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Wolfgang Petry – sein Album “Genau jetzt!” in der Schlagerprofis-Rezension

Wolfgang Petry hat in den 1990er Jahren dem heutigen Schlager-Hype zweifellos den Weg geebnet. Der Schlager hatte damals ein Negativ-Image und schaffte es nur selten in die aktuellen Charts. Mit seinem rockigen Discofox-Schlager schaffte Petry es bis an die Spitze der Schlagerszene – bis hin zu Stadionkonzerten – so etwas hat es im Schlager zuvor nicht gegeben, auch da hat Wolfgang Petry den Weg geebnet. Im Jahr 2006 gab er das Ende seiner Karriere bekannt. Insgesamt hat sich „Wolle“ im Gegensatz zu vielen seiner Kollegen daran gehalten – lediglich Tonträger veröffnet er inzwischen bisweilen wieder.

Mit seinen Schlager-Produktionen konnte er an alte Erfolge anknüpfen. Was kommerziell gar nicht funktionierte, war Wolles Ausflug in die Rockmusik unter Pseudonym „Pete Wolf“. Reumütig(?) kehrt er nun wieder zum Schlager zurück – und wie: „Genau jetzt!“ ist ein Album im Stil des Wolfgang Petry, wie wir ihn aus den 1990er Jahren kennen.

Mit „Wo sind denn all die Helden“, das auch in einem tollen Video umgesetzt wurde, zeigt Petry, wo die Reise hingeht – rockiger Schlager mit Texten aus dem Leben – konkret geht es darum, dass manche Frauen vielleicht zu hohe Ansprüche an ihren „Traummann“ haben und nicht erkennen, dass die wahren Helden „ganz normal“ sind.

Country-angehaucht – im Lagerfeuerstil – haben sich Produzet René Lipps und Tom Albrecht den schönen Schlager „Wir machen’s noch mal“ ausgedacht – ein Lied zum Mitswingen und Mitklatschen und Mitmachen. Auch wenn der Reim „von“ – „begonn’n“ etwas gewöhnungsbedürftig ist – Wolfgang Petry darf das. Das nahtlose Anknüpfen an alte Zeiten ist buchstäblich „genau jetzt!“ richtig und gut – so die Botschaft des Liedes, die erneut den normalen Mann als Helden glorifiziert.

Dass Eifersucht Marterpfahl ist, wissen wir seit Klaus Lage. In seinem rockigen Song „Geh mir aus den Augen!“ beschreibt Petry seine verletzte Eitelkeit mit der für ihn typische Sprache und kritisiert den „Nachbarn mit dem dünnen Haar“, der offensichtlich Wolles Widersacher ist – optische Unzulänglichkeiten zu kritisieren, kennen wir wiederum von Grönemeyer („seit wann zieht’s dich zu Fetten hin?“). Die Sehnsucht ist dann stärker: „Scheiß auf den Teufel – der Himmel bist du“. Den Song hat er gemeinsam mit Tobias Röger geschrieben. Im Kleingedruckten ist übrigens zu lesen, dass Wolfgang Petry in diesem Song höchstselbst Keyboards gespielt hat.

Mit „leerer Festplatte“ werden wir geboren – und dann geht es ganz schnell – dieses Themas hat René Lipps sich in dem von ihm geschriebenen bluesigen Song „Wir sind Kinder“ verschrieben. Der Gedanke, dass wir „bis zum Ende“ Kinder sind, ist für viele Menschen nachvollziehbar, die auch im hohen Alter ja doch noch die Kinder ihrer Eltern sind. Ein schönes ungewöhnliches Gitarrensolo rundet den nachdenklichen Song ab.

Seine vielen negativen Eigenschaften fast Wolle in seinem Song „Glücklich sein“ zusammen – auch wenn er weder malen noch tanzen kann („sieht scheiße aus“), so kann er doch verdammt gut „Glücklich sein“ – das, was viele Kritiker als „Prollmusik“ bezeichnen, wird hier positiv zelebriert – was spricht dagegen, sein Leben trotz oder gerade wegen gewisser Unzulänglichkeiten zu genießen („man muss ja auch nicht alles KÖNN’N und so wie ein Bekloppter RENN’N“ – diese Reime sind schon irritierend…).

