musikjournalisten, und der Managerin seines Sohnes, Tessy Schulz.

Gleich das erste Lied, „Alles in allem“, ist einer der Höhepunkte des Albums. Musikalisch reduziert, nur von Gitarren, Akkordeon und Rhythmusinstrument sowie im Refrain von einem Chor begleitet, bilanziert Heller in diesem beinahe gesprochenen Text ĂŒber sein Leben, das „alles in allem vom GlĂŒck verfolgt“ war. Dieses Lied ist Lebensbilanz und Ermutigung zugleich.

„Mutter sagt“ setzt sich mit dem Tod von Hellers Mutter Elisabeth, die 2018 im Alter von 104 verstarb, auseinander. Ein Crescendo unterstĂŒtzt die in den Strophen dargestellte Hektik der GedankengĂ€nge kurz vor ihrem Tode. Im Text lĂ€sst Heller seine Mutter direkt zu Wort kommen, die sich ihres bevorstehenden Todes bewusst zu sein scheint (mit dem Wiener Begriff „Quiqui“ ist der Tod gemeint). Im Refrain wird die Unruhe durch tiefe Melancholie abgelöst, hier geht es um den „Urgrund meiner Schmerzen“.

„Im Anfang woa dei Mund“, das erste von zwei auf Wienerisch geschriebenen Liedern, handelt vom Selbstbetrug. „In der Dunkelheit“ beginnt mit StraßengerĂ€uschen: man hört jemand draußen spazieren gehen, vernimmt ein Martinshorn, dann wird aus den menschlichen Schritten Percussion-Begleitung, zu der sich eine Gitarre gesellt. Der Text handelt von der nĂ€chtlichen Depression, den „bösen Geistern“, gegen die nur Singen und Musik hilft. Nach diesem deutschen Text setzt der arabische SĂ€nger Marwan Abado ein, der ein arabisches Wiegenlied singt.

„Maybe it’s true“ ist ein leichter Shanty, der prosaisch eine Geschichte von der Begegnung mit dem Teufel in einer windigen Nacht in Los Angeles erzĂ€hlt. Im englisch gesungenen Refrain geht’s beschwingt und jazzig zu.

Das wienerische „Woas ned so“ singt Heller gemeinsam mit der österreichischen SĂ€ngerin Ina Regen und thematisiert darin Zweifel an einer Liebe.

Im zunĂ€chst groovigen „Die Wiener Judenkinder“ rechnet er im prosaischen Text mit seiner Geburtsstadt ab, von der er glaubt, sie sei von Wundern abgeschottet und habe kaum aus der Nazizeit gelernt. Er beschreibt sein Leiden unter der lieblosen Erziehung seiner Eltern. Im nur vom Klavier begleiteten, gesungenen und gereimten Refrain bittet er um Zartheit fĂŒr sich selbst und meint, dass sich hinter dem „Bleiernen“, das viele Wiener Judenkinder in sich trĂŒgen, große SchĂ€tze verborgen seien. Heller selbst hat jĂŒdische Wurzeln. In der nĂ€chsten Strophe wĂŒrdigt er Odis Redding, dessen Stimme ihn dazu ermutigt habe, seinen Weg als KĂŒnstler zu gehen. Da er sich selbst nie als KĂŒnstler bezeichnen wĂŒrde und den Begriff ablehnt, verwendet er dafĂŒr Synonyme wie „Taugenichts“ und „GlĂŒcksmatrose“. Der Refrain wird nun im selben Groove begleitet wie die Strophe, der Text wird jedoch nicht verĂ€ndert. In der letzten Strophe beschreibt Heller seine Hoffnung, die Nachwelt nach seinem Tode mit Musik aus dem Jenseits beschenken zu können und ihnen so Leichtigkeit und Schutz zu bieten. „Auch der Tod ist ZĂ€rtlichkeit“ – diese berĂŒhrende Zeile wird wiederholt, bevor der Refrain – nur vom Klavier begleitet – wiederholt wird. „Die Wiener Judenkinder“ gehört zu den besonders berĂŒhrenden Liedern dieses Albums.