Fast als Kinderlied konzipiert ist „Lass uns einfach leben“, das sich erneut um das Thema „carpe diem“ dreht – mit der typischen Petry-Sprache – hier reimt Songautor René Lipps z. B. „spring’n“ auf „Ring“ oder „Regen“ auf „Leben“ – aber wie gesagt, an der Stelle knüpft Wolfgang eben nahtlos an alte Erfolge an.

Nachdenklich gibt sich Wolle im von Horst Krause („Currywurst“) getexteten Song Song „80“ – auch das Thema kennen wir aus Liedern wie „When I’m 64“, „Mit 66 Jahren“ oder „Wird ich noch jung sein, wenn ich älter bin?“ – ein selten nachdenklicher Petry, der Fragen stellt, die er heute nicht beantworten kann und sich nachdenklich gibt: „alt zu werden, ist nicht leicht – Zeit vergeht so schnell“ – erneut ein Titel, mit dem sich wohl jeder identifizieren kann. Sehr ungewöhnlich für Schlager im Allgemeinen und Petry im Speziellen: Am Rande thematisiert Wolle sogar das Thema Tod und scheut sich auch nicht, zwischendurch Reggae-Sounds in seinen Rocksong einfließen zu lassen. – Witzig ist übrigens, dass die BILD-Zeitung in einem Artikel kürzlich „76“ Jahre (und damit in die Nähe der 80) alt gemacht hat – wohl ein Zahlendreher…

Richtig rockig und selbstironisch geht’s im von René Lipps und Tom Albrecht geschriebenen Song „Total verrückt“ zu, in dem Wolle sich selbst auf’s Korn nimmt und den „dicken fetten Schnauzbart“ oder die „bunten Freundschaftsbänder“ zum Thema macht und sich bei seinen Fans bedankt, die ihm all diese „total verrückten“ Spleens verziehen haben, weil man sich „immer treu“ bleibe. Sein Erfolgserlebnis beschreibt Wolle auch mit einfachen Worten: „Wir waren echt und nicht Hokuspokus“ – diese Authentizität ist wohl gerade im Schlager ein sehr wichtiger Erfolgsaspekt.

Von „guten und beschissenen“ Zeiten handelt der Song „Clown“, in dem Wolle sich sogar nicht scheut, die gerade in Künstlerkreisen beliebte Methode, eine fröhliche Maske zu zeigen, die teils eine depressive Fassade verstecken. Dennoch ist Humor wichtig im Leben, und so kommt Wolle zur Quintessenz: „Ein Clown wie du wird ewig leben“ – nicht ohne erneute ein starkes Gitarrensolo einfließen zu lassen.

Ungewohnt ernst geht es im Song „Gebet“ zu, in dem Wolfgang sagt, dass er sich bewusst nicht als politischer und religiöser Sänger versteht und – sofern friedlich ausgelebt – „jedem Tierchen sein Pläsierchen“ gelassen werden soll – und kommt zur einfachen These: „Jesus, Buddha und Lennon haben’s schon gerafft: All You Need Is Love“.

Ein Petry-Lovesong ist „Wenn du willst“, in dem er seine bedingungslose Loyalität zur geliebten Partnerin kundtut – erneut passt dazu der folgende Song „Gerettet“, in dem Wolfgang seiner Frau dankt dafür, dass er in harten Zeiten nicht abgestürzt ist, wobei der Name „Rosie“ nicht namentlich genannt wurde…


Mit „Leonie“, einem Titel, in dem sogar – für Wolle untypisch – ein Keyboard mit Bläsersounds zum Tragen kommt, thematisiert der Sänger augenzwinkernd ein Mädchen, an das er nicht herangekommen ist, weil Leonies Herz „für die Frauenwelt“ schlägt und er deshalb keine Chance bei der Dame hatte. Ein schöner und eingängiger Shuffle-Song mit Augenzwinkern.