„Venedig“ ist eine LiebeserklĂ€rung an Venedig und eine Frau. Der Besuch Venedigs ist zum Ritual geworden, dort kann das Paar in „andere SphĂ€ren“ eintauchen. „Venedig, das sind wir“ – die Verbindung zwischen Heller und der besungenen Stadt ist deutlich zu spĂŒren. Auch die Angst vor dem Alter und dem möglichen Ende der Beziehung ist hier zu spĂŒren, wenn er singt: „Und alles ist jetzt / noch sind wir unverletzt / noch ist nichts lĂ€cherlich / kein Du, kein Wir, kein Ich / [
] jetzt sind wir noch nicht tot“.

Nach diesen beiden berĂŒhrenden Liedern ist das anscheinend live im Studio eingespielte „Papirossi“ eine Hymne an die Lebensfreude, das Feiern und die Leidenschaft. Die Live-AtmosphĂ€re suggeriert, dass das Lied spontan bei einer Party gemeinsam mit den GĂ€sten aufgenommen wurde. In Interview drĂŒckt seinen Wunsch aus, dass dieses Lied bei jĂŒdischen Hochzeiten gespielt werden möge. 

Mit der Ballade „Du, mein Ich“ wird es wieder besinnlich: Heller besingt sein eigenes Staunen, seine SehnsĂŒchte und wird nur von einem Klavier, einer SĂ€ngerin und leisen Percussions begleitet.

„Marrakech“ ist eine LiebeserklĂ€rung an einen Ort, der AndrĂ© Heller lĂ€ngst zur Heimat geworden ist, hier ist er „in meinem Element“, wie er sprechsingt. Akustische Kulisse sind landestypische Rhythmen und GesĂ€nge.

In „Heldenplatz“ blickt der SĂ€nger auf geschichtstrĂ€chtige Ereignisse, die sich am Wiener Heldenplatz abgespielt haben: die Kaiserzeit, das Naziregime (umschrieben mit „all‘ die Fahnen, der Stolz / aus dem arischen Holz“), „die Fiaker und Huren“ usw. Alle diese so gegensĂ€tzlichen Ereignisse beeinflussen die Stadt Wien bis heute, denn „alles, das verweht, kehrt jede Nacht zurĂŒck zum Heldenplatz“.

Die Ballade „Hab’ so Sehnsucht“ beschreibt die Sehnsucht nach der Geliebten und ist gleichzeitig eine LiebeserklĂ€rung an sie. Der ErzĂ€hler schildert sich dem Zauber der Geliebten erlegen und fĂŒhlt sich bei ihr geborgen. Auch diese Ballade ist reduziert instrumentiert.

„Es gibt“ beschreibt die PolaritĂ€t des Lebens: „Tage voller Lachen“, aber eben auch „die Bilder von Hiroshima“. Überfluss und Leid, Schönheit und Gier, schweigende Mönche und Artisten
 Doch die Liebe, singt Heller, ist bedingungslos. Trotzdem scheint die Grundstimmung des Liedes positiv. So betont Heller: „Es gibt das Scheinen und, glaub mir, es gibt das Sein“ – trotz aller Tragödien, die das Leben bereithĂ€lt, gibt es „Fremde, denen man sofort vertraut“ und „den Blinden, der in alle Herzen schaut“. Ein weises, berĂŒhrendes Lied, das gehört werden will.

„Dem Milners Trern“ thematisiert die VergĂ€nglichkeit des Lebens. Das nur 46 Sekunden lange, englische „My river“ beschreibt den eigenen, inneren Lebensfluss.

Mit „SpĂ€tes Leuchten“ ist AndrĂ© Heller eines der wichtigsten und berĂŒhrenden Alben des Jahres 2019 gelungen. Die Kraft seiner Poesie ist gewaltig, bewegend. Die Texte sind voller Lebensweisheit, Selbstreflexion und Tiefgang, die Musikstile abwechslungsreich und genau auf die Stimmung des jeweiligen Textes abgestimmt. Ein Album, fĂŒr das man sich ob seiner vielfĂ€ltigen Themen und poetischen Bilder Zeit nehmen muss. Ein großes Werk!

Georg Fuchs

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