Mit „Ich atme“ präsentiert Wolle eine Eigenkomposition, die die TV-Zuschauer bereits seit September 2018 kennen, als Petry diesen Song gemeinsam mit seinem Kumpel Heino bei Carmen Nebel im Duett präsentierte, wobei er nicht live im Fernsehstudio war, sondern lediglich via Video eingeblendet wurde. Es spricht für beide Künstler, dass sie in einer Samstagabendshow die Zeilen „Ich saufe, verführe, diniere und krepiere“ im Alter von fast 80 und 67 Jahren vortragen.

Vom Gejammer derer, die das „Hier und Jetzt beklagen“, hat Wolle genug – und findet im Song „Genau hier, genau jetzt“, dass „genau jetzt der Moment ist, auf den wir warten“ – einmal mehr lässt sich das in „carpe diem“ übersetzen. Optimistisch verabschiedet sich Wolle von seinem aktuellen Album.

Damit auch die Discofox-Tänzer auf ihre Kosten kommen, hat Wolle gleich zwei Songs von zwei der angesagtesten Remixern der Nation veredeln lassen. Stereoact haben den Song „Wo sind denn all die Händen“ im Stereoact-Remix neu abgemischt. Besonders bemerkenswert ist der DJ Fosco-Remix, der den eingängigen Ohrwurm in ein tanzbares Soundgewand gepackt hat – ein toller Remix, der nicht wenige Fans mit der Zunge schnalzen lässt.

Produziert wurde Wolfgangs neuestes Album wie schon z. B. „Brandneu“ von René Lipps, einem Bandkollegen seines Sohnes Achim, mit dem er seit Jahren vertrauensvoll zusammenarbeitet. Lipps war auch als Musiker aktiv, so hat er neben den Keyboards und dem Bass auch die Gitarren eingespielt, die für das Album charakteristisch sind und sich damit sehr angenehm von heutigen Studioproduktionen abheben – es klingt einfach „handgemachter“ als das, was man vielfach heute so hört. Dass Lipps Wurzeln u. a. in der „Neuen deutschen Härte“ hat, ist teilweise durchaus auf „Genau jetzt!“ zu hören – und es tut dem Sound des Albums gut. Viele Songs hat Lipps auch geschrieben – einige davon gemeinsam mit Tom Albrecht, den Schlagerfans vielleicht noch als Gewinner der Nachwuchs-„Goldenen Stimmgabel“ von Dieter Thomas Heck kennen.

An den Drums verdingte sich wie schon bei den letzten Petry-Alben Olli Schmitz, der wohl auch aus dem Dunstkreis von Sohn Achim Petry stammt.

Viele der Songs hat der Songwriter Tobias Röger geschrieben, der sich z. B. mit „Millionen Lichter“ von Christina Stürmer einen Namen gemacht hat und für „schlichte, direkte“ Worte steht – also genau der richtige Mann für Wolfgang Petry.

Und weil wir in Deutschland im Schlagersegment ja (noch) immer artig CD-Alben kaufen, ist auch das Booklet mit allen Texten für viele Fans wichtig, dessen Fotos einer der wohl bedeutendsten Fotografen der Szene geschossen hat: Manfred Esser hat ausdrucksstarke sw-Fotos von Wolfgang Petry erstellt:

Bild von Schlagerprofis.de

Bild von Schlagerprofis.de

Mit „Genau jetzt“ spricht Wolfgang Petry ganz offensichtlich seine alt eingesessenen Fans ein, die sich gitarrenlastigen Rock-Schlager mit Texten in einfacher Sprache wünschen. Man kann es dabei, wie einige Kritiken zeigen, nicht jedem recht machen – aber unter dem Strich dürften „Genau jetzt“ deutlich mehr Publikum finden als das „Pete Wolf“-Projekt. Die Songs sind so Petry-typisch, dass eine Rückkehr auf die große Bühne eigentlich Sinn machen würde – viele der Songs würden sich auch im Live-Einsatz gut machen. Wer weiß – vielleicht überlegt es sich „Wolle“ ja doch noch eines Tages. Bis dahin können die Fans sich an dem gelungenen „Genau jetzt!“-Album erfreuen.

Fotos: Manfred Esser

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Schlagerprofis – Der Podcast Folge 031

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